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ROGD - Rapid Onset Gender-Dysphoria
Immer mehr Jugendliche hinterfragen zu Beginn ihrer Pubertät bzw. in der Adoleszenz ihr Gender bzw. ihr Geschlecht
Seit ca. 2007 (etwa parallel zur Einführung des iPhones) registrieren Experten international und auch in Deutschland, eine stark steigende Anzahl von Jugendlichen, insbesondere biologische Mädchen, die zu Beginn der Pubertät bzw. in der Adoleszenz Identitäts-Probleme artikulieren (z. B. London, München, Charité, Hamburg, Schweden). Es sind Jugendliche, die zu diesem Zeitpunkt ohne eine entsprechende Vorgeschichte sind.
Jugendliche die glauben, dass ihr „gefühltes Geschlecht” nicht mit ihrem biologischen Körper vereinbar ist, entwickeln häufig eine Genderdysphorie.
Biologische Mädchen sind bei den genderdysphorischen Jugendlichen stark überproportional vertreten (auch in Finnland, 2015, GB), „und das wird auch nicht bestritten, auch von meinen Kollegen nicht in anderen Behandlungszentren in Deutschland und auch international nicht: Im Moment haben wir ein Verhältnis von 5-8 zu 1. Aber wohlbemerkt 5 bis 8 Mädchen auf einen biologischen Jungen. Und das ist eine Entwicklung innerhalb der letzten 5 bis 10 Jahre. Also in einer Dekade hat sich das so verändert, ohne dass wir das bislang schon hinlänglich erklären konnten.“ (Korte 2020) Interessanterweise liegt dagegen die Vorstellungsrate von Mädchen im Kindesalter in München bei nur ca. 20 % (Korte u. a. 2016).
In den letzten 10 Jahren wurde ein deutlicher Anstieg von Genderdysphorie bei Mädchen beobachtet.
"Bei uns in München kommen auf einen Jungen mittlerweile 8 Mädchen. Diesen Trend berichten auch andere Zentren." (Spiegel 11/2018)
Jugendpsychiater Bernd Meyenburg aus Frankfurt berichtet:
auf einen Jungen kämen mittlerweile bis zu 20 Mädchen, die sich eine Behandlung wünschten. Mein Wille geschehe ..., Spiegel, 18.02.2022 (Bezahlschranke)
Anthony Latham, schottischer Arzt, Bioethiker und Medizinrechtler, zur These "Gender-Dysphorie gab es in dieser Zahl schon immer, wurde aber verdrängt."
It might be argued that the increase in children presenting with GD is due to the openness of society and the access to websites and advice that now exists.
Diese Annahme schätzt A. Latham als äußerst unwahrscheinlich ein, seine Argumente:
The recent increase in GD is almost confined to children approaching puberty and adolescence and, as we have seen, is usually rapid in onset. We would expect other age groups to be also presenting in greatly increased numbers if acceptability and access to help was the reason.
The belief that this is a new category of GD is supported by the fact that a decade ago most GD dysphoria in children presented in early childhood. The numbers are so much increased around puberty years that it seems likely (though not proven), that this is a new phenomenon, rather than a consequence of historical repression.
The vast majority of new onset GD occurs in girls. We know from previous data that gender dysphoria was more common in boys (American Psychiatric Association 2013). This increase in girls parallels the considerable increase in anorexia nervosa in girls over the past decades (Hoek 2006), and in self-harm among girls (Cybulski et al. 2021), suggesting a common underlying cause.
Bis vor ca. 15-20 Jahren waren hauptsächlich zwei sehr unterschiedliche Kohorten von genderauffälligen Klienten bekannt, zum einen Jungen im Vorschulalter, die als ‚vorschwul‘ bzw. verweichlicht beschrieben wurden und erwachsene Männer, die eine Transition anstrebten:
Early Onset Gender Dysphoria, die früh auftretende Variante, tritt überwiegend bei biologischen Jungen in der frühen Kindheit auf.
Late Onset Gender Dysphoria, die späte Variante tritt erst im frühen bis mittleren Erwachsenenalter auf, ebenfalls überwiegend bei biologischen Männern.
Rapid Onset Gender Dysphoria, die neueste Form von GDbetrifft überwiegend weibliche Jugendliche, die vor der Pubertät keine Anzeichen von Genderdysphorie zeigten, dagegen aber häufig andere psychische Leiden seit der Kindheit hatten.
„Rapid-onset gender dysphoria often occurs in adolescents growing up in well-educated, reasonably affluent families with fairly liberal social values. These parents aren’t anti-trans. It’s just that they don’t think gender dysphoria is the right diagnosis for their child.”
In den beiden letzten Jahrzehnten tauchen immer mehr weibliche Teenager auf, die plötzlich zu Beginn oder während der Pubertät eine medizinische Transition anstreben, was es zuvor praktisch nie gab, während die Zahl der transidentifizierten männlichen Teenager gering blieb. Ebenso fällt auf, dass die Anzahl der über 40jährigen Frauen, die Männer werden wollten, verschwindend gering geblieben ist.
For example, at Amsterdam University Medical Center’s gender clinic, a pioneer in adolescent gender care, the proportions flipped. From 1989 to 2005, 59 % of its adolescent patients were assigned male at birth, the Dutch clinic reported in a 2015 study published in the Journal of Sexual Medicine. Since 2016, about 75 % of the clinic’s patients have been youths who were assigned female at birth.
2016 prägte die amerikanische Professorin Lisa Littman den Begriff „Rapid Onset Gender Dysphoria" - „Plötzlich beginnende Geschlechts-Identitätsproblematik“ zur Beschreibung eines Phänomens, das sie bei Jugendlichen aufgrund von Elternbefragungen ermittelt hatte.
Diese Jugendlichen hatten zeitgleich mit Gleichaltrigen ihrer Peergroup und nach verstärkter Internetnutzung begonnen, sich als trans* zu bezeichnen, obwohl sie in ihrer Kindheit keine Anzeichen von Transidentität oder Genderdysphorie gezeigt hatten. Auf diese Beschreibung „keine Anzeichen in der Kindheit" bezieht sich das Adjektiv „plötzlich” oder „rapid” in der Bezeichnung ROGD.
Bei über 62 % der Jugendlichen war mindestens eine psychische Störung wie Depression, neurologische Entwicklungsstörung diagnostiziert worden, bevor ihre Genderdysphorie einsetzte.
Mehr als 36 % der Jugendlichen hatten Trans-Freunde.
Littman stellte eine Art „sozialer Ansteckung“ fest, die ähnlich bereits bezüglich Essstörungen erforscht worden war.
Nach dem Coming-out als Trans* verschlechterte sich häufig das Familien-Verhältnis.
Zudem schien ihr die Transition für viele Jugendliche eine Bewältigungsstrategie zu sein, um mit negativen Gefühlen und mit Problemen umzugehen und sich von den Eltern abzugrenzen.
Viele Eltern berichteten außerdem davon, dass ihre Kinder gegenüber Therapeuten und Ärzten wichtige Teile ihrer Kindheitsgeschichte bewusst oder unbewusst verfälscht darstellten, da sie schnell die Information bzw. die Erfahrung hatten, dass ihre „Behandler“ von ihrer Selbstdiagnose überzeugt werden müssen. Beispielsweise kolportieren fast alle genderdysphorischen Jugendlichen die „born-that-way-Erinnerung“, auch wenn die Familien das nicht bestätigen konnten.
Seit der Veröffentlichung Littmans 2018 entwickelte sich schnell ein politisch gefärbter Disput zwischen diversen gesellschaftlichen Gruppen, Fachleuten, Trans*-Aktivisten etc.
Es geht zum einen um Begrifflichkeiten und um das Renommee von Unis, zum anderen aber vor allem um den Umgang mit Jugendlichen, die sich selbst als Trans* diagnostizieren und Fachleuten wie Sozialarbeiter, Psychologen, Ärzte (Gynäkologen, Endokrinologen, Chirurgen, Psychiater etc.) aufsuchen. Eine objektive Möglichkeit, Transidentität oder Transsexualität festzustellen, gibt es nicht.
In Relation zu den sog. „early onset“ genderdysphorischen Kindern stellt D. Pauli (Zürich, 2017) fest:
„In der aktuellen klinischen Inanspruchnahme der Praxen und spezialisierten Zentren überwiegen jedoch die Fälle, bei denen sich eine Trans*Identität erst in der Pubertät oder später zeigt. Meist gestaltet sich die Auseinandersetzung mit dem Thema Trans* hier deutlich schwieriger“.
Dr. Edwards-Leeper ist die Vorsitzende des Ausschusses für Kinder und Jugendliche der WPATH, sie hat an der Überarbeitung der von diesem Gremium für Gender-Kliniker herausgegebenen Versorgungs-Standards mitgewirkt. Sie sagte im Podcast mit M. Daum, dass der Einfluss der Peer-Group auf ROGD-Teens nicht in Abrede gestellt werden dürfe, da er “in pretty much every other area of adolescent development” gut dokumentiert sei.
“I do get frustrated when people dismiss the [ROGD] phenomenon so quickly, as if it’s something that could never possibly happen (with trans). ... I think it does happen … I think that's what's going on for some young people.”
ROGD als Subtyp von GD (Genderdysphorie)
Der Begriff ROGD ist mittlerweile gebräuchlich (Beispiel rbb-Radio-Sendung) für den Subtyp von Gender-Dysphorie, der ohne Vorzeichen in der Kindheit (rapid onset) in oder während der Pubertät beginnt. ROGD wird oft dahingehend kritisiert, dass er kein anerkannter „Diagnose-Begriff" sei. Das ist insofern ungenau, als ROGD den Begriff Gender-Dysphorie enthält.
Im medizinisch-klinischen Umfeld ist Gender-Dysphorie der etablierte diagnostische Begriff für das, was bis 2013 als Genderidentitätsstörung bezeichnet wurde. Da „Störung“ als stigmatisierend galt, wurde der Begriff geändert. Gender-Dysphorie wird verwendet, wenn anhaltend
Unbehagen, Missempfindungen, Ablehnung gegenüber bestimmten Körpermerkmalen, insbesondere den Geschlechtsmerkmalen des biologischen Geschlechts, der Sexualität, den sexuellen Empfindungen, der sexueller Orientierung und/oder der mit dem Geschlecht assoziierten sozialen Rolle zum Ausdruck gebracht werden.
ein klinisch relevanter Leidensdruck erkennbar wird bzw. sich manifestiert, der eine Behandlung sinnvoll erscheinen lässt.
Die Kriterien für eine GD-Diagnose sind z. B. im DSM-5, dem amerikanischen Handbuch zur Beurteilung und Diagnose psychiatrischer Erkrankungen und in den ICD (WHO) beschrieben. Es gibt separate Kriterien für Kinder (DSM-V 302.6) sowie für Jugendliche und Erwachsene DSM-V 302.85, s. auch Korte S. 20
Der Begriff Gender-Dysphorie ist nicht eindeutig, zwischen den verschiedenen Arten von Gender-Dysphorie gibt es wesentliche Unterschiede (Alter des Auftretens, allmählich/plötzlich, Geschlechterverhältnis, mit GD verbundene sexuelle Orientierungen, sexuelle Fantasien, Wünsche, Perversionen, etc.). Um zu verstehen, warum beim eigenen Kind ROGD vorliegt, sollten Eltern sich informieren, welche anderen beiden Haupt-Typen es gibt:
Veritable Studien und Forschungsergebnisse: Fehlanzeige
Der psychische Leidensdruck unserer genderdysphorischen Jugendlichen ist sehr ernstzunehmend hoch und zumeist behandlungsbedürftig. Das Fehlen grundlegender Studien und Forschungsergebnisse zum Phänomen Genderdysphorie und speziell zur Behandlung von genderdysphorischen Teens ist hochproblematisch. Bis 2010 gibt es überhaupt keine Hinweise, dass Genderdysphorie bei Jugendlichen ohne entsprechende Vorgeschichte in der Kindheit beobachtet worden wäre. Vor 2012 gab es keine wissenschaftliche oder medizinische Literatur, die sich mit jugendlichen Mädchen befasste, die zum anderen Geschlecht transitionieren wollten (A. Shrier, 2021).
Offen ist die Frage, ob die einzelnen Jugendlichen ausreichend diagnostiziert und beobachtet werden. Aufgrund des Affirmation-Only-Trends beschränkt sich die begleitende Psychotherapie zumeist auf eine Art Coaching, In der Regel werden relativ zügig somatisch-medizinische Maßnahmen (Pubertätsblocker, gegengeschlechtliche Hormone, OPs) vorgeschlagen, genehmigt und eingeleitet, um schnelle therapeutische Erfolge zu erzielen.
Allerdings ist gerade deren Wirksamkeit kaum wissenschaftlich erforscht, der Einsatz insbesondere der körpermedizinischen Maßnahmen erfolgt auf experimenteller Basis, im Off-Label-Use und unter der Machbarkeits-Prämisse.
Vielfach fühlen sich die Beteiligten unter einem erheblichen Zeitdruck und neigen zum Aktivismus. Zum einen besteht bei den meisten Fachleuten die Überzeugung, dass die Pubertät, insbesondere die körperliche Entwicklung aufgehalten werden könne und deshalb auch unbedingt aufgehalten werden müsse. Zum anderen melden sich aufgrund ihrer Selbst-Diagnose immer mehr Jugendliche in den Spezial-Ambulanzen. Teilweise versuchen die gut informierten und unter Druck stehenden Jugendlichen sogar ihren Forderungen bei Eltern und Fachleuten durch Selbstverletzung oder Suizidäußerungen Nachdruck zu verleihen. Es scheint teilweise so, als würde der Leidensdruck durch Peer-Pressing und/oder Internet-Einfluss regelrecht kultiviert, um Eltern und Fachleute zu beeindrucken.
