Nachgedanken zu Fallbeispielen der neuen „trans*“-Leitlinie
In unserer Elternschaft sind auch Fachleute. Einige haben sich exemplarisch zwei Fallbeispiele aus der S2k-Leitlinie näher angeschaut und sind entsetzt:
„An manchen Stellen der beiden Fallbeispiele (S. 107-109) im Kapitel 'Assoziierte psychische Auffälligkeiten und Gesundheitsprobleme bei Kindern und Jugendlichen mit Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie' der neuen
Und Fragen zu stellen über Dinge, die unklar bleiben."
1 Der Begriff „trans”
Welchen zusätzlichen Erklärungswert hat der Begriff „trans*“ im individuellen Störungsmodell der Fallbeispiele der Leitlinie für Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter?
Warum kommt in den Beispielen niemals der Begriff „trans*“ vor, während er in der Literatursuche für die Leitlinie und auch in der Leitlinie selbst ununterbrochen vorkommt?
Weil „trans” ein gesellschaftspolitischer Begriff ist und kein medizinischer?
Warum handelt dann der größte Teil der Leitlinie von „trans*” und nicht von Geschlechtsdysphorie? Auch Geschlechtsinkongruenz ist grundsätzlich nicht der richtige Begriff als Begründung für medizinische Prozeduren, denn im Zuge der vorangetriebenen Entpathologisierung handelt es sich bei Geschlechtsinkongruenz nicht mehr um eine psychische Störung und daher ist sie auch nicht mehr behandlungsbedürftig.
Warum ist ein Großteil der Argumentation in der Präambel und auch in vielen Teilen der restlichen Leitlinie inhaltlich nicht medizinischer sondern gesellschaftspolitischer Art? Dies sollte in einer medizinischen Leitlinie keine Rolle spielen.
2 Die Fallbeispiele
Bei den Fallbeispielen im Kapitel IV mit dem Titel „Assoziierte psychische Auffälligkeiten und Gesundheitsprobleme bei Kindern und Jugendlichen mit Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie” geht es um 2 biologische Mädchen im Jugendalter.
Biologische Mädchen in der Pubertät sind Teil der neuen Kohorte von ROGD-Teenagern, deren Transidentifizierung erst in der Pubertät beginnt. Diese Gruppe von Jugendlichen macht seit der Sex-Ratio-Inversion ab ca. 2015 mit 80 % die größte Gruppe der angemeldeten Patienten in den Gender-Ambulanzen aus. Bis ca. 2014 waren es mit 80 % vorpubertäre Jungs.
Genau diese pubertäre Gruppe mit der plötzlich auftretenden Geschlechtsdysphorie ist die Gruppe von Jugendlichen, die die Leitlinie eigentlich beharrlich totschweigt und die so unsichtbar gemacht wird.
Warum tauchen genau diese ♀ ROGD-Teenager nun hier in beiden Beispielen auf?
3 ROGD
Beide Jugendliche in den Fallbeispielen haben VOR dem Erstkontakt mit der Gender-Ambulanz NIE den Wunsch nach einer (sozialen und medizinischen (Brian) bzw. medizinischen (Nick)) Transition geäußert. Bei Nick wurde dies sogar zweimal erwähnt.
- Brian: „bislang ohne klar geäußerten Wunsch nach Transition“
- Nick: „wobei [in der Entwicklungsvorgeschichte] nie ein expliziter Wunsch geäußert worden sei, diesbezüglich Schritte einer Transition zu unternehmen“/“dass er sich wie ein Junge fühle, habe er während der vorangehenden Klinikaufenthalte jedoch nie geäußert“, die bereits durchgeführte soziale Transition fand nach mehreren Aufenthalten in kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken wegen der Essstörung statt, sodass hier die Frage nach einer sozialen Ansteckung hätte geklärt werden müssen.
Beide Teenager äußern lediglich
- eine Affinität zu den Geschlechterrollenstereotypen des anderen Geschlechts und
- ein Unwohlsein mit dem eigenen (weiblichen) Körper.
Es scheint so, dass die jugendlichen Mädchen lediglich die natürlichen Veränderungen ihres Körpers in der Pubertät unangenehm empfanden, also eine Körperdysphorie entwickelten. So wie es in beiden Beispielen in der Fallbeschreibung auch als Symptomatik aufgeführt wird.
