Die Chirurgen in den USA/Kanada bekommen als erste 'Muffensausen'

Die Amerikanische Gesellschaft der Plastischen Chirurgen (ASPS) ist die erste große medizinische Vereinigung, die den Konsens über die „gender-affirmative Versorgung" von Minderjährigen in Frage stellt. Jenseits des Atlantiks hatte dieser Konsens bisher allen Whistleblowern, Enthüllungen, Skandalen und sogar dem Cass-Bericht standgehalten. Allerdings werden zunehmend plastische ChirurgInnen von Detransitionierten angeklagt. Von den fast 2 Dutzend derzeit anhängigen Klagen sind mindestens 7 ASPS-Mitglieder betroffen.

Im britischen Cass-Review war festgestellt worden, dass die maßgeblichen Organisationen WPATH und die U.S. Endocrine Society einen Konsens bei der Genderdysphorie-Behandlung suggerierten, indem sie sich jahrelang gegenseitig zitierten, statt eine systematisch wissenschaftliche Recherche und Bewertung zu betreiben.

„The 'circularity' of this approach, says Cass in her report to England’s National Health Service, 'may explain why there has been an apparent consensus on key areas of practice despite the evidence being poor.'”

Nun scheint die ASPS auszuscheren. Nachdem die ASPS bisher weder die Praxisempfehlungen der WPATH noch anderer Organisationen unterstützt, scheint sie aktuell auf der Suche nach einer evidenzbasierten Anleitung/Leitlinie für ihre Mitglieder zu sein. Die ASPS äußerte sich bei einer Stellungnahme zum WPATH-Leaks-Skandal sogar dahingehend, dass es „erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der langfristigen Wirksamkeit von chirurgischen Eingriffen an Brust und Genitalien" gebe und dass „die vorhandene Evidenzbasis als von geringer Qualität/geringer Sicherheit angesehen wird".

ASPS Refuses to Support WPATH Standards for Child Gender Transitions, 13.08.2024

Plastic surgeon group renounces gender surgery for minors, newsnationnow, 13.08.2024

Dr. Sheila Nazarian ist plastische Chirurgin und Mitglied der ASPS:

„I'm so grateful to the American Society of Plastic Surgeons that they have had the courage to stand and say that the quality of evidence is poor and that they don't have confidence that the benefits outweigh the harm.”

ASPS doesn’t endorse gender surgeries for kids, YT, 14.08.2024

Top Plastic Surgeon Won't Commit to Opposing Bans of Gender-Transition Treatment For Minors, Plus He Decries WPATH For Lack of Transparency, B. Ryan, 06.09.2024

Viele Versicherer spielen nicht mehr mit

bigstock 156754931cImmer mehr Haftpflichtversicherer in den USA nehmen die Trans-Gesetzgebung zum Anlass, um bestimmte medizinische Transitionsmaßnahmen bei unter 18-Jährigen von ihren Versicherungspolicen entweder ganz auszuschließen oder sie erhöhen ihre Prämien für Kunstfehler bei Trans-Behandlungen mehr als drastisch.

Bei der Gesetzgebung geht es nicht nur um Verbote von bestimmten medizinischen Transitionsmaßnahmen, sondern beispielsweise auch um die Verlängerung von Verjährungsfristen für die Einreichung von Klagen wegen Kunstfehlern von 1-3 auf bis zu 30 Jahre.

Zudem ist stets die Frage, ob der Off-Label-Use von PB und CSH ausreichend mitversichert ist bzw. ob die Versicherungssummen tatsächlich hoch genug sind, um ggf. lebenslange Schäden auszugleichen.

Welche Rolle spielen Leitlinien bei Haftungsprozessen?

Die Frage ist, wie die jeweiligen Gerichte die Haftungsfrage bei Plastischen Chirurgen, angesichts der Abkehr vom Affirmation-Only-Trend bei der Behandlung in England und den skandinavischen Ländern aufgrund mehrerer systematischen Reviews und der Cass-Empfehlungen bewerten.

