S2k-LL: Warum lehnen PsychologInnen ROGD-Teenager ab?

ROGD-Teenager, die sich transidentifizieren, bekommen alleine aufgrund ihrer Genderprobleme keine Psychotherapie mehr, sondern nur noch in Kombination mit Identitätsfindung plus sozialer oder medizinischer Transition (psychotherapeutische Prozessbegleitung), innerfamiliärer Probleme und Entscheidungsfindung im Hinblick auf eine körper­modifi­zierende Behandlung. Frau Maur, Vize-Präsidentin der Bundes­psycho­therapeuten­kammer und Leitlinien-Mitglied, betonte beim press briefing zu der S2k-Leitlinie,

„dass Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie keine psychischen Erkrankungen sind und entsprechend gibt es zunächst mal keine Indikation für eine Psychotherapie."

Das macht viele Eltern von ROGD-Teenagern äußerst ratlos. Gerade zu Beginn der Transidentifizierung besteht oftmals Bedarf an psychotherapeutischer Unterstützung, insbesondere bei Teenagern, die bis dahin noch nicht aus anderen Gründen „versorgt“ sind. Warum unterscheiden die S2k-Experts nicht (mehr) zwischen Genderinkongruenz – laut ICD-11 jetzt ohne Leidensdruck definiert – und Genderdysphorie (DSM-5) – mit Leidensdruck? 

In order to meet criteria for the diagnosis, the condition must also be associated with clinically significant distress or impairment in social, occupational, or other important areas of functioning. (DSM-5)

Da bei Genderdysphorie der Leidensdruck eine elementare Rolle spielt, wäre es aus Eltern-Sicht hilfreich, wenn unsere Teens & Twens in ihrer GD-Notlage ganzheitlich wahrgenommen würden, um ihnen eine ergebnisoffene Exploration zur Bewältigung ihrer Pubertäts- und Identifikationsprobleme zu ermöglichen.

Riittakerttu Kaltiala, finnische Expertin, rät dazu, die Situation zu beobachten, den genderverwirrten Teenager zu beruhigen und die Ängste der Familie und mögliche damit verbundene Probleme zu behandeln. Die meisten wachsen während der Pubertät aus ihrer Genderverwirrung heraus, wenn sie nicht endokrinologisch behandelt werden.

Nuoruusiän sukupuoliahdistusta hoitava professori sanoo ei alaikäisten juridisen sukupuolen korjaukselle, R. Kaltiala, 27.01.2023

Warum können nicht auch PsychologInnen zunächst einmal ohne jeglichen sozialen und invasiven, medizinischen Transitionsprozess dazu beitragen, altersgerecht und einfühlsam mit unseren Kindern zu klären,

  • dass die Pubertät an sich keine Krankheit ist und dass diese als schwierig erlebte Entwicklungsphase vorübergeht.
  • dass ihr Körper vollkommen gesund und in Ordnung ist,
  • dass es eine Lebensaufgabe ist, mit dem eigenen Körper zurechtzukommen (Freud)

Dr. Reiter, Psychiaterin aus Wien, zitierte in einem Interview Sigmund Freud, der meinte, dass man aus seinem Körper „nicht aussteigen“ könne.

"Es ist ein Teil unserer Lebensaufgabe, uns mit ihm anzufreunden, klarzukommen und eine Perspektive mit uns, so wie wir sind, zu entwickeln."

  • warum sie sich trotzdem in einer psychischen Notlage bzw. in einem Ausnahmezustand befinden
  • ob sie evtl. Probleme mit ihrer sexuellen Orientierung haben und
  • wie sie einen Weg finden können, der ihnen aus der Notlage bzw. der Ausnahmesituation heraushilft.

Maur führte bei der Vorstellung der S2k-Leitlinie weiter aus:

„Und was wir selbstverständlich auch psychotherapeutisch behandeln, wenn dann die entsprechende Indikation vorliegt, sind assoziierte psychische Erkrankungen. Wir wissen, dass diese Kinder und Jugendlichen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von depressiven Erkrankungen haben, von Angststörungen, von selbstverletzendem und suizidalem Verhalten, und da ist in der Regel eine Psychotherapie indiziert.”

Warum ist es zu dieser Ausrichtung der neuen Leitlinie hinsichtlich der psychotherapeutischen Optionen gekommen? Die Antwort liegt vermutlich:

  1. in der beabsichtigen Zementierung des Affirmation-Only-Trends, der – ganz WPATH-konform – zur sozialen, aber fast automatisch schließlich auch zur invasiven, teilweise irreversiblen medizinischen Transition führt.
  2. Eine Rolle spielt auch, dass trans-affirmative ExpertInnen von der Hypothese ausgehen, Trans-Identifikation sei überwiegend angeboren und nur selten veränderlich.

    "Das zeugt von einem mangelnden entwicklungspsychologischen Verständnis, ist Ausdruck eines essentialistischen Denkens und entspringt der Transideologie mit ihrem Konstrukt, dass man seine Geschlechtsidentität in die Wiege gelegt bekommt." (Korte im Emma-Magazin, 28.03.2024)
  3. Zudem wurde die Entpathologisierung kultiviert, die Selbst-Diagnose in den Mittelpunkt gestellt, die Notwendigkeit von Diagnosen und Differenzialdiagnosen hinterfragt, sodass immer unklarer wird, was Genderinkongruenz und Genderdysphorie eigentlich noch mit Medizin zu tun haben.