Bereits 2016 war in der Zeit zu lesen: "viele von ihnen [erweisen sich] schon als überaus kundig, sagt Saskia Fahrenkrug [Psychologin des UKE HH]. Früher seien die genderdysphorischen Jugendlichen nur mit ihrer Verzweiflung in die Sprechstunde gekommen. Heute würden sie zum ersten Termin schon "die Spezialnamen des Hormons mitbringen, das sie für ihre Geschlechtsanpassung bitte sofort haben möchten."
Die Konstellation, dass üblicherweise die Person, die die Psychotherapie des Jugendlichen durchführt, auch diejenige ist, die Indikationsschreiben bzw. Gutachten für körpermedizinische Maßnahmen erstellt, ist für eine ergebnisoffene Therapie ausgesprochen ungünstig.
Was können Ursachen und fördernde Faktoren für Genderdysphorie in der Pubertät sein?
Die Pubertät stellt für alle Jugendlichen eine Herausforderung dar. Sowohl im körperlichen als auch im mentalen Bereich passiert etwas mit ihnen und sie müssen sich damit auseinandersetzen. Während alle Jugendlichen mit gesellschaftlichen Rollenbildern bzw. -erwartungen, Körper- und Schlankheitsidealen konfrontiert werden, sind Mädchen insbesondere durch Brustwachstum, Menstruation, Hormonschwankungen, Vorstellungen von Schwangerschaft und Geburt deutlich stärker gefordert.
Bemerkenswert: Seit 1860 verschob sich das Durchschnittsalter bei Mädchen zum Zeitpunkt der 1. Periode in Deutschland von 16,6 auf das 10. bis 11. Lebensjahr in 2010. (s. Uni Landau). Darum beginnt die Pubertät heute früher, s. BR, SWR, Dt. Ärzteblatt.
„Auch die Pubertät verläuft übrigens anders: Eine Erektion ruft andere Gefühle hervor als eine Menstruation. Weibliche Brüste fühlen sich anders an als männliche.“ (S. Becker, 2018)
Erwachsenwerden - das Ende der Kindheit
Viele Jugendliche kommen gut mit der Pubertät klar, aber eine steigende Zahl hat damit größere Schwierigkeiten. Im Rahmen des Erwachsenwerdens kommen viele Fragen auf, auch was Erwachsenwerden als Frau oder Mann oder eine sonstige individuelle Identität bedeutet. In unserer heutigen Gesellschaft gibt es heute konkurrierende und teilweise sehr unscharfe Vorstellungen und von weiblicher und männlicher Persönlichkeit, je nachdem, ob biologische, sozio-kulturelle, psychologische, ontologische oder sonstige Bezüge bevorzugt werden. Diese komplexe Situation zeigt sich beispielsweise Alltag, Gesundheitswesen, Rechtsprechung und kann ggf. zur Irritationen in der Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen beitragen.
Das Geschlecht (engl. sex) scheint von einer Tatsache zu einer Frage der Wahl geworden zu sein. Eine Option stellt für einige Jugendliche das heute in Peer-Groups und Medien weit verbreitet und häufig sehr vereinfacht dargestellte Thema Trans* dar. Manchen Jugendlichen scheint es eine Lösung für ihre Pubertätsprobleme zu sein, die Selbst-Diagnose Trans* stellt für sie eine Art „Identifikationsschablone“ dar, die Probleme mit dem Erwachsenwerden verschleiert oder vermeidet und teilweise sogar Anerkennung unter Gleichaltrigen verspricht. Jugendliche stellen sich vor, als Mitglied des anderen Geschlechts „glücklicher” oder „wertvoller" zu sein.
Jugendlichen sind die Gründe für ihre Identitätsprobleme in der Regel nicht bewusst, daher können sie sie auch nicht erklären, sondern sagen in der Regel: "Es ist nur ein Gefühl, das ich habe".
Die Vorstellung gender-non-konform oder trans* zu sein, bestimmt über Jahre das Teenager-Leben, manche Jugendliche suchen über die soziale Transition einen Ausweg, manche nehmen schließlich eine transsexuelle Entwicklung und fixieren sich auf eine Lösung ihrer Genderdysphorie mittels körpermedizinischer Transition.
„Bei allem Vorteil was Entwicklung und Fortschritt und das Erwachsenwerden ja auch mit sich bringt - Trauerarbeit [ist] zu leisten, weil ich muss auch Altbewährtes und mir Liebsames zurücklassen, ich muss mich verabschieden aus dem „Paradies der Kindheit“. Klar - ich gewinne neue Privilegien hinzu -, aber andere Privilegien muss ich abschütteln, von denen muss ich mich verabschieden.“ Korte-Interview, 07.04.2022
Die meisten explorativen Therapeuten haben gelernt, dass der Begriff der Gender-Dysphorie für verschiedene Klienten eine Vielzahl von Bedeutungen hat. Möglicherweise hat er wenig mit dem biologischen Geschlecht oder der Gender-Identität zu tun. Manchmal bedeutet es einfach: „Ich habe Angst vor dem Erwachsenwerden”:
Mittlerweile wird ein breites Spektrum an Ursachen diskutiert, die eine Rolle für die Entwicklung einer Genderdysphorie in der Pubertät spielen können.
Es gibt eine Vielzahl von bekannten Faktoren, die zu einem Gefühl der Geschlechts-Inkongruenz führen oder jemanden dazu bringen können, nach einer anderen Identität zu suchen oder sein eigenes Geschlecht abzulehnen. Diese Faktoren sind komplex, treten oft gemeinsam auf bzw. sind teilweise miteinander verbunden. Erst wenn Gender-Inkongruenz Stress oder Leidensdruck erzeugt, kann ein Behandlungsbedarf entstehen.
Eine Position des zurzeit gängigen „Gender-Affirmativen-Trends" lautet: "Es kann nichts falsch daran sein, sich mit dem anderen Geschlecht zu identifizieren". Angesichts der vielen bekannten Ursachen für Identitätsprobleme erscheint diese Sichtweise unangemessen, vereinfacht und naiv. Für Eltern von genderdysphorischen Jugendlichen stellt sich immer die Frage nach den Ursachen.
„Survey of Co-Morbid Mental Health in Detransitioned Females“ - eine Umfrage zur komorbiden psychischen Gesundheit von H. Mangelsdorf, 2016:
Viele Menschen können ihren Körper nicht so akzeptieren, wie er ist. Sie unterwerfen sich einem selbstbestimmten Körperideal oder finden irgendetwas hässlich oder defekt. Sie beschäftigen sich übermäßig mit diesem „Mangel“, der von anderen Menschen zumeist gar nicht wahrgenommen wird. Zum Spektrum der körperdysmorphen Probleme gehört die Anorexia nervosa aber auch die Genderdysphorie. Als Ursache wird häufiger formuliert:
„eine Überforderung der betroffenen Mädchen infolge des Drucks durch das soziokulturell und medial vorgegebene Schönheits- und Schlankheitsideal.“ (Korte 2019 und 2020)
"...Body Dysmorphic Disorder wurde oft mit Dysphorie falsch interpretiert, da ich ständig das Gefühl hatte, dass mein Körper "falsch" war, und zwar weniger, wenn ich keine Weiblichkeit zeigte."
