Desillusion und Ambivalenz nach Transition
Lisa Anllo, Psychiaterin in freier Praxis (Buffalo), hat einen Beitrag zu den Herausforderungen des Sexuallebens nach Transition/Detransition durch Einschränkungen, teilweise Verlust der Sexualfunktionen aufgrund der Auswirkungen von langjähriger Hormonanwendung und Operationen veröffentlicht. Es geht um Bedauern, Traumata, entrechtete Trauer und unerfüllte Bedürfnisse von transitionierten und detransitionierten Personen.
Challenges of Sexual Life after Detransition: Trauma, Disenfranchized Grief and Unmet Needs, Lisa Anllo, 11.07.2025
„Detransition with regret must be distinguished from desistance from medical intervention without regret or without returning to birth sex identity."
Die Folgen medizinischer Transitionsmaßnahmen sind vielfältig
Und sie werden von den Betroffenen vor Beginn der Transition selten vollständig überblickt.
„In female detransitioners this includes vaginal atrophy and dyspareunia, clitoral pain, loss of breasts, and difficulty passing once again as female due to voice changes and excess facial/body hair as well as balding.
In males this may include castration via orchiectomy and loss of penis, ongoing complications of vaginoplasty, urinary dysfunction, breast enlargement, loss of body hair due to prior laser/electrolysis and difficulty passing as male."
Auch Trauer und Bedauern im Zusammenhang mit Unfruchtbarkeit sowie die Erkenntnis, dass es kein Entkommen aus der lebenslangen medizinischen Behandlung gibt, die manchmal als medizinische „Leine” der Hormonersatztherapie bezeichnet wird, sind nicht selten.
Was ich gerne vorher gewusst hätte …
Fast alle haben Schwierigkeiten beim Zugang zu medizinischer Versorgung und psychologischer Hilfe. Für etliche Operationen gibt es keine Rekonstruktionsmöglichkeiten (z. B. nach Penisinversion, Orchiektomie, Hysterektomie) oder sie werden nicht von den Versicherungen erstattet. Weitere medizinische Maßnahmen scheinen vielen Geschädigten zudem verständlicherweise auch nicht der richtige Weg zu sein.
Zu der ohnehin großen psychischen Belastung kommen oft noch Erfahrungen von Stigmatisierungen und Isolation durch die ehemaligen Freunde aus den LGBT-Communitys hinzu.
Transitionierte/Detransitionierte erleben häufig, dass ihre Erfahrungen verharmlost und heruntergespielt werden, anstatt dass die Probleme, insbesondere Reue, Trauer, aber auch Enttäuschung, dass die „Rettung/Heilung" von der Genderdysphorie und den psychischen Problemen nicht eingetreten ist, ernstgenommen werden. Daher machen die meisten auch nur wenige Versuche, zu ihren ursprünglichen Behandlern zurückzukehren, die allein aus Haftungsgründen die „richtigen" Ansprechpartner wären.
Es gibt nicht nur Hemmschwellen, über sexuelle Funktionsbeeinträchtigungen zu sprechen, sondern auch generell über die Schäden, die in den üblichen politisierten Umgebungen gerne von den Behandlern geleugnet oder verharmlost werden. Detransitionierte werden häufig als „Verräter" gesehen, insbesondere wenn sie sich für Änderungen der üblichen trans-affirmativen Versorgung und den Schutz junger Menschen vor schneller Medikalisierung einsetzen.
Den Detransitionierten/Transitionierten wird auch häufig eine große Mitschuld an ihrer Situation zugeschrieben, obwohl sie sicherlich auch Opfer von leichtfertiger Affirmation, Nicht-Aufklärung und von iatrogenen oder gar bekannten Neben- und Folgewirkungen sind.
Medizinische Probleme bei der sexuellen Rehabilitation
Zum Beispiel MzF-Transitionen:
„For example, males who have had so called 'bottom' surgery (which may involve removal of penis and testicles plus creation of neovagina, or simple orchiectomy) might be offered testosterone replacement therapy (TRT) but this can lead to acutely uncomfortable sensations and a quality-of-life dilemma.“
Diese unangenehmen Empfindungen können so groß sein, dass lieber auf eine Testosteronersatztherapie verzichtet wird.
Ritchie Herron, der als 25-jähriger seine Genital-OP hatte, beschreibt sie als größten Fehler seines Lebens. Er war nach eigenen Angaben anschließend so suizidgefährdet wie nie zuvor. Seine Berichte über die sexuellen Probleme sind erschütternd:
„I have no sensation in my crotch region at all. You could stab me with a knife and I wouldn’t know. The entire area is numb, like it’s shell shocked and unable to comprehend what happened, even 4 years on. No one told me that the base area of your penis is left. It can’t be removed – meaning you’re left with a literal stump inside that twitches. When you take Testosterone and your libido returns, you wake up with morning wood, without the tree. I wish this was a joke. And that’s something that will never come back and one of the reason I got surgery. My sex drive died about 6 months on HRT and at the time I was glad to be rid of it, but now 10 years later, I'm realising what I'm missing out on and won’t get back. Because even if I had a sex drive, my neo vagina is so narrow and small, I wouldn’t even be able to have sex if I wanted to.“
„And when I do use a small dilator, I have random pockets of sensation that only seem to pick up pain, rather than pleasure. Any pleasure I do get comes from the Prostate that was moved forward and wrapped in glands [sic] from the penis, meaning anal sex isn’t possible and can risk further damage.“
„Then there’s the dreams. I dream often, that I have both sets of genitals, in the dream I’m distressed to have both, why both I think? I tell myself to wake up because I know it's just a dream. And I awaken to a living nightmare. In those moments of amnesia as I would wake, I would reach down to my crotch area expecting something that was there for decades, and it’s not. My heart skips a beat, every single time…“
„And finally there’s dilation, which is like some sort of demonic ceremony where you impale yourself for 20 agonising minutes to remind you of your own stupidity. This isn’t even the half of it, And this isn’t regret either, this is grief and anger. F–k everyone who let this happen.“
Zum Beispiel FzM-Transitionen:
Bei weiblichen Detransitionierten besteht zwar die Möglichkeit einer optischen Rekonstruktion*), da die Brustwarzen aber bei der Mastektomie abgetrennt und neu positioniert wurden, fehlen die Nerven(verbindungen) für die erogene Empfindungsfähigkeit. Zudem kann die Stillfähigkeit nicht wieder hergestellt werden.
„Pelvic floor dysfunction has been documented as a side effect of masculinizing hormones that is associated with sexual dysfunction, and clitoral pain and dyspareunia can persist after discontinuation of testosterone.“
Körperliche, intime und romantische Beziehungen sind für Transitionierte/Detransitionierte oft problematisch und vielfach nicht längerfristig. Manche bedauern schließlich, dass sie keine leiblichen Kinder haben können, sie trauern und werden teilweise depressiv.
Der Weg ZURÜCK kann als zu heikel angesehen werden
Corinna Cohn, die sich als desillusionierte und ambivalente Transsexuelle bezeichnet, hat für sich entschieden, dass ein Weg zurück in ein Leben als schwuler Mann für sie zu schwierig wäre.
„I once believed that I would be more successful finding love as a woman…Today, I’ve resigned my-self to never finding a partner… I was still a virgin when I went in for surgery… I chose an irreversible change before I’d even begun to understand my sexuality. The surgeon deemed my operation a good outcome, but intercourse never became pleasurable. When I tell friends, they’re saddened by the loss, but it’s abstract to me – I cannot grieve the absence of a thing I’ve never had."
Empfehlungen für die Therapie
Anllo plädiert dafür, den Mangel an Versorgung für Geschädigte und Detransitionierte anzugehen und Unterstützung für die posttraumatische Situation zu leisten. Wenn es gelänge, Best-Practice-Wege zur Versorgung zu entwickeln, würde auch die Kostenübernahme durch Krankenversicherungen besser gerechtfertigt werden können.
Die Herausforderung für Sexualtherapeuten besteht darin,
„to strive for balance between acknowledging despair while offering hope for the future that might be less about restoring function and more about discovering what’s still attainable, despite permanently altered bodies. Patients and therapists should know that this is a long-term process.“
Da es kein „Zurück“ mehr zu dem gibt, was für immer verloren ist, sind Selbstmitgefühl und Selbstvergebung notwendige Bestandteile der Anpassung an die „neue Normalität“.
„Loss of sexual and reproductive function and normal sexual development that might otherwise have been experienced in a natural spontaneous way had medical intervention never happened may be experienced as particularly poignant. With it comes fear of rejection as a viable romantic and sexual partner, which may provoke despair for the future.“
Fazit
Unter anderem bilanziert Lisa Anllo:
„If the shattering of illusions is necessary for detransition recovery, so too must our own illusions be challenged as providers even if we thought we were helping when we were actually at risk of harming by offering support for medical intervention without adequate information about long term sexual consequences. … that ignorance is no longer a defensible position in light of the emerging data on detransition.“
Eine Lüge leben?
Dr. Alexander Korte zum „Medien-Hype“ in Bezug auf das Trans-Thema:
„In den Medien berichten Vorbilder euphorisch über ihre angeblich unkomplizierte medizinische Transition. Es wird so getan, als sei mit der Durchführung einer Geschlechtsangleichung das Paradies auf Erden erreicht. Dabei sind sie ein Leben lang abhängig von einer Hormonersatztherapie. Die verstorbene Sexualforscherin Sophinette Becker, mit der ich im engen Austausch stand, sagte immer: Liebe Leute, wir, die wir seit Jahrzehnten mit transsexuellen Patienten arbeiten, wir wissen doch, die wenigsten werden glückliche Menschen. Viele sind schnell ernüchtert: Oft entspricht das Operationsergebnis nicht den Vorstellungen. Es ist nicht einfach, einen Lebenspartner zu finden. Die sexuelle Erlebnisfähigkeit hat gelitten. Nicht wenige werden zu chronisch Depressiven und müssen – und wollen auch – psychiatrisch behandelt werden.“
(taz, 02.05.2022)
*) Rekonstruktion nach Mastektomie
Die kosmetische Vergrößerung einer vorhandenen Brust ist etwas ganz anderes als die Rekonstruktion nach einer Mastektomie. Weil nach einer Mastektomie nur wenig Gewebe vorhanden ist, müssen zunächst in einer ersten Operation Gewebeexpander eingesetzt werden, die sukzessive gefüllt werden, um die Haut zu dehnen. In einer zweiten Operation können dann die Implantate eingesetzt werden. Es handelt sich nach Aussage von Experten um große und komplizierte Maßnahmen, die teilweise mikrovaskuläre Techniken erfordern. Es verbleiben mehrere Narben.
„The limitations of implant reconstruction are well known to all plastic surgeons. The reconstructed breasts will never look or feel normal. All implants may be seen or felt through the thin skin overlying them. Implant-related complications include, but are not limited to, hardening of the breasts due to contracture of scar around the implants, visible rippling, malposition, extrusion due to thinning of the overlying skin, and a high likelihood of needing additional surgery later.“
Es gibt diverse Komplikationsmöglichkeiten.
„In a worst case, failure of the reconstruction can be catastrophic. Complication rates run as high as 30 % or more in some studies with total failure rates around 7 %.“
Richard T. Bosshardt, Facharzt für Plastische Chirurgie in Florida, bezeichnet Fachleute, die Top-OPs als reversibel und einfach bezeichnen, als naiv, uninformiert, unzuverlässig und verantwortungslos.
I’m a Plastic Surgeon. This “Gender-Affirming” Procedure Is a Scam, city-journal, 17.04.2025
Can We Please Stop Calling it 'Top Surgery!? R. T. Bosshard, 22.04.2025
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The biggest mistake of my life (Ritchie Herron)
Mastektomien und Brust-Rekonstruktionen sind keine Top-Chirurgie
Jenseits der Transition
Hinweis:
Dieser Beitrag erscheint zwar im Blog-Detrans, es geht aber um ein breiteres Spektrum von Transitionierten, die durch die Gender-Medikalisierung geschädigt wurden. D. h. betroffen sind nicht nur Detransitionierte in unterschiedlicher Ausprägung bzw. mit unterschiedlichem Verständnis ihrer aktuellen Situation, sondern auch Transitionierte, die nicht detransitionieren, aber enttäuscht, desillusioniert oder ambivalent sind.