Exzessiver Medienkonsum kann die psychische Gesundheit gefährden

Der erste iPod kam 2001 auf den Markt, das erste iPhone 2007. Seit der Generation Z wachsen alle Jugendliche mit dem Internet und den eigenen Kommunikationsgeräten auf, Sie kennen kein Leben ohne Smartphone – haben nie ein Münztelefon benutzen oder einen Routen- oder Fahrplan ausdrucken müssen. Der jederzeit verfügbare Zugang zum Internet hat dazu geführt, dass wir fast alle mittlerweile abhängig von unseren Geräten geworden sind.

Laut einer DAK-Studie (2024) zeigt mittlerweile ein Viertel der Jugendlichen eine riskante oder pathologische Mediennutzung, ein Teil davon ist regelrecht süchtig.

Wachsende Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen: Experten zeigen sich besorgt, Dt. Ärzteblatt, 12.03.2025

Weiterbildung:

Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in einer digitalen Welt, Kompetenzzentrum Public Child Mental Health, 22.09.2025 (auch online)


Ist die Smartphone-Sucht wie das Rauchen früher?

Wikimedia commonsEs gab Zeiten, in denen zwar bekannt war, dass Rauchen nicht gesund ist, aber es wurde nicht infrage gestellt. Es hieß sogar Rauchen heile Asthma. Selbst Kinder konnten in Deutschland bis 2007 Zigaretten kaufen, das Rauchen in der Öffentlichkeit war sehr verbreitet. Die Einstellung zum Rauchen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Heute wird es als unakzeptabel angesehen, dass Kinder rauchen, und es wird versucht, Jugendliche davon abzuhalten. Unter anderem wurde durch Jugendschutzmaßnahmen das Rauchen für Minderjährige stark eingeschränkt.

Stella O'Malley stellt die Frage, ob die Abhängigkeit vom Smartphone heute nicht wie das Rauchen von damals ist.

„We all know they are bad for us, but they are every-where. We talk about screen time. We know we are too dependent on our devices, but it is hard to put them away. Every time you put your phone down, a multi-billion-dollar industry is working to get you to pick it back up."

Überall finden sich Hinweise, dass sich die psychische Gesundheit von Jugendlichen zunehmend verschlechtert. Als Ursache wird der hohe Medienkonsum mit problematischen Inhalten angenommen, geht es doch vielfach um angsterzeugende Inhalte, Körperbildideale, zu frühe Sexualisierung und Auswirkungen des Pornographie-Konsums.

„The move from a play-based childhood to a phone-based childhood has led to the erosion of childhood itself. Children are spending hours online, often exposed to content far beyond their years.

Social skills are shrinking. Attention spans are collapsing. Boredom, which once led to creativity, is now avoided at all costs. Being on screens is not necessarily educational, and it does not make us healthier or happier.“

A Phone in Every Pocket – But at What Cost? Stella O'Malley, 2025

Problematische Internet-Angebote

Der Anstieg von psychischen Erkrankungen durch die sog. Sozialen Medien ist gut belegt (Müller-Vahl u. a., 2022), Auch und gerade der Anstieg von transidentifizierten Teenagern wird problematischen Internet-Angeboten zugeschrieben. Viele betroffene Eltern bereuen nachträglich sehr, ihrem Kind zu früh die digitalen Möglichkeiten zur Verfügung gestellt zu haben. Sie waren sich der damit verbundenen Schwierigkeiten und der fehlenden Kontrollmechanismen und -möglichkeiten nicht bewusst.

Ansteckung durch Social Media nachgewiesen

Die Wogen um Handy-Verbote in Schulen oder Beschränkungen von Social Media durch Altersgrenzen gehen hoch. Notwendig sind Regelungen, die auch Anbieter und Technologie-Unternehmen in die Pflicht nehmen. Aber wichtig ist zudem, dass sich die Einstellung unserer Gesellschaft zum Smartphone-Gebrauch ändert.

Generation Angst – Wie wir unsere Kinder an die virtuelle Welt verlieren und ihre psychische Gesundheit aufs Spiel setzen, J. Haidt, 2024

Selbst Steve Jobs hat Tablets und Smartphones am Familien-Esstisch verboten

Und er hat seine Familie ermutigt, sich mit Dingen zu beschäftigen, die nicht mit Technologie zu tun haben (Die Welt, 2023).

Eltern können und sollten

  1. Regeln einführen, zu welchen Zeiten und an welchen Orten die Gerätenutzung ok oder tabu ist.
  2. ihre Medienkompetenz auf den neuesten Stand bringen, damit sie ihre Kinder und Jugendlichen über die Gefahren und Manipulationsmechanismen von Medienangeboten aufklären können.
  3. ihre Vorbildfunktion wahrnehmen und selbst einen bewussten Umgang mit Medieninhalten pflegen.

Aber Eltern können den übermäßigen Medienkonsum ihrer Kinder kaum alleine verhindern. Die aktuellen Limitierungs-Möglichkeiten, beispielsweise bei TikTok, sind freiwillig und sehr einfach aufzuheben. Natürlich gibt es schon lange jede Menge gute Tipps zur Selbststeuerung des Medienkonsums, Beispiele:

Souverän mit sozialen Medien umgehen, AOK, 2021

klicksafe, Medienkompetenz-Initiative der EU

Die meisten Kinder sind gegenüber Beeinträchtigungen durch erhöhten Medienkonsum relativ immun bzw. resilient, sie können die Eindrücke aus dem Internet verarbeiten und/oder ihre Smartphonenutzung steuern. Die eher vulnerablen Teenager können das nicht und sind daher hochgradig gefährdet, psychisch krank zu werden. Bereits 2013 wurde im Dt. Ärzteblatt von bis zu 20 % psychisch auffälligen Teenagern (knapp 14 % der Jungen und 25 % der Mädchen) berichtet.