"Ich verwechselte meinen Körperdysmorphismus, die durch den Druck, dünn, klein und schön zu sein, hervorgerufen wurde und durch meine Anorexie verschlimmert wurde, mit Dysphorie. Ich dachte, dass die einzige Art, wie ich glücklich werden kann, groß und stark und großspurig zu sein und viel Raum einzunehmen: männlich zu sein."
Insbesondere bei sehr sensiblen Mädchen kommt Panik auf, wenn sich das Brustwachstum nicht mehr durch die Kleidung verbergen lässt, Schamhaare sprießen und die Menstruation einsetzt.
„In fact, gender dysphoria—the official psychiatric term for feeling oneself to be of the opposite sex—belongs in the family of similarly disordered assumptions about the body, such as anorexia nervosa and body dysmorphic disorder. Its treatment should not be directed at the body as with surgery and hormones any more than one treats obesity-fearing anorexic patients with liposuction. ... The treatment should strive to correct the false, problematic nature of the assumption and to resolve the psychological conflicts provoking it. With youngsters, this is best done in family therapy”
„In fact, gender dysphoria—the official psychiatric term for feeling oneself to be of the opposite sex—belongs in the family of similarly disordered assumptions about the body, such as anorexia nervosa and body dysmorphic disorder. Its treatment should not be directed at the body as with surgery and hormones any more than one treats obesity-fearing anorexic patients with liposuction.” He went on, “The treatment should strive to correct the false, problematic nature of the assumption and to resolve the psychological conflicts provoking it. With youngsters, this is best done in family therapy”
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist eine selbst für erfahrene Fachärzte in der Praxis oft schwer zu erkennbare psychische Erkrankung.
„Typisch für sie sind Impulsivität, instabile aber intensive zwischenmenschliche Beziehungen, rasche Stimmungswechsel und ein schwankendes Selbstbild aufgrund von gestörter Selbstwahrnehmung. Hinzu kommen oft selbstschädigendes Verhalten, Gefühle innerer Leere, Dissoziationserlebnisse und Angst vor dem Verlassenwerden.
Bei dieser Persönlichkeitsstörung sind bestimmte Vorgänge in den Bereichen Gefühle, Denken und Handeln beeinträchtigt. Dies führt zu problematischen und teilweise paradox wirkenden Verhaltensweisen in sozialen Beziehungen und sich selbst gegenüber. Dadurch führt die Borderline-Störung oft zu erheblichen Belastungen und kann sowohl die Lebensqualität der Betroffenen als auch ihrer Bezugspersonen stark reduzieren.“ (wikipedia)
Einige Krankheitsbilder treten häufig gemeinsam mit der BPS auf, z. B. ADHS, Depressionen, Ess-Störungen, Substanzmissbrauch. In diesem Zusammenhang sind auch Fehl-Diagnosen „Trans*” denkbar.
"BPD...brachte mich dazu, die Transition zu verfolgen, um mich mit einem höheren Ziel zu identifizieren - einer Ideologie, die behauptete, meine Körperdysphorie / Dysmorphismus mit einer 100%igen Erfolgsrate zu lindern."
Im Vergleich zu Gleichaltrigen zeigen genderdysphorische Jugendliche häufiger parallel Auffälligkeiten, die dem Autismus-Spektrum zuzuordnen sind.
In einer finnischen Studie wurde 2015 festgestellt, dass Genderdysphorie häufig parallel oder in Verbindung mit diversen psychischen Auffälligkeiten sowie Entwicklungsschwierigkeiten vorkommt. Bei 26 % der Jugendlichen wurden Störungen aus dem Autismus-Spektrum festgestellt. Autismus bei Mädchen gilt als unterdiagnostiziert, da Mädchen eher soziale Strategien entwickeln, um ihn zu verbergen.
In Australien hat es Aufmerksamkeit erregt, dass in der größten Gender-Klinik des Landes, am Royal Children's Hospital in Melbourne, mittlerweile mit 45 % der biologisch weiblichen Teenager überdurchschnittlich viele Autismus-Merkmale in einem Screening-Test zeigen. Dies soll nun untersucht werden: Probe into trans teen autism rate, The Australian, 08.06.2020
„Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung weisen überzufällig häufig eine Genderdysphorie auf und zwar sowohl bei Mädchen als auch bei Knaben. Ein Asperger-Syndrom gilt nicht als Ausschlusskriterium für eine Behandlung von Genderdysphorie, häufig benötigen die Jugendlichen für die Entscheidung und Transition jedoch mehr Zeit als gleichaltrige Trans*Jugendliche ohne Autismus-Spektrum-Störung. In der klinischen Untersuchung sowie in der Beratung von Jugendlichen mit Autismus und Infragestellung des biologischen Geschlechts ist eine Gesprächsführung angebracht, die deren Besonderheiten berücksichtigt. Eine geringere Introspektionsfähigkeit und Schwierigkeiten in der Beschreibung innerer Vorgänge müssen nicht auf eine unklare Gender-Identität hindeuten." (D. Pauli 2017)
"Ich hatte immer das Gefühl, ein männliches Gehirn zu haben, und ich denke, es hatte viel mit meiner Unfähigkeit zu tun, mich mit anderen Frauen zu identifizieren, wegen meiner ziemlich ausgeprägten ADHS."
"Meine Entfremdung von Weiblichkeit hängt zum Teil damit zusammen, wie ADS-Merkmale mich nicht in die Lage versetzten, die geschlechtsbezogenen Erwartungen (verhaltensbezogen und ästhetisch) zu erfüllen, die andere für mich hatten."
"Mein Autismus hat mich dazu gebracht, andere Frauen als eine ganz andere Spezies zu sehen."
Es gibt Jugendliche, die zu Beginn der Pubertät lieber Kind bleiben wollen, androgyn und evtl. weiterhin verwöhnt und behütet, so wie sie es bis dato kennen. Ihre sozioemotionale und psychosexuelle Entwicklungsreife entspricht noch nicht ihrem biografischen Alter und der körperlichen Entwicklung (die im Durchschnitt immer früher beginnt, s. o.). Die Ablehnung der Veränderungen ihres Geburtsgeschlechts steht im Vordergrund, die Identifikation mit den Merkmalen des Gegengeschlechts ist eher gering.
In der Pubertät entwickeln Jugendliche manchmal psychosoziale Probleme wie Ängste, Unsicherheit, mangelndes Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl, da sie vieles hinterfragen, noch nicht einordnen können oder sich zu sehr zu Herzen nehmen. Sie haben Schwierigkeiten, ihren Platz in sozialen Gruppen zu finden und zu behaupten, teilweise leiden sie auch unter Einsamkeit oder zeigen ein gestörtes Sozialverhalten.
