Erhebliche Unsicherheit – Neue Metastudien zu medizinischen Transitionsmaßnahmen

Ein kanadisches Forscherteam hat die Ergebnisse neuer Metastudien zu Pubertätsblockern (PB), maskulinisierenden bzw. feminisierenden Hormonen (CSH) sowie Mastektomien in der Genderdysphorie-Behandlung bis zum Alter von 26 Jahren vorgestellt.

Aus den international (in Englisch) verfügbaren Metastudien zu Pubertätsblockern (PB) und gegengeschlechtlichen Hormonen (CSH) wurden nach höchsten methodischen Standards, d. h. mit Hilfe von EBM-Qualitätskriterien (PRISMA-Methode bzw. ROBINS-I) relevante Arbeiten ausgewählt. Die Sicherheit der Evidenz wurde nach dem GRADE-Ansatz bewertet. Diese Werkzeuge wurden seit Anfang der 90er Jahre von Prof. Gordon Guyatt mitentwickelt, einem Wissenschaftler, der den Begriff und das Konzept der EVIDENZBASIERTEN MEDIZIN stark geprägt und weltweit verbreitet hat. Guyatt ist auch Co-Autor der neuen Metastudien.

Fast alle Studien, die sich auf die Behandlung von Genderdysphorie mit PB und CSH beziehen, seien in Bezug auf die Vorhersage von Risiken und Vorteilen ausgesprochen unzuverlässig. Dies sei primär auf ein durchweg schwaches Studiendesign zurückzuführen, das voreingenommenen und unzuverlässigen Ergebnissen Tür und Tor öffne.

The only research finding they considered to be of 'high certainty' was that a small percentage of people who started cross-sex hormones subsequently experienced cardiovascular health events.

Die neuen Metastudien zu PB und CSH bestätigen die Resultate bisheriger systematischer Reviews wie Cass-Review (Taylor, 2023), NICE 2020a, Zepf (2024) und Ludvigsson (2023).

Pubertätsblocker

Von 6.736 Studien zu Pubertätsblockern konnten nur 10 in die Überprüfung einbezogen werden. Alle anderen mussten wegen fehlender Daten, zu kleinen Stichproben oder fehlender Vergleichsgruppe aussortiert werden.

Die ForscherInnen bilanzierten „sehr geringe Sicherheit“, was bedeutet, dass sie „sehr wenig Vertrauen in die Effektschätzung haben“ und der tatsächliche Effekt „wahrscheinlich erheblich von der Effektschätzung abweicht“.

„We really don't have enough evidence to say that these procedures are beneficial.”

„Es gibt nicht genügend zuverlässige Informationen“ für die sichere Anwendung, sagte Chan Kulatunga-Moruzi, einer der Autoren. Insbesondere unsicher sei die kausale Wirkung der Pubertätsblocker auf Depressionen.

„This is the first systematic review and meta-analysis to assess the effects of puberty blockers in children, adolescents, and young adults experiencing gender dysphoria using the highest methodological standards. Several other published systematic reviews have assessed puberty blockers, and their conclusions align with ours.*)" (s. o.)

Behandlungsentscheidungen sollten den Mangel an mäßiger und hochwertiger Evidenz, die Ungewissheit über die Wirkungen von Pubertätsblockern sowie die Werte und Präferenzen der Patienten berücksichtigen.

Since the current best evidence, including our systematic review and meta-analysis is predominantly very low certainty, clinicians must clearly communicate this evidence to patients and caregivers.  

Puberty blockers for youth experiencing gender dysphoria: A systematic review and meta-analysis, A. Miroshnychenko, G. Guyatt u. a., 24.01.2025

Hormone

Nach dem EBM-Qualitätscheck blieben nur 24 Studien übrig, die zur Überprüfung der Behandlung mit maskulinisierenden oder feminisierenden Hormonen geeignet waren. Auch hier gab es nur „sehr geringe bestätigende Beweise für eine wesentliche Veränderung bei der Verwendung zur Verbesserung von Genderdysphorie, Depressionen oder der allgemeinen Gesundheit“.

Bei feminisierenden und maskulinisierenden Hormonen bestehen ebenfalls erhebliche Unsicherheiten über die Auswirkungen der GD-Behandlung. Die Evidenz ist überwiegend sehr gering, mit einem Mangel an mäßiger und hoher Sicherheit der Evidenz über die Auswirkungen dieser Intervention. Die beste verfügbare Evidenz reichte von mäßiger bis hoher Sicherheit für kardiovaskuläre Ereignisse und von geringer bis sehr geringer Sicherheit für die Ergebnisse von GD, globaler Funktion, Depression, sexueller Dysfunktion, BMD und Tod durch Selbstmord.

Es wurden keine Belege für sexuelle Funktionsstörungen bei biologischen Frauen gefunden. Die in dieser Studie und der Meta-Analyse gefundene Evidenz schließe die Möglichkeit eines Nutzens oder Schadens durch die Behandlung nicht aus. Um die kurz- und langfristigen Auswirkungen zu verstehen, seien prospektive Studien erforderlich, die eine höhere Sicherheit bieten.

Die Metastudie sei geeignet, Forschung, Praxis und Politik zu beeinflussen:

The evidence from this systematic review and meta-analysis can be used to inform individuals experiencing GD and considering GAHT [gender-affirming hormone therapy], clinicians involved in their care as well as clinical practice guideline developers, policy makers and stakeholders who make decisions about treatment related to gender dysphoria.

Gender-affirming hormone therapy for individuals with gender dysphoria below 26 years of age: A systematic review and meta-analysis, A. Miroshnychenko, G. Guyatt u. a., 24.01.2025

Trans*-Mastektomien

Auch in dieser Metastudie wurden die gleichen strengen EBM-Methoden wie bei PB und CSH (s. o.) verwandt. Festgestellt wurde überwiegend eine sehr geringe Evidenz für die Auswirkungen einer Mastektomie bei Personen unter 26 Jahren mit Genderdysphorie (GD) (Seite 16).

Von 39 Studien waren 2 Beobachtungsstudien, die eine Mastektomie mit Brustbindung verglichen, diese lieferten sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für das Ergebnis der GD. Eine Beobachtungsstudie, die eine Mastektomie mit keiner Mastektomie verglich, lieferte sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für die Ergebnisse globale Funktionsfähigkeit und Suizidversuche und niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für das Ergebnis nicht-suizidale Selbstverletzung. 2 Vorher-Nachher-Studien lieferten für alle Ergebnisse Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit. Die Evidenz aus Fallstudien (n=34) reichte von hoher bis sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit.

Mastectomy for individuals with gender dysphoria below 26 years of age: A systematic review and meta-analysis, A. Miroshnychenko, G. Guyatt u. a., 10.09.2024

Schlussfolgerungen

Das Autorenteam hält die Informationen der Metastudien für sehr wichtig für Patienten, Betreuer, Kliniker, Leitlinienentwickler und politische Entscheidungsträger, die an Behandlungsentscheidungen beteiligt sind.

Abgesehen von der Evidenzsicherheit sollten bei der Entscheidungsfindung auch andere Faktoren berücksichtigt werden, darunter das Ausmaß und die Folgen des potenziellen Nutzens und Schadens, die Werte und Präferenzen der Patienten und Betreuer, der Ressourcenverbrauch, die Durchführbarkeit, die Akzeptanz und die Gerechtigkeit.

Angesichts der individualistischen Natur von Werten und Präferenzen schreiben die Autoren der Metastudien:

Guideline developers and policy makers must transparently state which and whose values they prioritize when developing treatment recommendations and policies.