Die Beklagten können sich sicherlich nicht alleine auf Leitlinien beziehen. Im Rahmen der Pflicht zur ständigen Fortbildung (Facharztstandard) sollten die Gründe mittlerweile allgemein bekannt sein, warum andere Länder seit wenigen Jahren vorsichtig mit drastischen irreversiblen medizinischen Maßnahmen geworden sind und nicht-invasiven konventionellen Behandlungen bei Kindern und Jugendlichen als Primärtherapie den Vorzug geben.

Für Deutschland erläutert RA Prof. Dr. Dr. Ulsenheimer (Medizin- und Haftungsrechtler) in seinem Beitrag Haftungsrechtliche Bedeutung von Leitlinien:

„Denn es kommt nicht auf Richtlinien, Leitlinien oder Empfehlungen zum Zeitpunkt der Behandlung, sondern auf den zu diesem Zeitpunkt geltenden "Stand der Wissenschaft” („Facharztstandard") an. Entsprechen die Richt- oder Leitlinien nicht dem Standard, dürfen sie nicht befolgt werden. Deshalb sind 'an die Fortbildungspflicht des Arztes strenge Anforderungen zu stellen und dem praktizierenden Arzt grundsätzlich keine längere Karenzzeit bis zur Aufnahme der wissenschaftlichen Diskussion' zuzubilligen."

In der gender-affirmativen Versorgungslandschaft sollten auch Chirurgen eine entsprechende Ausbildung verfügen. Generell stellen sie erfahrungsgemäß die Angemessenheit eines chirurgischen Eingriffs nicht in Frage (mit Ausnahme von physiologische Kontraindikationen), sobald von einer Fachkraft für psychische Gesundheit ein Indikationsschreiben vorliegt. Eine Infragestellung würde nach WPATH-Standard als „gatekeeping", „nicht-affirmativ" und „Schaden" angesehen, da davon ausgegangen wird, dass selbst Jugendliche wissen, was sie wollen.

Leor Sapir spekuliert:

„It is likely a matter of time before judges come to appreciate how this area of medicine operates and refuse to let surgeons off the hook when they assert that they were relying on mental health professionals to determine medical necessity.”

A Consensus No Longer, L. Sapir, 12.08.2024

Verantwortungsverflechtung in der Gender-Medizin

Eine Schlüsselfrage für Kunstfehler-Prozesse ist, inwieweit die Chirurgen für die Feststellung der medizinischen Notwendigkeit der von ihnen durchgeführten Eingriffe verantwortlich sind.

Chirurgen sind wie alle Ärzte in der Pflicht die „medizinische Notwendigkeit" zu begründen. Weil es jedoch um die irreversible Entfernung gesunder Körperteile geht, ist diese Frage besonders heikel bzw. eine Art Widerspruch in sich. Auch dass Genderinkongruenz nicht mehr als Krankheit bezeichnet wird, macht eine Begründung nicht einfacher. Hinzu kommt das spezielle Problem, wie sich die Entfernung gesunder Körperteile angesichts unzureichender und nicht schlüssiger Evidenz rechtfertigen lässt.

Allzu gerne und sehr verbreitet werden sog. multidisziplinäre Teams gebildet und als Kompetenz- und Qualitätsmaßnahme propagiert. Im Grunde geht es aber auch darum, dass innerhalb des Teams jede/r ExpertIn nur eine Teilverantwortung hat. Diese Verantwortungsverflechtung bietet zudem die Möglichkeit, teilweise zu verschleiern, wer zu welchem Zeitpunkt wirklich verantwortlich ist bzw. war und warum.

Bestes Beispiel für so ein „Verantwortungsverflechtungsproblem" waren die 12 Jugendlichen, bei denen in Schweden Knochenschäden durch Pubertätsblocker festgestellt wurden. Die Investigativ-JournalistInnen des Films 'The Trans-Train Part 4' konnten die Verantwortungsverflechtung des multidisziplinären Behandlungsteams nicht dahingehend auflösen, dass feststellbar gewesen wäre, wer für die Knochenprobleme von Leo und den anderen Teenagern wirklich verantwortlich war.