▸ Schwierigkeiten bei der Akzeptanz homosexueller Gefühle
Möglicherweise finden es für Jugendliche einfacher, sich als trans* zu definieren, als homosexuelle Gefühle zuzulassen oder sich als homosexuell zu outen.
„It’s much cooler to be a brave trans kid than a clichéd butch lesbian.“ O’Malley
Joseph Burgo beschreibt sehr anschaulich was mit internalisierter Homophobie gemeint ist:
Ein Problem der derzeit gängigen Behandlung ist, dass sie die genderdysphorischen Jugendlichen bereits zu Beginn ihrer Adoleszenz auf die Genderdysphorie und die Trans*-Identifikation fixiert. Nach ihrem ersten Outing, der Affirmation durch BehandlerInnen sowie der sozialen Transition folgen schnell Pubertätsblocker und schließlich gegengeschlechtliche Hormone. Da bestehen kaum Möglichkeiten, verschiedenartige sexuelle Erfahrungen zu machen. Alternative Entwicklungswege wie ein homosexuelles Coming-Out werden potentiell verhindert.
Stichwort „kulturelle Homophobie“:
„Auch die konflikthafte Homosexualität hat ihre frühere Bedeutung als wichtigste Differentialdiagnose verloren. Zum einen gibt es fließende Übergänge zwischen Homosexualität und Transsexualität (z. B. zwischen FM-TS und männlich identifizierten lesbischen Frauen, aber auch bei manchen MF-TS der Gruppe 1). Zum anderen hat die deutlich gewachsene gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber der Homosexualität offenbar dazu geführt, dass sich das Problem in der klinischen Praxis inzwischen deutlich seltener stellt, auch wenn es nach wie vor PatientInnen mit transsexuellem Wunsch gibt, die sich im Verlauf als homosexuell akzeptieren.
Die meisten PatientInnen, bei denen sich eine konflikthafte (ichdystone) Homosexualität als das zentrale Problem hinter der transsexuellen Symptomatik erweist, kommen heutzutage jedoch überwiegend aus (meist islamischen) Kulturen, in denen eine extreme (von den PatientInnen meist internalisierte) Diskriminierung der Homosexualität vorherrscht. Je rigider die Tabuisierung der Homosexualität (insbesondere der männlichen) in einer Gesellschaft ist bzw. je dichotomer und hierarchischer der Geschlechtsunterschied definiert wird, desto stärker ist die Gleichsetzung von Sexualabweichung mit Geschlechtsabweichung.“ (S. Becker 2012)
„Im Iran wird Homosexualität tabuisiert, diskriminiert und mit dem Tode bestraft, während Transsexualität »erlaubt« ist und geschlechtstransformierende Operationen in großer Zahl stattfinden – für nicht wenige homosexuelle Männer die einzige Möglichkeit, ihr Leben zu retten.“ (S. Becker, 2013)
In den letzten Jahren beobachten Eltern und Experten zunehmend das Phänomen, dass sich mehrere Jugendliche (zumeist Mädchen) einer Freundesgruppe als trans* outen und medizinische Behandlungen anstreben. Als Motor tragen vermutlich die sog. 'sozialen Medien' bei, wenn Jugendliche dort viele Stunden ihrer Freizeit mit dem Konsum von Videos verbringen. Gerade im Internet tummeln sich viele Influencer zu Themen wie Essstörungen und Transidentität.
„Auf meiner Patientenliste stehen drei Mädchen und ein Junge, alle im selben Alter und alle aus demselben kleinen bayerischen Ort - das widerspricht jeder statistischen Wahrscheinlichkeit. Dafür muss es andere Gründe geben.“ (Korte Spiegel 11/2018)
Jugendliche in der Pubertät wollen „dazu gehören“, ein möglichst hohes Ansehen innerhalb ihrer Gruppen haben, sie wollen „in“ sein. Einmal mit der Trans*-Identifikation infiziert, suchen sie sich häufig Trans*-Jugendgruppen, die es in den LGB&TQ-Jugendzentren größerer Städte gibt. Dort ergibt sich dann nach unseren Beobachtungen und Erfahrungen ein besonders hoher Gruppenzwang (peer-pressure), es findet eine Art „ideologischer Umarmung” statt. In diesen Zentren sammeln sich „Gleichgesinnte“ und Trans-Aktivisten, die Trans*-Gruppen scheinen für Außenstehende teilweise zum „Familienersatz“ zu werden. Sie vermitteln oder besorgen zudem häufig die „richtigen“ Informationen, Fachleute, Binder und manchmal sogar Hormone.
Jugendliche, die Opfer sexueller Übergriffe oder anderer Traumata geworden sind, fühlen sich möglicherweise mit dem Gedanken „als Junge wäre mir das nicht passiert“ sicherer.
„Meanwhile, fundamental questions about gender dysphoria remain unanswered. Researchers still don’t know what causes it—gender identity is generally viewed as a complicated weave of biological, psychological, and sociocultural factors. In some cases, gender dysphoria may interact with mental-health conditions such as depression and anxiety, but there’s little agreement about how or why. Trauma, particularly sexual trauma, can contribute to or exacerbate dysphoria in some patients, but again, no one yet knows exactly why.“ (J. Singal, 2018)
"Ich hatte kein Selbstbewusstsein, aber ich wusste, dass ich keine Frau sein wollte, weil Frauen schlimme Dinge passieren. Ich entwickelte in jungen Jahren nach der Vergewaltigung ein sehr männliches Selbst, und das war absolut notwendig, mich von Schmerzen zu distanzieren."
"Ich... fühle, dass meine Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch meine Fähigkeit, meine Anwesenheit in diesem Körper zu tolerieren, massiv beeinträchtigt haben."
"Posttraumatischer Stress - vergewaltigt von einem Mädchen mit 19... Brauchte alles, um mir einen Weg aus meinem Körper zu zeigen. Alles, um es nicht zu dem Körper zu machen, der von jemand anderem verletzt werden könnte."
Bereits geringfügiges „Anders-Sein“ kann bei Jugendlichen zu Selbstwertdefiziten und Ausgrenzungserfahrungen im Rahmen ihrer sozialen Zusammenhänge (insbesondere in ihrer Schulklasse) führen. Bereits Jungen mit langen Haaren oder Mädchen mit Kurzhaarschnitt werden von einigen Menschen heutzutage als „norm-abweichend“ , d. h. zu feminin oder zu maskulin wahrgenommen. Der Rahmen für rollen-non-konforme Kinder und Jugendliche scheint enger geworden zu sein.
"Es ist leicht zu erkennen, wie das passieren konnte. Wenn dir ständig gesagt wird, dass du "ein Weichei" oder "ein Wildfang" bist und du dafür gemobbt wirst."