Sozial definierte Geschlechterrollen oder Geschlechterstereotype, die nicht dem biologischen Geschlecht entsprechen, als einziges Kriterium für die Geschlechtsidentität zu betrachten, greift definitiv zu kurz für die Beschreibung der ganzen Persönlichkeit eines Menschen. Es reicht nicht einmal, wenn man nur die sexuelle Identität betrachtet. Wenn wir einem Kind erzählen, es sei kein Mädchen sondern ein Junge, nur weil es sich für Mathe interessiert und nicht mit Puppen spielen mag und müsse deshalb seinen Körper an den eines Jungen anpassen lassen, erscheint das ein deutlicher Rückschritt in der Emanzipation und Gleichberechtigung von Frauen zu sein. Da waren wir mal deutlich weiter als Gesellschaft.
Der „logische“ Übergang zum transaffirmativen Modell, der in den Beispielen als einzige Erklärung suggeriert wird, wird in den Fallbeispielen nicht logisch hergeleitet, sondern bleibt leider vollkommen unklar.
4 Erinnerung an die Kindheit
Der autistische Brian ist zum Zeitpunkt des Erstkontaktes mit der Gender-Ambulanz noch ein Mädchen. Das Kind hat weder eine soziale Transition vorgenommen, noch hat es eine Vorstellung davon, wie es das im Alltag umsetzen könnte, noch hat es Wünsche nach Transitionsschritten in irgendeiner Weise geäußert. Es mag seinen Mädchennamen sogar irgendwie. Den erfahren wir aber gar nicht, obwohl das Kind ihn zum Erstkontakt noch getragen hat. Warum?
Die Schlussfolgerung der Autoren, dass sich „das Bild einer seit frühester Kindheit stabilen männlichen Geschlechtsidentität“ daraus ergibt, resultiert nicht logisch aus der beschriebenen Anamnese.
Die Alternativhypothese der autismustypischen erschwerten Interozeption und Körperwahrnehmung sowie eines neurodiversen Denktypus wird nicht diskutiert. Warum nicht?
5 Trans* erst in der Pubertät
Die Trans-Identifizierung von beiden Jugendlichen begann erst in der Pubertät. Auch wenn der Befund anschließend die „Vergangenheit re-interpretiert“ und das als vollkommen schlüssig darstellt, so geht dies nicht klar (eigentlich gar nicht) aus den zuvor in der Anamnese beschriebenen Inhalten hervor: Wir wissen nicht, wann diese (mögliche Re)Interpretation stattfand. Aus den Daten geht das nicht hervor. Und sie wurde von den Jugendlichen auch nicht unmittelbar bei der Erstvorstellung berichtet, sondern im Verlauf der Therapie „entwickelt“. Und Erinnerungen sind oft unsicher (Loftus). Besonders wenn Inhalte unter einer bestimmten Fragestellung oder Prämisse (hier: „trans seit der Geburt“) erinnert werden.
6 Mehrfachprobleme
Beide Teenager haben außer den Symptomen der Körperdysphorie zusätzliche psychische Störungen, die bereits VOR der Trans-Indentifizierung bestanden.
Bei Nick stellt sich die Frage des Einflusses von social contagion (sozialer Ansteckung als bekanntes Phänomen insbesondere bei weiblichen Jugendlichen, s. der Tiktok-Tic (Video mit Prof. Dr, Kirsten Müller-Vahl) und wie es auch oft bei Essstörungen vorkommt (über Internetseiten wie ProAna/ProMia).
Bei Brian ist es der Einfluss der Neurodiversität/Autismus auf die beschriebenen Symptome, wie (autismustypische) Veränderungsängste, soziale Ängste.
Es ist in den weiteren Fallbeschreibungen vollkommen unklar, inwieweit diese psychischen Störungen therapeutisch adressiert wurden (Essstörung, soziale Phobie). Und ob der Autismus von Brian leitlinienkonform (nach Autismus-Leitlinie, Teil 1, Teil 2) behandelt wurde.