Die Verantwortung für die Schädigung der Jugendlichen wird zwischen den beteiligten Abteilungen wie Endokrinologie, psychiatrische Pädiatrie und Manage­ment hin und her geschoben. Am 17.03.2022 hat SVT veröffentlicht, dass das Krankenhaus sich im Fall Leo selbst angezeigt hat. Es wurde auf die schwache Evidenzlage verwiesen und auf die Verteilung der Zuständigkeiten, die die Diagnose und Überwachung von Nebenwirkungen erschwere. Diese Rahmenbedingungen waren allerdings seit vielen Jahren bekannt.

TransTrain - Sweden's U-Turn on Trans Kids

Wie geht es Leo?

Letztverantwortung

Prof. Dr. Annette Richter-Unruh, Endokrinologin und ebenfalls Mitglied der S2k-Leitlinien-Kommission, behandelt stets rund 700 Jugendliche mit Pubertätsblockern und Cross-Sex-Hormonen. Auch bei diesen drastischen - teilweise irreversiblen - medizinischen Behandlungen stellt sich die Frage der Verantwortung. Obwohl sie als „Letztverantwortliche" für die Verordnung dieser Medikamente nicht immer von deren Transsexualität überzeugt ist, sagt sie in einem Interview:

"Mittlerweile denke ich aber, dass auch ein gewisser Hype hinzukommt: Zu uns kommen weibliche Jugendliche, die Probleme mit sich, Gott und der Welt haben, sie fühlen sich nicht richtig bei den Mädchen aufgehoben, sie haben Angststörungen, sie ritzen sich, sie haben Depressionen, und dann finden sie im Internet den Begriff Transgender. ...

Bei etwa der Hälfte der Jugendlichen bin ich von ihrer Transidentität nicht überzeugt, aber ich maße mir nicht an, dies zu beurteilen. Die Diagnose einer Transidentität stellt ein Kinder- und Jugendpsychiater oder ein Psychologe."

Es gibt einen Transgender-Hype, Interview in der FAZ, 2019

Leitlinie Geschlechtsangleichende chirurgische Maßnahmen bei GI/GD

Seit Anfang 2019 ist für D-A-CH eine neue Leitlinie „Geschlechtsangleichende chirurgische Maßnahmen bei Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie" in Arbeit. Auch diese Leitlinie wird offensichtlich lediglich eine S2k-Leitlinie werden und leider nicht den höheren evidenzbasierten Level S3 erreichen. Minderjährige sind in der Ankündigung bei der AWMF nicht ausgeschlossen. 

Leitlinien-Details Reg.Nr. 043-052

Interview mit Josh Pane

Sasha Ayad und Stella O'Malley interviewen den Anwalt Josh Payne, Mitbegründer der Anwaltskanzlei Campbell Miller Payne. Campbell Miller Payne hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich für Menschen einzusetzen, die durch das falsche Versprechen einer „gender-affirmativen Versorgung“ in die Irre geführt und missbraucht wurden und dadurch psychischen und physischen Schaden erlitten haben.

In diesem Gespräch geht es um die verschiedenen rechtlichen Herausforderungen, mit denen Detransitionierte konfrontiert sind, wie z. B. Fragen der informierten Zustimmung, systemische Probleme im Gesundheitswesen und der experimentelle Charakter vieler Behandlungen. Die Diskussion unterstreicht die Verletzlichkeit der Klienten, das Fehlen einer umfassenden Versorgung, die sich mit den zugrunde liegenden Problemen der psychischen Gesundheit befasst, und die Notwendigkeit vorsichtiger medizinischer Praktiken. Sie unterstreicht, wie wichtig es ist, sich für verantwortungsvollere Behandlungsalternativen zur gender-affirmativen Versorgung einzusetzen.

Dawn of the Detransitioner Lawsuits, with Josh Payne, 07.06.2024


Mehr …

Immer mehr Detransitionierte klagen

Fehlende Information zu alternativer Behandlung kann Schaden sein

Transgenderzorg aan kinderen. Juridische bedenkingen bij het Dutch Protocol (2018), NJB, Smeehuijzen u. a., 20.07.2023