England: 6 Monate nach Veröffentlichung des Cass-Reviews

Ein halbes Jahr nach Veröffentlichung des Cass-Reviews ist in England einiges anders geworden: Pubertätsblocker sind illegal, das Tavistock GIDS wurde durch 2 neue dezentrale NHS-Dienste ersetzt, weitere werden folgen, die Überweisungsverfahren wurden überarbeitet. Dr. Hilary Cass wurde zur Baronin (Baroness Cass of Barnet) ernannt und sitzt als parteiunabhängige Adlige im House of Lords.

Der Cass Review hat eine breite parteiübergreifende Unterstützung erfahren, Wes Streeting (Gesundheitsminister) sagte kürzlich, dass ihre gründliche, evidenzbasierte Überprüfung endlich dazu geführt habe, dass „die Politik aus der Pediatrie verbannt wird“.

Dr. James Palmer, der für Gender-Dienste zuständige medizinische Direktor des NHS erklärte:

“Having the Cass Review as the backbone for our plan means there is a solid touchstone that we can refer to as we set up new services. Two new specialist services have started already and we have a third opening next month, with more coming next year. For the NHS to quickly establish these services for one of the most complicated problems that faces healthcare, that’s fantastic. The feedback the first two clinics have had from patients and families is impressive. I’m optimistic that we’re getting this sorted.”

Hilary Cass bestätigte, dass der NHS „gute Fortschritte” mache, ihre Empfehlungen umzusetzen und sicherzustellen, dass Minderjährige nicht übereilt auf einen medizinischen Weg gebracht würden.

Her final report in April highlighted how distressed children must be seen as a 'whole person and not just through the lens of their gender identity', also receiving treatment for 'ordinary' problems such as depression or autism. 'The aim of many of the recommendations was to bring these young people back into mainstream care.'

How the Cass Review has reshaped care for transgender children, thetimes, 18.10.2024

Children and Young People's Gender Services: Implementing the Cass Review recommendations, NHS, August 2024

Kritik am Cass Review demaskiert

Ohne ihre knapp 200.000 Mitglieder zu konsultieren, hat die British Medical Association (BMA) im Sommer den Cass Review pauschal kritisiert und sich auf einen fehlerhaften Online-Bericht aus den USA gestützt. Dieses sog. McNamara-Papier wurde nun entlarvt als „mit einer erheblichen Anzahl von Fehlern und Falschdarstellungen behaftet“ (Cheung u. a., 13.10.2024). Daraufhin sowie nach einem erbitterten interverbandlichen Protest zog die BMA zurück und nimmt inzwischen eine „neutrale“ Haltung gegenüber dem Cass-Review ein.

Der NHS ist zuversichtlich, eine Studie zu Pubertätsblockern zu starten

Während einige andere Länder wie Schweden Pubertätsblocker (PB) nicht mehr verschreiben, weil sie bisher keine Forschungsstudie starten konnten, ist der NHS in England zuversichtlich, Anfang 2025 mit einer klinischen Studie zu PB starten zu können. Dr. Hilary Cass erklärte Anfang Oktober im BBC-Radio, dass die Zahl der Studienteilnehmenden nicht begrenzt werde. Hier stellt sich allerdings die Frage, worin sich diese Behandlung von den ursprünglichen Experimenten im Tavistock-GIDS unterscheidet, die auch zeitweise im Rahmen von Studien stattfanden.

Der Alptraum ist selbst in England noch nicht vorbei

Wenige Tage nach dem erfreulichen Artikel in The Times (s. o.) berichten Hannah Barnes und Jo Bartosch über den im April 2024 neu eingerichteten Nottingham Young People's Gender Service, der einen Teil der Minderjährigen aus dem mittlerweile geschlossenen Tavistock GIDS übernehmen sollte. In einer Stellenanzeige wird ein klinischer Psychologe gesucht, der Cass-Review mit keiner Silbe erwähnt. Gefordert wird dagegen. es sei „unerlässlich”, dass der/die Bewerber(in)

„‘practise in a gender-affirming manner in line with’ guidance laid out by the controversial group, World Professional Association for Transgender Health (WPATH)."

Das passt so gar nicht zu den Zusicherungen des NHS, die Empfehlungen des Cass-Reviews umzusetzen. Der NHS hatte Anfang des Jahres sämtliche Verweise zu WPATH aus seinen Dokumenten und Websites entfernt. Zudem gilt derzeit ein absolutes Pubertätsblockerverbot. Die Journalistinnen stellten fest, dass bei diesem Service in Nottingham noch etliche Mitarbeitende bis hin zum Führungspersonal mit der WPATH assoziiert sind und teilweise sogar an den WPATH SOC-8 mitgewirkt hatten.

Auf Nachfragen hin, wurde die Stellenanzeige geändert und der Passus mit „Verwendung einer veralteten Terminologie" entschuldigt. Hier stellt sich die Frage, wie glaubwürdig dies 6 Monate nach Erscheinen der Cass-Review sein kann.

Hannah Barnes ist beunruhigt, ob die Regierung die Empfehlungen von Cass weiterhin akzeptiert – auch deswegen, weil es anscheinend keine Reaktion auf ihre Anfragen gab. Ihr Fazit:

That no one seems to know what is really going on is concerning. It was NHS England’s inability to provide proper oversight to the work of Gids that, in part, led to the mess we are currently in. So too was the abdication of responsibility by politicians. They all must do better this time.

Why is the NHS ignoring the Cass Review? spiked-online, Jo Bartosch, 22.10.2024

Questions remain over NHS youth gender care, despite Cass Review, H. Barnes, 21.10.2021

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What Are We Doing to Children? Theodore Dalrymple, City Journal, 11.10.2024