7 Aus Körperdysphorie wird Geschlechtsdysphorie?
Bei der Aufnahme in die Gender-Ambulanz wurde bei beiden Teenagern Körperdysphorie diagnostiziert/beschrieben, die später unter dem Narrativ der gender-affirmativen Behandlung zu Geschlechtsdysphorie (und auch außerhalb der Leitlinie oft automatisch zu trans) wurde.
Diese Schlussfolgerung ist weder logisch noch ist trans die einzige Erklärung für ein Unwohlsein mit dem eigenen Körper.
- Wo sind die Alternativhypothesen zur Körperdysphorie?
- Wo ist der Bezug zu den anderen psychischen Erkrankungen bzw. Behinderungen der beiden Jugendlichen
(Punkt 6)?
8 Born-That-way
Die Schlussfolgerung „trans seit Geburt“ widerspricht in beiden Fällen der anfänglichen Fallbeschreibung. Und durch die Erzählungen von Detransitionierten wissen wir, dass die Vergangenheit re-interpretiert wird.
Beispielsweise soll diese Veränderung der Vergangenheit durch die nachträgliche „Umschreibung“ der Geburtsurkunde real gemacht werden. Die Erinnerungen aller anderen Personen, die mit der Trans-Person aufgewachsen sind, werden damit ungültig gemacht. Was zu Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion mit anderen führen wird, die ja weiterhin in der Realität leben. Und oftmals haben die Eltern der Jugendlichen eine andere Erinnerung an die Kindheit dieser Kinder.
9 Alternativhypothesen? Alternative Therapieansätze?
Wo sind mögliche Alternativhypothesen und alternative Therapieansätze in den Fallbeispielen?
Brian
Mädchen im Autismus-Spektrum, besonders die mit durchschnittlicher bis hoher Intelligenz, verfügen in der Regel über ein gutes Masking, d. h. sie können sich über das Imitieren anderer Personen mit viel zusätzlichem Aufwand an die sozialen Anforderungen der Umwelt anpassen. Dieses Kompensationsverhalten, um im Alltag irgendwie durchzukommen, bricht oft erst in der Pubertät zusammen, wenn sozial-kommunikative Anforderungen an typische Mädchen-Interaktionen sie überfordern.
Eine therapeutische Begleitung der Auseinandersetzung mit autismusspezifischen Denk- und Kommunikationsstrukturen (Psychoedukation), ein Training sozialer Kompetenzen im Alltag, eine Stärkung des Selbstwertes durch Akzeptanz der neurodiversen Besonderheiten in Denken, Fühlen, Wahrnehmen und autismustypischer Beziehungsgestaltung sowie funktionale Strategien zur Bewältigung des Alltags sind grundlegende Interventionen zur Bewältigung dieser außergewöhnlichen Herausforderungen an einen jungen Menschen. Und zwar zusätzlich zur Pubertät, die ohnehin große Anforderungen an einen jungen Menschen stellt. Und noch einmal besonders an einen autistischen Jugendlichen aufgrund der erhöhten Wahrscheinlichkeit für Ängste: soziale Ängste, Bewertungsängste, Veränderungsängste.
Bei Brian spezifisch sollten neben der Reflexion der Körperdysphorie als Folge der autistischen Besonderheiten in der Interozeption deshalb auch die autismustypischen Veränderungsängste und die sozialen Ängste therapeutisch gezielt adressiert werden.
Nick
Die chronifizierte restriktive Anorexia nervosa basiert auf dem Kontrollwunsch über den eigenen Körper (oder auch anderer herausfordernder Lebenssituationen), dem Wunsch des Nicht-Erwachsenwerden-Wollens und der Ablehnung der körperlichen Veränderungen auf dem Weg zur Frau.
Die Trans-Identifizierung erfüllt dieselben Bedürfnisse. Es wird ein Weg gesucht, die Kontrolle wiederzuerlangen. Während bei der Anorexie diese Kontrolle durch Hungern erreicht werden soll und therapeutisch ein gesunder Umgang mit Essgewohnheiten, eine Auflösung möglicher belastender Grundüberzeugungen über die eigene Kontrolle über die Lebenssituation und die systemische Bearbeitung verunsichernder Familiendynamiken im Vordergrund stehen, wird bei trans dieser (dysfunktionale) Wunsch nach Zerstörung des eigenen Körpers nicht nur nicht hinterfragt, sondern sogar aktiv unterstützt und vorangetrieben.
