Riittakerttu Kaltiala: „Da ist etwas schiefgelaufen!"

photo-1612469293045-749ac41b70a0.jpeg und finnish-flag-5098755_1280AnuKuru_pixabayDr. Riittakerttu Kaltiala ist die bekannte leitende Jugendpsychiaterin am Universitätskrankenhaus Tampere in Finnland. Sie ist sowohl in der Praxis tätig, als auch in Lehre und Forschung.

Kaltiala schildert in einem langen Thefp-Beitrag nochmals ausführlich, welche Bedenken und Probleme es aus ihrer Sicht mit der medizinischen Transition gibt. Sie wundert sich, dass weltweit nur wenige Länder vorsichtiger geworden sind und viele Länder wie Amerika (Anm.: aber auch Deutschland) unbeirrt weiter machen.

Die Motivation für ihren Beruf formuliert sie so:

I decided to specialize in treating adolescents because I was fascinated by the process of young people actively exploring who they are and seeking their role in the world. My patients’ adult lives are still ahead of them, so it can make a huge difference to someone’s future to help a young person who is on a destructive track to find a more favorable course.

Im Rahmen der Verbreitung des „Niederländischen Protokolls” war Kaltiala 2011 die erste Leiterin des Dienstes für Genderidentität für Minderjährige in Finnland, Als Zweitgutachterin hat sie mindestens 500 Fälle persönlich gesehen.

Kaltiala beschreibt die Euphorie, die mit dem „Rollout” des Niederländischen Protokolls verbunden war:

„Even during the first few years of the clinic, gender medicine was becoming rapidly politicized. Few were raising questions about what the activists—who included medical professionals—were saying. And they were saying remarkable things. They asserted that not only would the feelings of gender distress immediately disappear if young people start to medically transition, but also that all their mental health problems would be alleviated by these interventions. Of course, there is no mechanism by which high doses of hormones resolve autism or any other underlying mental health condition.”

Kaltiala hat von Anfang hinterfragt, ob MedizinerInnen in gesunde funktionierende Körper eingreifen sollen, nur weil Jugendliche und junge Erwachsene ihre Gefühle in Bezug auf ihr Geschlecht verändern.

Adolescence is a complex period in which young people are consolidating their personalities, exploring sexual feelings, and becoming independent of their parents. Identity achievement is the outcome of successful adolescent development, not its starting point.

Sie erkannte relativ schnell, dass mit dem Niederländischen Protokoll etwas nicht stimmte. Bereits 2015 veröffentlichte sie zusammen mit einigen KollegInnen einen Beitrag, in dem sie die neue Behandlung ernsthaft infrage stellte. Sie beschrieb beispielsweise, dass ihr Team überrascht war, nicht die erwartete kleine Anzahl von Jungen zu sehen, sondern Scharen von Mädchen (90 % waren ♀) im Alter von 15-17 Jahren. Sie beobachteten hauptsächlich 2 Gruppen:

  • Die Mehrheit der Jugendlichen (~75 %) war nicht hochbegabt, sondern wiesen schon deutlich vor der Genderdysphorie erhebliche psychiatrische Störungen auf (Ängste, Depressionen, Essstörungen, Selbstverletzungen, Psychosen, über 25 % ASS), hatten zum Teil psychosoziale bzw. schulische Probleme
  • Viele Mädchen hatten relativ plötzlich die Erkenntnis, dass sie trans* sind, offensichtlich aufgrund von Internetnutzung, sozialer Ansteckung und Peers. Sie waren erkennbar vernetzt und durch Influenzer „gebrieft".

Nachdem die Besorgnis über Transitionsschäden bei vulnerablen Minderjährigen über mehrere Jahre gewachsen waren, wurde 2016 - auch auf Betreiben von Kaltiala - die Behandlung in Finnland geändert, Jugendliche, die dringendere psychische Probleme als Genderdysphorie hatten, wurden in psychiatrische Beratung überwiesen.

