England: Gericht folgt Mutter, die vorsichtig vorgehen will

Eine Mutter in England hat nach 3 Jahren des Wartens eine einstweilige Verfügung erwirkt, die verhindert, dass ihr bald 16jähriges ROGD-Kind bei einem privaten Dienstleister behandelt wird, wie es ihr Ex-Mann präferiert. Die Mutter möchte, dass ihr Kind vom NHS behandelt wird, für den ein vorsichtigeres Vorgehen angekündigt wurde. Der Anwalt der Mutter erläutert:

"This case takes place against a backdrop of increasing concern about the safety and effectiveness of puberty blocking and cross-sex hormone treatment for gender-questioning children. The court has been sufficiently concerned to take the unusual step of making an interim order preventing my client’s child from being treated outside the NHS."

Leider gilt die Verfügung nur bis zum 16. Geburtstag des Kindes, sodass die Mutter nun weiter klagt.

Mother wins landmark court ruling to stop child having private trans treatment, The Times, Sian Griffiths, 22.10.2023

Sicherlich steht der Teenager auf der Warteliste des Tavistock-GIDS, die derzeit ca. 8.000 Einträge hat und von der im Moment nicht so richtig klar ist, wann und wie sie aufgelöst werden kann, s. nachfolgende Situations-Berichte.

Kathleen Stock berichtet aus London

15 Monate nach Ankündigung der Schließung des GIDS hat Kathleen Stock recherchiert und sich ein eigenes Bild von der Situation des geplanten „Neuanfangs” gemacht. 

It appears, then, that despite the apparent good sense of Cass’s interventions so far, contemporary gender medicine in England and Wales remains somewhat chaotic.

Vieles verzögert sich erheblich, Führungskräfte, die für das Debakel des GIDS haupt- oder mitverantwortlich waren, sowie belastete Mitarbeitende sind noch immer im GIDS oder in die neuen Einrichtungen übernommen worden. Der Start der neuen Zentren muss aus unterschiedlichen Gründen immer wieder verschoben werden. Parallel starten neue private Anbieter und offerieren ihre Dienstleistungen.

Da die Warteliste seit Sommer 2022 nicht abgearbeitet wird, müssen sich immer mehr Jugendliche aufgrund ihres Alters bei den Erwachsenendiensten unter ganz anderen Bedingungen (z. B. ohne Überweisung eines Arztes) neu einschreiben. Für Erwachsene gilt die NHS-Leistungsbeschreibung von 2019, die von den vorsichtigeren Cass-Intentionen weit entfernt sein soll. Das bedeutet, dass bereits 18jährige am Tag ihres 2. Termins ohne psychologische Intervention Hormone verabreicht bekommen.

K. Stock fand heraus, dass der Tavistock and Portman Trust selbst einen Dienst für Jugendliche und junge Erwachsene im Bereich der allgemeinen psychischen Gesundheit anbietet, der sich auf 14- bis 25-Jährige bezieht. Allerdings galt und gilt die entsprechende Richtlinie erstaunlicherweise nicht für das GIDS bzw. ROGD-Teens & Twens.

Inside Britain’s new trans clinics, Kathleen Stock, 19.10.2023

Lange Warteliste auch beim Genderservice für Erwachsene

Der Guardian berichtet, dass die Warteliste beim NHS-Genderservice für Erwachsene Ende August 13.818 Einträge hatte, neu Überwiesene müssten bis zu 5 Jahre auf einen ersten Termin warten.

Delays, rows and legal challenges: inside the stalled new NHS gender identity service, 27.10.2023

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England: 1 Jahr nach der Ankündigung der Schließung des GIDS


Wie geht „vorsichtig”?

In einem Review zur GIDS-Transgenderklinik unter der Leitung der Kinderärztin Hilary Cass (2022) wurden viele kritische Themen angesprochen. Die Klinik für Kinder und Jugendliche sei „unsicher" und arbeite unzulänglich, was den NHS 2022 zur Ankündigung der Klinikschließung veranlasste. Im Juni 2023 hat der NHS außerdem die Verordnung von Pubertätsblockern stark eingeschränkt. Jahre zuvor hatte bereits David Bell (damals beratender Psychiater im Tavistock) die Versorgung von Jugendlichen als „woefully inadequate" bezeichnet und festgestellt, dass die üblichen Vorsichts- und Schutzverpflichtungen nicht eingehalten wurden. Ein Punkt zur Kritik war auch die problematische Evidenzlage der medizinischen Transitionsmaßnahmen.