Eine Behandlung durch die Entwicklung funktionaler, nicht selbstverletzender Strategien wäre auch hier eine anzustrebende Lösung, wenn man bei beiden Denkweisen denselben dahinterliegenden psychischen Mechanismus annehmen würde. (Wahlverwandtschaften? Trans-Identifizierung und Anorexia nervosa als maladaptive Lösungsversuche für Entwicklungskonflikte in der weiblichen Adoleszenz, G. Gille, A. Korte, 2023)
Beide Alternativhypothesen zu den Fallbeispielen würden zu einer psychotherapeutischen Lösung führen und nicht zu einer transaffirmativen Lösung mit unweigerlicher Zerstörung gesunder Organe und sich entwickelnder Körper.
10 Nachverfolgung nur bis zum 21. Lebensjahr
Die wenigen Follow-up-Studien, die es gibt, verfolgen Jugendliche nur bis zu ihrem 21. Lebensjahr. Warum nicht länger?
Weil die Jugendlichen dann aus dem Blickfeld der Kinder- und Jugendlichen-Behandler in den Erwachsenenbereich verschwinden?
- Werden sie, wie im
Cass Review beschrieben, praktisch „unsichtbar“? - Kann unser bürokratischer Wasserkopf den weiteren Verlauf nicht erfassen? Oder ist die Erfassung nicht gewollt?
11 Was wird im Follow-up inhaltlich erfasst?
Wie wurde in den Follow-up-Studien die „hohe Zufriedenheit“ der geschlechts„an“gleichenden Maßnahmen erfasst? Neben Selbstbeurteilungen der Personen wäre es essenziell wichtig, dass auch soziodemografische Daten erfasst werden:
- Psychische und körperliche Gesundheit (neben allgemeinen Fragebögen auch Fremdanamnesen und Krankenkassendaten)
- Schulabschluss, Ausbildung, Beruf
- Erwerbstätigkeit
- Selbständiges/unabhängiges Leben
- Partnerschaft/Familie
- Soziale Kontakte
Fazit
Es ist nicht klar, ob ein unhinterfragtes Annehmen einer Transidentität für ein körperdysphorisches Kind mit Autismus (Brian), psychische Erkrankung des Körperbildes (hier die Essstörung von Nick) oder auch bei Jugendlichen mit Trauma oder Kinder mit späterer homosexueller Orientierung (Az Hakeem: Detrans – When transition is not the solution) der richtige Weg zu deren psychischer Gesundheit ist.
Für ihre körperliche Gesundheit ist es auf jeden Fall schädlich, denn die Zerstörung gesunder und voll funktionsfähiger Organe bzw. Körperteile ist auf jeden Fall ein Schaden, den das Kind/der Jugendliche bei medizinischer Transition davonträgt.
So kommen wir am Ende unserer Überlegungen dann doch noch einmal zur allerersten Frage zurück: Welchen zusätzlichen Erklärungswert hat der Begriff „trans*“ im individuellen Störungsmodell der Fallbeispiele der „Leitlinie für Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter“?
Da es sich bei der Leitlinie um eine medizinische Leitlinie handelt, d. h. um die Behandlung oder Prävention von Erkrankungen, bei dem Begriff „trans*“ jedoch um einen ideologisch-aktivistischen Begriff politischer Bewegungen wie queer-theory, critical social justice und gender-/transgender studies, bleibt für uns leider auch am Ende unklar, was dieser Begriff in einer medizinischen Leitlinie verloren hat und dass Ideologie hier offensichtlich über die seelische und körperliche Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gestellt wird.
Jede/r, die/der sich mit diesen Fallbeispielen der S2k-Leitline befasst, wird sich mindestens eine dieser Fragen stellen:
- Was wäre, wenn ich ein genderdysphorisches Kind hätte bzw. wenn das mein Kind wäre?
- Wie würde mit meinem Kind verfahren werden?
- Kann ich als Mutter oder Vater Fachleuten, die dieser Leitlinie folgen, vertrauen oder sollte ich sie am besten meiden?
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