'Es braucht keinen Penis, um Elektrotechnik zu studieren, ...

und keine Brüste für Ballett'. Trotzdem gibt es den Trend, dass immer mehr junge Menschen ihre Körper ändern wollen. Judith Plage hinterfragt in der NZZ, welche Rolle dabei Identifikationsschablonen und Stereotype spielen. Sie vermutet, dass es sich bei den aktuellen Identifikationsschablonen um Moden und Inszenierungen handelt, die für immer mehr Menschen attraktiv „für die eigene Persönlichkeit und den gesellschaftlichen Status” geworden sind. Sie wollen ihren biologischen Körper nicht als gegebenes „Schicksal” hinnehmen. 

„Diese Identifikationsschablonen verschärfen Stereotype jedoch, statt sie aufzulösen."

Während es keine wissenschaftlichen Belege gibt, dass Geschlechtsidentität angeboren sein könnte, geht die Entwicklungspsychologie davon aus, dass Identität das Ergebnis einer individuellen Bindungs-, Beziehungs- und auch Körpergeschichte ist. 

Geschlechtsidentitäten gibt es nicht: Es braucht keinen Penis, um Elektrotechnik zu studieren und keine Brüste für Ballett, NZZ, 06.06.2024

Geschlechtsstereotype

Kinder in der Familie ohne Genderklischees erziehen - das alleine reicht nicht aus. Damit sie souverän mit Geschlechterstereotypen, -klischees und -konflikten umgehen können, ist es notwendig, dass auch Kindergarten, Schule und Medien, letztlich die gesamte Gesellschaft mitmachen. Die Pinkifizierung und Barbiesierung unseres Alltags sollte hinterfragt und vermindert werden.

quote g6e5f168f4 MediaPublishing pixabay Kinder sollten immer unkommentiert mit allem spielen können, für das sie Interesse zeigen, sie sollten ihre Sportart unabhängig von ihrem Geschlecht wählen. Als Heranwachsende sollten sie experimentieren dürfen, um einen persönlichen Stil zu finden, der ihrer Persönlichkeit und ihren Vorlieben entspricht.

Sich Gender-Normen zu widersetzen ist üblich und darf nicht mit Genderdysphorie verwechselt werden. Eine fortschrittliche Gesellschaft umfasst alle Persönlichkeiten, unabhängig davon, ob sie irgendwelchen Stereotypen entsprechen oder nicht.

Gibt es den falschen Körper? A. Schwarzer, 20.12.2023

Wie entstehen Geschlechtsstereotype und wie wirken sie sich aus? bzkj, 2020

Der Einfluss von Gender im Entwicklungsprozess von digitalen Artefakten, Becker, Herling, 2017

The Real Causes of Human Sex Differences, Geary, 2020

Der Mythos vom rosa und blauen Gehirn, Transgendertrend

No Longer Free to Be You and Me, L. S. Davis, 23.05.2022

Research evidence: Gender-atypical tots more likely to become gay or lesbian, M. Biggs, 07.08.2018

„After much thought, I believe the non-binary label signifies that someone is adverse to gender stereotypes (like most people), but doesn’t have the wherewithal to express their non-conforming traits in the face of societal constraints without a protective label. This is someone who wants to be unique and challenge gender stereotypes, but only with permission. This is often someone who lacks the maturity to confront their adulthood. In short, a non-binary person is an extremely sensitive individual with a desire to live in the protective bubble of a label that signals their unique status and their ability to live outside of gender norms without judgment.”

Non-Binary - Unique or Sensitive, PITT, 19.04.2023


No One Is Born in 'The Wrong Body'

William J. Malone, Colin M. