ROGD - Wie angemessen ist eine medizinische Transition?

Niemand weiß es genau, denn die Evidenzlage ist sehr schwach (vgl. WHO-Statement v. 15.01.2024). Ob der/die einzelne Jugendliche oder junge Erwachsene von den üblicherweise bei Genderinkongruenz/Genderdysphorie (GD) empfohlenen medizinischen Maßnahmen langfristig profitieren wird, ist ungewiss. Selbst sorgfältige und erfahrene Kliniker­Innen können - wenn sie ehrlich sind - keine gesicherte Prognose stellen.

As Kids, They Thought They Were Trans. They No Longer Do, NYTimes, Paul, 02.02.2024

Pamela Paul schreibt am 02.02.2024 in der NY Times auffallend differenziert über die in vielen Ländern (auch in D übliche) sog. ,Gender-affirmative Versorgung‘. Sie kommt mehrfach auf den Punkt, dass die Frage der Behandlung kein rein medizinisches Thema ist. Für ihren Beitrag hat sie 7 detransitionierte junge Erwachsene interviewt, die als Jugendliche unter ROGD litten, aber zumeist auch andere psychische Probleme (Ängste, Depression, ASS, Essstörungen, ...) hatten, die eigentlich bei einer Behandlung berücksichtigt werden müssten.

„Right-wing demagogues are not the only ones who have inflamed this debate. Transgender activists have pushed their own ideological extremism, especially by pressing for a treatment orthodoxy that has faced increased scrutiny in recent years. Under that model of care, clinicians are expected to affirm a young person’s assertion of gender identity and even provide medical treatment before, or even without, exploring other possible sources of distress.”

Paul beobachtete auch, dass viele Eltern, Ärzte, Detransitionierte, die bei Gendernotlagen ein vorsichtigeres Vorgehen für sinnvoll halten, als transfeindlich gebrandmarkt und eingeschüchtert werden, um sie zum Schweigen zu bringen.

And while Donald Trump denounces 'left-wing gender insanity' and many trans activists describe any opposition as transphobic, parents in America’s vast ideological middle can find little dispassionate discussion of the genuine risks or trade-offs involved in what proponents call gender-affirming care.

Detransition

Die interviewten Detransitionierten sagten Pamela Paul u. a.:

What should be a medical and psychological issue has been morphed into a political one, It’s a mess.”

“I wish there had been more open conversations. But I was told there is one cure and one thing to do if this is your problem, and this will help you.”

„I transitioned because I didn’t want to be gay. ... Transition felt like a way to control something when I couldn’t control anything in my life.”

„I expected it to change everything, but I was just me, with a slightly deeper voice.”

„The process of transition didn’t make me feel better. It magnified what I found was wrong with myself.”

Obwohl es kaum Informationen, gibt, wie es Transitionierten langfristig geht, haben die KlinikerInnen in der Regel kein Interesse ihre Behandlungen nachzuverfolgen. Transitionierte realisieren ihre Enttäuschungen mit der medizinischen Behandlung oft erst mehrere Jahre später und suchen dann nur selten erneut ihre ursprünglichen Behandler auf.

Paul berichtet über einige Studien, die Detransitionsraten, die - je nach Studiendesign und Definition von Detransition - im 2-stelligen Bereich zwischen 10-30 % festgestellt haben. (Da es sich um neue Studien handelt, wurden auch bereits viele ROGD-Fälle erfasst, vgl. Detransition - Zahlen)

Suizid

Viele ROGD-Jugendliche verinnerlichen, was sie im Internet aufschnappen, z. B.:

„The narrative she had heard and absorbed was that if you don’t transition, you’ll kill yourself.”

Problematisch ist auch, dass im Rahmen des Gender-affirmativen Modells Druck auf die Eltern ausgeübt wird, möglichst schnell der medizinischen Intervention zuzustimmen. Noch immer bedrohen Kliniker und PsychologInnen die Eltern mit einem dramatisierten Suizidrisiko, um deren Einwilligung zur frühen Transition ihrer Kinder zu erhalten, obwohl es keine zuverlässigen Beweise gibt, dass die hormonelle Transition eine wirksame Maßnahme zur Suizidprävention ist:

„In front of my son, the therapist said, ‘Do you want a dead son or a live daughter?’ Kathleen recounted. Parents are routinely warned that to pursue any path outside of agreeing with a child’s self-declared gender identity is to put a gender dysphoric youth at risk for suicide, which feels to many people like emotional blackmail.”

„Most parents and clinicians are simply trying to do what they think is best for the children involved. But parents with qualms about the current model of care are frustrated by what they see as a lack of options.”

Da das gender-affirmative Modell stark kindorientiert ist, wird jede Frage oder Entscheidung der Eltern, die die medizinische Transition ihres Kindes verzögert oder verhindert, schnell als „falsch”, „schädlich” oder „toxisch” abgestempelt.

Rat für Eltern

Immer mehr Eltern stehen der medizinischen Transition bezüglich ihrer ROGD-Teens bzw. Twens kritisch gegenüber. Sie sehen die ethischen Probleme einer Behandlung, die kaum evidenzbasiert ist, aber ein hohes Schadenspotential für vulnerable Teenager hat.

Paul sprach mit betroffenen Eltern über ihre Situation:

„Parents told me it was a struggle to balance the desire to compassionately support a child with gender dysphoria while seeking the best psychological and medical care. Many believed their kids were gay or dealing with an array of complicated issues. But all said they felt compelled by gender clinicians, doctors, schools and social pressure to accede to their child’s declared gender identity even if they had serious doubts.”

Sasha Ayad ist die Mitautorin des Buches When Kids Say They’re Trans: A Guide for Thoughtful Parents. Mit ihr hat Pamela Paul auch über die Notlage von ROGD-Teens&Twens gesprochen. Sie empfiehlt Eltern, „sich vor dem Modell der Gender-Affirmation in Acht zu nehmen”:

„We’ve always known that adolescents are particularly malleable in relationship to their peers and their social context and that exploration is often an attempt to navigate difficulties of that stage, such as puberty, coming to terms with the responsibilities and complications of young adulthood, romance and solidifying their sexual orientation.” 

Leider machen sehr viele Eltern die Erfahrung, dass sie außer der sog. gender-affirmativen Versorgung kaum andere Behandlungsmöglichkeiten für ihre Kinder finden können, außer sie wohnen einem Land wie Finnland, das mittlerweile bei Minderjährigen vorsichtig geworden sind, von der medizinischen Transition abkehrt und Psychotherapie und psycho-soziale Betreuung anbietet.

Schweden ändert Behandlungsrichtung für GD-Teens

Finnland - Priorisierung von Psychotherapie aufgrund nicht schlüssiger Evidenz

Finnland: Akzeptanz statt Chirurgie

Dänemark überdenkt Gender-Affirmation bei ROGD

Norwegen schwenkt um in Richtung Vorsicht


Detransitioners open up to NY Times about feeling abandoned, harm of 'gender-affirming care': It's a mess, foxnews, 02.02.2024

Eliza Mondegreen schreibt zum NY-Times-Beitrag von Pamela Paul:

„The New York Times is still trying to tell a contained story of what has gone wrong in the field of gender medicine, but Pamela Paul’s piece lays out — much more clearly than anything the paper has dared to print before — just how deep and vast the scandal is, and just how much harm has been done.”

NY Times gets braver with gender Coverage, E. Mondegreen, 02.02.2024


Wer gab den Kindern das Kommando?

fragt US-Journalist und Buchautor Gerald Posner und er erklärt, wie es zur verbreiteten „Gender-affirmierenden Versorgung” von Teens & Twens mit Genderdysphorie gekommen ist und wie sich der amerikanische Betreuungsstandard mit seinem Fokus auf invasive, teilweise irreversible medizinische Transitionsmaßnahmen entwickelt hat.

Bis 2013 gab es im DSM eine als „Genderidentitätsstörung” bezeichnete Diagnose, die seither Genderdysphorie genannt und auch auf Kinder und Jugendliche angewandt wird. Es existierten aber in den USA erst einmal noch keine ausdrücklichen „Versorgungsempfehlungen” für Kinder und Jugendliche. Allerdings hatte die HBIGDA (Vorläufer der WPATH) 2006 bereits die Pubertätsunterdrückung aus dem niederländischen Protokoll (mit der Ausnahme, dass sie kein Mindestalter festlegte) für die Versorgung von Minderjährigen übernommen.

„Within a year of the DSM listing gender dysphoria as a treatable diagnosis for adolescents, the number of clinics specializing in 'gender-nonconforming children and adolescents' had skyrocketed from the single Boston clinic to 32 (as of 2023, there are 60 clinics dedicated solely to gender affirming care for minors, and about 350 more that are clinics or medical offices that offer hormonal interventions for children and adolescents).”

Posner berichtet aus den USA, dass zwischen 2017 und 2021 fast 5.000 Jugendliche unter 17 Jahren auf Pubertätsblocker gesetzt wurden und weitere 15.000 direkt mit Cross-Sex-Hormonen begannen.

Genderdysphorie sei der einzige Bereich psychischer Phänomene, in dem sich PatientInnen selbst diagnostizierten und MedizinerInnen und PsychologInnen kein unabhängiges medizinisches Urteil fällen dürften.

In den USA sind auch relativ schnell die Altersgrenzen für sog. geschlechtsangleichende Operationen gefallen.

„A recent US-based study shows that the average age for mastectomy in minors — dubbed 'masculinizing chest surgery' — is 16, with a range of 14-18. A recent Vanderbilt University study found that the number of radical mastectomies performed on teen girls had surged fivefold in recent years. ”

„California’s Kaiser Permanente Oakland recorded 70 'top surgeries' in 2019 on teenagers between the ages of 13 and 18.”

Während im Pionierland der pädiatrischen Gender-Medizin (Niederlande) versucht wurde, die Zahl der falsch-positiven Fälle niedrig zu halten, indem von einer frühen sozialen Transition (Namen/Pronomen etc.) abgeraten wurde, hätten amerikanische Kliniken und viele Schulbezirke in den USA die soziale Transition bewusst zum Standard gemacht.

Die gender-affirmative Versorgung für Minderjährige ist

  • The standard of care of Transgender and Gender-Diverse Children and Adolescents adopted in 2018 by the American Academy of Pediatrics
  • The American Psychological Association has similarly embraced 'culturally competent, affirmative care for transgender and gender nonconforming people, including adolescents.'
  • The Human Rights Campaign, one of America’s most influential LGBTQ+ lobbying groups, with 3,000,000 members, declares that gender affirming care is a medical necessity when it comes to gender dysphoria.

Who Put the Kids in Charge? G. Posner, 05.02.2024


USA 2023 - Beschränkung der Gender-affirmativen Versorgung

Besonders im letzten Jahr hat sich die Zahl der Bundesstaaten mit Gesetzen oder Richtlinien, die den Zugang zur Gender-affirmativen Versorgung einschränken, stark erhöht: von 4 im Juni 2022 (AL, AR, TX, AZ) auf 23 Staaten bis Januar 2024 (AL, AR, AZ, FL, GA, IA, IA, IA, IA, .OK, SD, TN, TX, UT, WV)

Die Gesetze/Richtlinien sind unterschiedlich, einige verbieten ausschließlich chirurgische Maßnahmen, während es bei anderen um umfassendere Verbote (d. h. auch Hormone und Pubertätsblocker), Strafen und Personenkreise geht. Teilweise geht es um Regelungen für Schulen, Versicherungen, Fachleute, Eltern, Strafvollzugsanstalten, Toilettenanlagen, etc.

The Proliferation of State Actions Limiting Youth Access to Gender Affirming Care, L. Dawson, J. Kates, 31.01.2024