"TWT war ein strebsamer, femininer Junge, der von den anderen Jungs angegriffen wurde. Unterbewusst entschied er, dass es einfacher wäre, wenn er nur weiblich wäre, also ging er in eine Klinik, die für ihre Zeit "fortschrittlich" war, und dort bestätigte man ihn in seinem Wunsch nach einer Angleichung. Er lebte 20 Jahre lang als Frau, fühlte sich aber nie wirklich wohl. Erst nach Jahren guter Psychotherapie erkannte er, dass es in Ordnung war, ein Mann zu sein und weibliche Eigenschaften zu haben. Leider hat er ein dauerhaft geschädigtes Hormonsystem."
Nicht immer finden Jugendliche zu Beginn der Pubertät (bzw. nach dem Wechsel in die weiterführenden Schulen) gleich ihren Platz in den neuen Klassen und ihren Peer-groups, die in dieser Zeit auch eher kritisch auf Konformität achten. Auf der Suche nach der richtigen Rolle, können sich Jugendliche mit der Trans*-Idee infizieren. Gerade die Identifikation von Jugendlichen als „anders” bringt ihnen eine erhöhte Aufmerksamkeit bzw. einen besonderen sozialen Status.
"Ich glaube, dass soziale Angst und der Wunsch, sich in die QSA (Queer-Straight Alliance) an meiner Schule einzufügen - (bestand fast ausschließlich aus nicht-binären oder FTM-Frauen) - zu meiner Entscheidung führten, mich als nicht-binär zu identifizieren."
"Wenn ich nur ein anderes Geschlecht hätte, dann wäre ich glücklich", solche realitätsfernen Überlegungen auch bekannt als "The Grass is Always Greener"-Phänomen unterliegen Jugendliche in der Pubertät vergleichsweise häufig und unbeirrbar, insbesondere wenn sie gerade sehr unter ihren pubertätsbedingten Problemen leiden.
„Die eigentliche Tragik, ich möchte schon sagen die große Katastrophe, dabei ist aber, dass die betroffenen der Illusion anhängen, über die Operation zum anderen Geschlecht ihre Identität zu finden.“ (Korte 2019)
"Meine Dysphorie hat meine Depression sicherlich genährt und umgekehrt, indem sie mich dazu brachte, mich als Trans-Mann zu identifizieren und mich über die Transition zu informieren"
"Ich fühlte, dass, weil ich depressiv war und meinem Körper entkommen wollte, diese Transition helfen würde, all meine Probleme zu lösen."
"Ich fühle mich, als ob sich die Angst durch den bösartigen Tumblr-Diskurs 2013 verschlimmert hat... mich, ein beeinflussbares Kind, fühlen ließ, als wäre ich ein schlechter Mensch, wenn ich nicht trans wäre".
▸ Elternwünsche nach einem Kind des anderen Geschlechts
Auch wenn es eher unwahrscheinlich erscheint, so gibt es möglicherweise auch solche Elternwünsche.
Sogar J. K. Rowling (Google-deutsch) versuchte 2020 sich in die Situation hineinzuversetzen, 30 Jahre später geboren worden zu sein: "Vielleicht hätte ich auch versucht zu transitionieren. Der Reiz, der Weiblichkeit zu entkommen, wäre enorm gewesen. Als Teenager hatte ich mit schwerer Zwangsstörung zu kämpfen. Hätte ich online Gemeinschaft und Sympathie gefunden, die ich in meiner unmittelbaren Umgebung nicht finden konnte, hätte man mich, glaube ich, dazu überreden können, mich in den Sohn zu verwandeln, von dem mein Vater offen gesagt hat, er hätte ihn vorgezogen.“
Lange geisterte die These durch die Medien, dass eine spezifische „HORMON-Lage in der Schwangerschaft“ ursächlich für die Entwicklung einer Gender-Dysphorie sei. Diese Theorie konnte bisher nicht belegt werden (s. auch Dt. Ärzteblatt), u. a. weil die Hormonsituation während der Schwangerschaft nur sehr selten dokumentiert wird.
Eine neuere Studie hat die Häufigkeit von Gender-Dysphorie (GD) bei Zwillingen anhand einer großen registerbasierten Population in Schweden (darunter 67x Zwillinge) aus dem Zeitraum 2001-2016 untersucht.
Interessantes Ergebnis: Während des Studienzeitraums wurden keine gleichgeschlechtlichen Zwillinge identifiziert, die beide eine GD-Diagnose hatten, also 0 %! Bei verschiedengeschlechtlichen Zwillingen war der Anteil derer, die beide eine GD entwickelten 37 %. Bei Nicht-Zwillings-Geschwisterpaaren lag er bei nur 0,16 %. Diese Ergebnisse werden dahingehend interpretiert, dass hauptsächlich gemeinsame Umwelteinflüsse während der intrauterinen Periode zur Entwicklung von GD beizutragen scheinen, d. h. dass evtl. vom Co-Zwilling produzierte Sexualhormone, die Entwicklung von GD beeinflussen könnten.
„Eine Rolle spielt aber sicherlich auch der sich zunehmend in der Medizin durchsetzende ,Machbarkeitsgedanke‘, also die Annahme, dass eine ,Geschlechtsumwandlung‘ mittels heutiger medizinischer Möglichkeiten problemlos durchgeführt werden kann und die Haltung, dass medizinisch Machbares prinzipiell umgesetzt werden sollte. Von großer Relevanz ist das Angebot neuer, allerdings umstrittener Behandlungsmethoden, insbesondere die vielfach beworbene Möglichkeit einer frühzeitigen pubertätsblockierenden und gegengeschlechtlichen Hormonbehandlung; wir haben es somit wohl auch mit dem Phänomen einer ,angebotsinduzierten Nachfragesteigerung‘ zu tun.“, A. Korte, 2019
„It became possible to conceptualise 'gender identity' as dislocated from biological sex when new medical technologies for the first time made it possible for doctors to change the bodies of those born with indeterminate genitals and to assign them to a sex. In this way, the availability of the treatment appears to have essentially created the demand.“ L. Marchiano in "The Invention of transgenerism, 2019"
„Before 2012, in fact, there was no scientific literature on girls ages 11 to 21 ever having developed gender dysphoria at all.“ A. Shrier, 2020
Es gibt viele weitere mögliche Gründe für die Ablehnung des eigenen Genders in der Pubertät, wie Selbsthass, Misogynie/Frauenfeindlichkeit, männliche Privilegien (je nach soziokulturellem Hintergrund verstärkt), etc.
Einerseits besteht in unserer Gesellschaft zunehmend die Freiheit, so zu leben, wie es den individuellen Vorstellungen entspricht. Nationale Identität, religiöse aber auch familiäre und politische Identität spielen kaum noch eine Rolle. Als Kehrseite dieser Freiheit kommt es anscheinend zu Unsicherheiten, immer mehr Jugendliche focussieren ihre Identitätssuche auf Peergroups und Gender. Die persönliche Rolle u. a. bezüglich Sexualität muss erst gefunden, gefestigt und ggf. begründet werden, da feste Normen, Konventionen und Traditionen zunehmend relativ geworden sind.