Erwachsenwerden ist schwer: Psychische Störungen in der Adoleszenz, B. Herpertz-Dahlmann u. a., Dt. Ärzteblatt, 2013

Bildschirmsucht erhöht Suizidrisiko von Jugendlichen unabhängig von den Bildschirmzeiten, Dt. Ärzteblatt, 20.06.2025

Social Media erst ab 16 – so, als wäre es Bier? Die ZEIT, 19.06.2025

Chinas Jugendschutzmodus

Auch wenn aus westlicher Sicht vieles, was China betrifft, problematisch erscheint und kritisiert wird: In China wird der Jugendschutz durch einen TikTok-Jugendmodus mit striktem Registrierungszwang für Jugendliche unter 14 Jahren realisiert, der die Bildschirmzeit auf 40 Minuten pro Tag begrenzt, und zwar in einem Zeitfenster von 6–22 Uhr. Den unter 14-Jährigen werden vor allem pädagogisch wertvolle Inhalte angezeigt, also Videos über wissenschaftliche Experimente, Geschichte und Museen. Online-Spiele funktionieren nur noch an Freitagen, Samstagen sowie Sonn- und Feiertagen während der Zeit von 20 bis 21 Uhr. Die Nutzung fremder Konten kann zur Anzeige gebracht werden. Diese Regelungen zeigen, dass mithilfe der Technologie-Unternehmen und Medien-Anbieter vieles möglich ist.

Soll der Staat die Bürger zum Überleben zwingen?

Mit dieser Frage brachte ein Medienmagazin die Debatte zur Gurtpflicht in Autos in den 70er Jahren auf den Punkt. Wie bei der Einführung der Gurtpflicht damals, so wird auch heute bei der Mediennutzung ein gesellschaftlicher Konsens benötigt, welche Regeln und Schutzmaßnahmen in Bezug auf die Mediennutzung für Minderjährige und ggf. auch für Erwachsene sinnvoll sind.

Darüber muss auch in Deutschland diskutiert werden

Während in Australien 2024 ein Mindestalter für Social Media von 16 Jahren eingeführt wurde, haben kürzlich die Bundesministerinnen Karin Prien (Bildung und BMFSFJ) , Stefanie Hubig (Justiz) sowie Ministerpräsident Daniel Günther eine erste Diskussion über ein Mindestalter für Teenager in Deutschland angestoßen. 
Zu hoffen ist, dass es im Spannungsfeld zwischen Schutz und Selbstbestimmung, zwischen Vertrauen und Verbot zügig zu einem vernünftigen Konsens kommt. 

„Eine Erleichterung wäre das nach Einschätzung der Ministerin auch für Eltern, die dann nicht mehr Tag für Tag mit ihren Kindern über deren Aktivitäten auf Social Media diskutieren müssten. Erste Erfahrungen auch in anderen Ländern deuteten darauf hin, dass sich eine solche Einschränkung positiv auf Kinder und Jugendliche in Schulen auswirke. Dort gebe es dann ‚weniger Mobbing, mehr Konzentration, sozialeres Miteinander', so Hubig." (Tagesschau, 08.06.2025)

Beispiel TikTok

Wie die Mechanismen bzw. Algorithmen beispielsweise bei TikTok zu süchtigem Verhalten führen, wird in dem folgenden Video erklärt:

Warum TikTok so süchtig macht, YT, 2022

Etwas wissenschaftlicher sind die Erklärungen hier:

Was machen TikTok & Co mit unserem Gehirn? Spektrum.de, 18.04.2023

Abhängigkeiten werden durch gezieltes Ausnutzen basaler neuronaler Lernmechanismen erzeugt

Der Rat für digitale Ökologie erklärt im Einzelnen die zentrale Rolle des Neurotransmitters Dopamin im Kontext von Suchtverhalten am Beispiel genetisch manipulierter Mäuse, aber auch, was sog. persuative Technologien sind, die Überzeugungen und Verhalten von Menschen beeinflussen können. Zusammenfassend heißt es:

„Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram, TikTok usw. stehen zunehmend in der Kritik, bewusst und gezielt Abhängigkeiten oder gar Suchtverhalten bei ihren Nutzerinnen und Nutzern zu erzeugen. Ihre Designs und Algorithmen sind darauf ausgelegt, die Verweildauer und die Interaktion auf der Plattform zu maximieren, um daraus über Werbeeinnahmen kommerziellen Nutzen zu ziehen. Um individuell zugeschnittene Inhalte zu präsentieren, analysieren sie das Nutzerverhalten, wobei eine Feedbackschleife entsteht: Je mehr die Nutzer:innen interagieren, desto präziser sagt der Algorithmus vorher, welche Art von Inhalten und Belohnungen (Likes, Shares, etc.) sie am meisten in Bann ziehen.“

Der Rat hat auch konkrete Empfehlungen für die Politik formuliert.

Social Media als Verhaltenssucht – Wie Algorithmen abhängig machen und auf die Gehirnentwicklung junger Menschen wirken, Positionspapier des Rates für digitale Ökologie, Februar 2024

 

„We are embarking on a giant experiment in which our children are the human subjects.“

 

Reclaiming Conversation: The Power of Talk in a Digital Age, S. Turkle, 2015


Mehr …

TikTok missachtet Kinderschutz

EU prüft: Jugendschutz bei TikTok mangelhaft, DW, 2024

Briten ermitteln gegen TikTok und Reddit, Die Zeit, 03.03.2025