ROGD-Teenager, die sich auf eine psychotherapeutische Exploration einlassen würden, stünden zudem aus Sicht der trans-affirmativen BehandlerInnen nicht mehr früh genug oder überhaupt nicht für eine Pubertätsblockade zur Verfügung. Möglicherweise wären sie für trans-affirmative Endokrino­logInnen aufgrund weniger „optimaler Ergebnisse hinsichtlich der Änderung des Phänotyps“ weniger lohnend?

Während in Deutschland häufig behauptet wird, dass alleinige psychotherapeutische Intervention bei Genderdysphorie wirkungslos sei, ohne dass entsprechende Beweise vorgelegt würden (z. B. Harney u. a.), kehren Länder wie England und die meisten nordischen Länder aufgrund fehlender Evidenz von den WPATH-Leitlinien ab. Sie bieten stattdessen als Primärtherapie Psychotherapie sowie psychosoziale Unterstützung an. Für Minderjährige ist die medizinische Transition in diesen Ländern mittlerweile routinemäßig entweder tabu oder höchstens noch eine ‚ultima ratio‘ für besondere Fälle, überwiegend aber erst nach der Volljährigkeit.

Es hört sich so an, dass die angekündigte Leitlinie in Deutschland – analog WPATH – darauf ausgerichtet ist, unseren Teenagern als einzige Option schnellstmöglich die medizinische Transition nahezulegen, und zwar ohne Alternativen. 

Die angekündigte Empfehlung der Nicht-Unterstützung von ROGD-Teenagern durch Psychotherapie bei alleiniger Genderdysphorie ist ethisch höchst fragwürdig. Erfahrungsgemäß war es schon immer sehr schwierig, eine neutrale und explorative Psychotherapie für transidentifizierte Teenager zu finden, mit der neuen S2k-Leitlinie wird dies weiter erschwert.


Die Folgen des KonvBehSchG

Infolge des 2020 geschaffenen Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen (KonvBehSchG), lehnen fast alle TherapeutInnen unsere Teens & Twens ab, wenn das Thema Genderdysphorie eine Rolle spielt. Die, die ansprechbar sind, folgen dem Affirmation-Only-Trend. Wenn Eltern nach Therapeuten suchen, die eine konventionelle, explorative und ergebnisoffene Therapie anbieten, bekommen sie entweder eine schlichte Absage oder Begründungen wie diese eines Psychotherapeuten für Erwachsene:

"Leider kann ich Ihnen nicht weiter helfen. Wie Sie vielleicht wissen, werden Therapeuten  durch das Gesetz zum 'Schutz vor Konversionsbehandlungen' schnell kriminalisiert, sollten sie Fragen zur Geschlechts-Identität einer Person stellen.
Durch meine langjährige Erfahrung mit gerade volljährigen jungen Menschen mit Genderinkongruenz bzw. Genderdysphorie bin ich zudem mittlerweile der Ansicht, dass sich diese Personen durch die Übernahme der alternativ-sprituell-ähnliche Transideologie letztlich nicht auf einen psychotherapeutischen Prozess einlassen können."

PsychotherapeutInnen können sich ihre Klienten aussuchen. Derzeit ist unser Eindruck, dass unsere Kinder und generell schwierige Fälle keine Chance haben.

Eine explorative ergebnisoffene Psychotherapie für genderdysphorische Jugendliche ist keine Konversionstherapie, Prof. Dr. Florian Zepf (Uni Jena) führt aus:

„Es ist bekannt, dass sich die Selbstinterpretationen von Minderjährigen oft im Verlauf der Zeit verändern – ein typisches Merkmal der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Dies ist auch der Grund, warum eine explorative Psychotherapie, die diesen jungen Menschen angeboten wird, nicht automatisch als unethische „Konversionstherapie“ bezeichnet werden sollte. Eine solche explorative Psychotherapie zielt darauf ab, die Gründe für genderbezogene Symptome als Teil eines größeren Bildes zu erforschen, die verschiedene Ursprünge haben können (teilweise auch im Zusammenhang mit potenziell begleitenden Psychopathologien bis hin zu gleichzeitig auftretenden psychiatrischen Störungen).

Ein weiteres Argument gegen den automatischen Vorwurf der Konversionstherapie im Kontext einer solchen ergebnisoffenen Psychotherapie ist, dass dieser Ausdruck impliziert, dass der junge Mensch durch die Psychotherapie von etwas weg konvertiert wird, das unveränderlich, allgegenwärtig und naturalistisch vorbestimmt ist." (Zepf in genderclinicnews, 13.03.2025)


Was ist eine gute Psychotherapie?

Stella O'Malley, erfahrene irische Therapeutin, gibt Eltern folgenden Tipp:

„Your child might like going to therapy but if they are not learning about themselves, improving or finding the therapeutic sessions valuable you need to close it down.”

Why Bad Therapy Is Worse Than No Therapy, YT, S. O'Malley 26.03.2024


Gender Exploratory Therapy

Psychotherapie als Primärtherapie bei jugendlicher Genderdysphorie