Zudem: „In einer Zeit, die Ästhetik und Schönheit zu einem entscheidenden Bewertungsmaßstab erhebt, ist es vorstellbar, dass vermeintliche oder reale Makel im Hinblick auf das Selbstverständnis als Mann bzw. als Frau dazu beitragen können, die biologisch vorgegebene Geschlechtsrolle nicht positiv zu besetzen, sondern vielmehr infrage zu stellen bzw. abzulehnen.“ (Hartmann/Becker)
Lisa Marchiano (2019) bemerkte zur „Entstehung einer modernen Hysterie" an:
"The notion of being transgender could not exist without doctors. Transgender was not a category one could imagine for oneself until medical and surgical advances created transition. Children who were unhappy with their gender were the concern of a tiny minority of specialists until a medical pathway opened up to treat them with the advent of the use of puberty blockers for gender dysphoria. The availability of the treatment appears to have essentially created the demand"
„Es erscheint unklug, von einer einzigen Ätiologie auszugehen”
Stephan B. Levine beschreibt Genderidentität und Genderdysphorie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus einer entwicklungspsychologischen Perspektive:
In einem Überblick über die wissenschaftliche Literatur „Sexuality and Gender - Erkenntnisse aus der Biologie, der Psychologie und den Sozialwissenschaften“ The New Atlantis von 2016 wurden unzählige Einzelstudien analysiert und sogar in mehrere Sprachen übersetzt. Seither ist für die breite Öffentlichkeit und für Fachleute nachvollziehbar, was wissenschaftlich belegt ist und was nicht:
„Die Hypothese, wonach die Gender-Identität eine angeborene, festgelegte Eigenschaft menschlicher Wesen ist, und zwar unabhängig vom biologischen Geschlecht – dass also ein Mensch ein 'Mann in einem Frauenkörper' oder eine 'Frau in einem Männerkörper' sein kann - wird von wissenschaftlichen Nachweisen nicht untermauert."
"Eine jüngsten Schätzung zufolge identifizieren sich etwa 0,6 % der Erwachsenen in den USA als ein Gender, das ihrem biologischen Geschlecht nicht entspricht, s Gallup. Vergleichende Studien zu den Gehirnstrukturen transsexueller und nicht transsexueller Personen haben eine schwache Korrelation zwischen Gehirnstruktur und Crossgender-Identifikation aufgezeigt. Diese Korrelationen liefern keinerlei Nachweis für eine neurologische Basis der Crossgender-Identifikation."
"Verglichen mit der Allgemeinbevölkerung sind Erwachsene, die einen geschlechtsumwandelnden Eingriff hinter sich haben, weiterhin einem erhöhten Risiko ausgesetzt, unter einer schlechten psychischen Gesundheit zu leiden. Eine Studie stellte für Individuen nach einer Geschlechtsumwandlung im Vergleich zu den Kontrollgruppen eine 5-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit eines Selbstmordversuchs und ein 19-fach erhöhtes Risiko, durch Selbstmord zu sterben, fest."
"Kinder sind ein Sonderfall, wenn es um Fragen der Transsexualität geht. Nur für eine Minderheit der Kinder, die eine Crossgender-Identifikation durchlaufen, besteht diese weiter bis zum Jugendlichen- oder Erwachsenenalter."
"Es gibt wenig wissenschaftliche Nachweise für den therapeutischen Nutzen von Eingriffen, die die Pubertät verzögern oder die sekundären Geschlechtsmerkmale von Jugendlichen modifizieren, auch wenn sich das psychische Wohlbefinden einiger Kinder möglicherweise verbessert, wenn sie zu ihrer Crossgender-Identifikation ermutigt und dabei unterstützt werden. Es gibt keinen Nachweis dafür, dass alle Kinder, die geschlechtsatypische Gedanken oder Verhaltensweisen zeigen, dazu ermuntert werden sollten, transsexuell zu werden.“
Genetische Ursachen
Immer wieder taucht die Behauptung auf, dass Transidentität/Transsexualität genetisch bedingt sei. Bis heute konnte dafür allerdings keine biologische Grundlage dazu nachweisen werden, ein Gen für eine vom biologischen Geschlecht abweichende Identifizierung wurde noch nicht gefunden.
"Die biologischen Grundlagen der Transidentität sind bislang kaum verstanden, ebenso wenig wie die der sexuellen Identität insgesamt. Weder mit Genanalysen noch mit Hirnscanner lassen sich 'echte' von 'falschen' Transjugendlichen unterscheiden.“ Letztlich komme es darauf an, wie gut die Jugendlichen die Experten von ihren Gefühlen überzeugen können. (Zeit 11/2018)
Der Mythos, dass die Genderidentität, die der Genderdysphorie zugrunde liegt, ein unveränderliches biologisches Merkmal ist, wird durch viele Beobachtungen widerlegt. Die Mehrheit der Kinder, die sich vor der Pubertät gegengeschlechtlich identifizieren, wächst ohne sozial und medizinisch zu transitionieren aus ihren Genderproblemen heraus. Etliche von Ihnen werden zu homosexuellen Erwachsenen. Sogar bei ROGD-Jugendlichen geht die Mehrzahl der Behandler davon aus, dass es biologische Ursachen gibt, obwohl diese Jugendlichen bis zur Pubertät keine Genderprobleme hatten.
In den letzten Jahren wurde die Born-that-way-These gerne und zunehmend kultiviert, weil sie für viele (Betroffene, Fachleute, zum Teil auch Eltern) vieles einfacher macht. Sie ist populär, weil sie den Weg zur medizinischen Transition ebnet, in dem sie weniger Psychotherapie, schnellere Versorgung, weniger Pathologie verspricht. Eltern müssen den Experten dann nur noch glauben, dass die Transition für ihr leidendes Kind der einzige Weg und medizinisch notwendig ist und ihn absegnen.
Am 16. August wird jährlich daran erinnert, dass 2018 Lisa Littman ihre wichtige Studie zu einem Phänomen, das sie ROGD (Rapid Onset Gender Dysphoria) nannte, veröffentlicht hat. Ihre Arbeit hat die Debatte befruchtet, das Verständnis für die Herausforderungen, mit denen die Betroffenen konfrontiert sind, bereichert sowie viele Menschen inspiriert, sich für ein Ende der Medikalisierung von Genderdysphorie einzusetzen. Mit dem ROGDAwarenessDay soll sie gewürdigt werden, auch in Anbetracht der Opfer, die sie bringen musste, um das Bewusstsein für ROGD-Kinder und ihre Eltern zu schärfen.
Die folgenden Zitate erzählen ein wenig die Geschichte von Littman's Arbeit: was sie aussagt, wie sie durchgeführt wurde, wie sie angegriffen wurde, welche Auswirkungen sie in der Welt hatte etc.
Was ist ROGD? Rapid onset gender dysphoria - oder ROGD - bezieht sich auf die plötzliche Entwicklung eines Gefühls der Distanzierung vom eigenen biologischen Geschlecht in der Adoleszenz, typischerweise nach intensiver Nutzung sozialer Medien, oft beeinflusst durch Gleichaltrige und oft ein maladaptiver Bewältigungsmechanismus für andere Probleme.