2018 stellte Kaltiala bei COHERE (Council for Choices in Health Care) den Antrag, eine nationale Leitlinie für die GD-Behandlung von Minderjährigen zu erstellen. In diesem Rahmen gab COHERE eine systematische Evidenzprüfung in Auftrag, um die entsprechende aktuelle medizinische Literatur zu bewerten. 2020 wurden das Ergebnis der Evidenzprüfung sowie neue Empfehlungen für Jugendliche veröffentlicht:

It concluded that the studies touting the success of the “gender-affirming” model were biased and unreliable—systematically so in some cases. In light of available evidence, gender reassignment of minors is an experimental practice.

Mittlerweile bekommen in Finnland nur noch 20 % der Überwiesenen eine medizinische Transition, während es früher mind. 50 % waren.

In England und Schweden fanden ebenfalls systematische Reviews statt, die zu ähnlichen Schlussfolgerungen führten, sodass auch weitere Länder vorsichtiger wurden.

Detransitionierte - ein Kolateralschaden, den es eigentlich nicht geben dürfte?

Ca. 8 Jahre nach Eröffnung der Gender-Klinik kamen einige in früheren Jahren medizinisch transitionierte Jugendliche als Detransitionierte zurück, offensichtlich mehr als die oft kolportierten 1 %.

These were another kind of patient who wasn’t supposed to exist. The authors of the Dutch protocol asserted that rates of regret were miniscule. 

Usually, it takes several years for the full impact of transition to settle in. This is when young people who have entered adulthood confront what it means to possibly be sterile, to have damaged sexual function, to have great difficulty in finding romantic partners.

Kaltiala forschte mit KollegInnen weiter, beispielsweise nach den Ursachen für die Flutwelle von GD-Jugendlichen (insbesondere ♀), sie wurden aber nur teilweise fündig:

We noted in our study a point that is generally ignored by gender activists. That is, for the overwhelming majority of gender dysphoric children—around 80 percent—their dysphoria resolves itself if they are left to go through natural puberty. Often these children come to realize they are gay.

Suizidlüge als Druckmittel gegenüber Eltern ist „äußerst unethisch”

Riittakerttu Kaltiala hält es für ihre ärztliche Pflicht, alles was nicht funktioniert herauszufinden, es zu organisieren, die KollegInnen und auch die Öffentlichkeit zu informieren und die Behandlung einzustellen. Deswegen hält sie in aller Welt Vorträge über ihre Erkenntnisse und ist beunruhigt, dass sich so wenig bewegt.

Einen Punkt, den sie auch immer thematisiert, ist die routinemäßige übertriebene Warnung von Experten an Eltern, dass ein enormes Suizidrisiko bestünde, wenn sie ihr Kind nicht medizinisch transitionieren.

Any young person’s death is a tragedy, but careful research shows that suicide is very rare. It is dishonest and extremely unethical to pressure parents into approving gender medicalization by exaggerating the risk of suicide.

Ein neuer Medizin-Skandal ist im Gange

Kaltiala vergleicht die affirmative und körpermedizinische Behandlung mit anderen Psychiatrie-Skandalen. In den 1980er und 90er Jahren gab es auffallend viele Fälle in denen Psychotherapeuten „falsche Erinnerungen” bei ihren KlientInnen suggerierten, insbesondere sexuellen Missbrauch durch Väter bzw. Familienmitglieder, der tatsächlich gar nicht stattgefunden hatte, s. False Memory

Auch die Gender-Transitions-Behandlung sei „aus dem Ruder gelaufen", sagt Riittakerttu Kaltiala:

When medical professionals start saying they have one answer that applies everywhere, or that they have a cure for all of life’s pains, that should be a warning to us all that something has gone very wrong.

Gender-Affirming Care Is Dangerous. I Know Because I Helped Pioneer It, R. Kaltiala in thefp, 30.10.2023

Eliza Mondegreen fasst in ihrem Bericht über den Kaltiala-Beitrag u. a. auch ihre Eindrücke von den letzten WPATH/EPATH-Konferenzen zusammen:

„It’s hard to think of another field that has gone so obviously off the rails. To get here, clinicians and medical organisations had to discard everything they knew about medical ethics, child development and literature on desistance.”

America’s trans surgeons could learn from European whistleblowers, E. Mondegreen, 31.10.2023

Finnland: Akzeptanz statt Chirurgie

Finnland priorisiert Psychotherapie wg. nicht schlüssiger Evidenzlage


Heute Medizinfortschritt - morgen Skandal?