Das englische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) hat 2020 sowohl zu Pubertätsblockern als auch zu gegengeschlechtlichen Hormonen systematische Evidenz-Überprüfungen durchgeführt. Es war zu dem Schluss gekommen, dass die Qualität der Evidenz für die positiven Auswirkungen auf Genderdysphorie, psychische Gesundheit und Lebensqualität von „sehr geringer Gewissheit" sind. Zudem wurde bezweifelt, dass die genannten Hormone für die psychische Gesundheit vorteilhaft oder auch nur neutral sind.

Daraufhin hat der National Health Service (NHS) 2023 zumindest die Pubertätsblocker für Minderjährige in England stark reglementiert, sie dürfen nur noch im Rahmen von klinischer Forschung verordnet werden (Bericht im Dt. Ärzteblatt). Bisher wurde noch keine klinische Studie gestartet.

Klinische Studien: Das klingt gut, aber ist es auch realistisch?

In den Umsetzungshinweisen des Cass Reviews heißt es:

„We have previously made clear, ... , the intention that the NHS will only commission puberty supressing hormones as part of clinical research."

Meistens wird der Begriff „klinische Studien" verwendet, z. B. The Times. Die Frage ist, ob klinische Studien zu Hormonen, die wegen Genderdysphorie eingesetzt werden, bei Teenagern überhaupt möglich sind. Sind entsprechende klinische Studien zu gegengeschlechtlichen Hormonen jemals bei Erwachsenen durchgeführt worden? Wahrscheinlich nicht bzw. nicht in der Qualität, dass es für eine Arzneimittel-Zulassung gereicht hätte.

Bevor die Niederländer mit ihren Experimenten bei Teenagern begannen, haben sie Pubertätsblocker noch nicht einmal in Tierversuchen erprobt, obwohl z. B. die verantwortliche Endokrinologin Henriette Dellemarre-van de Waal ein entsprechendes Labor hatte.

"She actually had a laboratory full of rats. ... So they could have easily tested, done some randomized control trials on rats just to see what's the effect of puberty suppression. But they chose not to and instead chose the young girl who we know is [named] FG [in the study] to become their first kind of guinea pig and case study." M. Biggs, 2023

Kathleen Stock sprach jetzt mit einer Leiterin von NHS-Forschungsstudien. Sie äußerte große Skepsis, dass eine ordnungsgemäße klinische Studie zu Pubertätsblockern jemals den international anerkannten, nach ethischen und wissenschaftlichen Gesichtspunkten aufgestellten Regeln der Guten Klinischen Praxis entsprechend durchgeführt werden könnte. Sie sagte Stock:

„Children get classed as a vulnerable group. They need to have very special protections, and the rationale is just not there. The possible impacts [of blockers] on a child are so high that the moment that this was recognised, the study would be shut down. If you had a healthy child, and you recognised that medication could confirm sterility issues, or fertility issues, or bone density issues, the trial would be stopped at that point. It would be completely insane to run such a trial.”

Inside Britain’s new trans clinics, Kathleen Stock, 19.10.2023

Bis heute sind vermutlich alle Teenager und junge Erwachsene „Versuchskaninchen", die sich in unkontrollierten Experimenten (off-label) auf Pubertätsblocker und gegengeschlechtliche Hormone einlassen, in der ungewissen Hoffnung, dass sich ihre Probleme vermindern.


Es ist noch nicht vorüber

Auch Hannah Barnes berichtet über den aktuellen Stand der Reform der Versorgung von genderdysphorischen/genderinkongruenten Jugendlichen in England. Ihr derzeitiges Fazit ist:

„Because after all, unlike other medical failures, this is a story yet to finish.”

I spent years investigating the Tavistock gender clinic – it may be closing but the fallout is not over, H. Barnes, telegraph, 13.11.2023


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Was lief in der Tavistock-Klinik für Trans-Teenager schief?

GB: Leistungsbeschreibung für den neuen GD-Service

GB: The Cass-Review

Nennen Sie es nicht evidenzbasiert‘