Wer ist betroffen? In der Vergangenheit betraf [Genderdysphorie] nur einen winzigen Teil der Bevölkerung (etwa 0,01 %) und fast ausschließlich Jungen. Vor 2012 gab es faktisch keine wissenschaftliche Literatur darüber, dass Mädchen im Alter von 11 bis 21 Jahren überhaupt eine Gender-Dysphorie entwickelt haben... [Jetzt] stellen die Mädchen die Mehrheit dar. Abigail Shrier, Irreversible Damage, S. xxi
Wer hat den Begriff "ROGD" geprägt? Der Begriff "ROGD" geht auf eine akademische Studie von Dr. Lisa Littman, einer Forscherin der Brown University, zurück. In ihrer detaillierten Studie untersuchte Littman die Aussagen von 356 verschiedenen Eltern, von denen jede ein jugendliches oder junges erwachsenes Kind mit Genderdysphorie hatte.
Die unmittelbare Wirkung Lisa Littman‘s Artikel war einer der am meisten diskutierten Artikel des Jahres 2018. Ihre Analyse und ihre Schlussfolgerungen wurden von einigen der weltweit angesehensten Experten für Genderdysphorie gelobt. Dutzende von Eltern schrieben ihr, um ihr dafür zu danken, dass sie dem Phänomen, das sie bei ihren Heranwachsenden beobachten, einen Namen gegeben haben. Abigail Shrier, Irreversible Damage, S. 29
Was Littman herausfand 63 % der Eltern gaben an, dass ihre Kinder andere Probleme mit der psychischen Gesundheit oder der neurologischen Entwicklung haben. 87 % von ihnen nutzten vor ihrem Trans-Outing intensiv die sozialen Medien oder hatten Freunde, die sich etwa zur gleichen Zeit als transsexuell geoutet hatten. 83 % der Kinder waren weiblich.
Die Rolle des Einflusses von Gleichaltrigen Ein Drittel der Eltern in der Studie berichtete von mehr als einer ROGD-Person in der Peer-Group ihres Kindes. Doch mehr als eine Person pro Peergruppe, die sich als Trans outet, entspricht dem 70fachen der Prävalenz in der durchschnittlichen Peergruppe. Stella O'Malley, August 2021
Die Reaktion auf Littman‘s Studie Es gab einen sofortigen Aufschrei, und Littman‘s Arbeit wurde zurückgezogen - obwohl sie einem Peer-Review unterzogen wurde. Nach 6 Monaten wurde die Studie erneut einem Peer-Review unterzogen und ohne größere Änderungen veröffentlicht. Trotz der Proteste war der Aufschrei umsonst.
Littman‘s Erklärung zur Wiederveröffentlichung Obwohl diese Arbeit in manchen Kreisen als umstritten gilt [...], freue ich mich auf die künftige Forschung zu diesem wichtigen Thema. Ein besseres Verständnis der Entwicklung von Genderdysphorie wird es uns ermöglichen, den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die davon betroffen sind, besser zu helfen. Lisa Littman, März 2019
Die Shrier-Verbindung Littman‘s Studie bildete schließlich die Grundlage für Abigail Shrier‘s Buch Irreversible Damage, das ROGD bei weiblichen Jugendlichen untersuchte. Irreversible Damage war ein sofortiger Erfolg und brachte ROGD in den öffentlichen Wortschatz.
Was die Aktivisten nicht gesagt haben In keinem der Angriffe wird anerkannt, dass der Bericht der Eltern eine Standardmethode zur Beurteilung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist. (Wie sonst sollte man die psychologische Vorgeschichte eines Kindes ermitteln, wenn nicht durch den Bericht der Eltern?)
ROGD und Komorbiditäten Littman wies nach, dass viele genderdysphorische junge Menschen in Wirklichkeit auf andere zugrundeliegende Faktoren reagieren - sei es Sexualität, Neurodivergenz oder Trauma. ROGD ist nicht einfach ein Synonym für soziale Ansteckung. Es beschreibt etwas viel Komplexeres.
Ein missverstandener Begriff Leider wird ROGD von manchen fälschlicherweise mit sozialer Ansteckung gleichgesetzt. Der Begriff ist jedoch beschreibend und bezeichnet nur ein spätes Auftreten von Symptomen, die ROGD von der Genderdysphorie in der Kindheit unterscheiden. Sasha Ayad, August 2021
ROGD und medizinische Transition Genderdysphorie verursacht echten Leidensdruck. Das Ignorieren der zugrundeliegenden Ursachen mag kurzfristig günstiger erscheinen, aber langfristig können diese Faktoren wieder auftauchen. Die lebenslange Medikalisierung ist weit davon entfernt, die Not zu lindern, und kann sich als weitere Belastung erweisen.
Was Kliniker wissen müssen Kliniker müssen die zugrundeliegenden Erkrankungen untersuchen, bevor sie die medizinische Transition fördern. Das Prinzip „die geringste Invasion zuerst" ist ein bewährter und sicherer Weg, um psychische Probleme anzugehen. Stella O'Malley, August 2021
Jahre später ... Überall auf der Welt machen sich Tausende von Eltern Sorgen, dass ihre genderdysphorischen Kinder die Ursachen ihres Leidens ignorieren. Da die Zahl der genderhinterfragenden jungen Menschen weiter steigt, erweist sich Littman‘s Beschreibung von ROGD als nützlicher denn je.
Warum wir über ROGD sprechen müssen ROGD beschreibt nicht nur meine Tochter, sondern auch die Söhne und Töchter so vieler Eltern, die ich getroffen habe. Wir wollen einfach nur richtige Hilfe. Und wie bei jedem anderen, der Hilfe braucht, besteht der erste Schritt darin, das, was vor einem liegt, beim Namen zu nennen. "Eve", eine betroffene Mutter, August 2021
Ergänzend
Dossier zu ROGD von Dr. Bettina Reiter, Psychiaterin und Psychoanalytikerin , Wien, 2024
ROGDBoys - Infos rund um die Medikalisierung von ♂ Teenagern und jungen Männern, die unter Genderidentitäts-Problemen leiden sowie die Gründe für ihre Identifizierung als Transgender
Es kann hilfreich sein, sich vor Augen zu führen, was mit einem jungen Menschen passiert, der beginnt, sich als Transgender zu identifizieren.
Erfahrungsgemäß setzt die Identifizierung als Trans* voraus, dass sowohl eine Anfälligkeit für diese Idee vorhanden ist als aber auch Indoktrination eine Rolle spielt.
In der Medizingeschichte gab es immer wieder Praktiken, die zu ihrer Zeit als medizinischer Fortschritt galten, in der Rückschau aber als „gefährliche Medizin" oder Skandal angesehen werden. Obwohl sie i. d. R. sehr invasiv, risikoreich sowie ohne strenge Evidenzbasis waren, wurden sie von Ärzten und der Öffentlichkeit begrüßt, begeistert gefeiert, einige waren sogar nobelpreiswürdig.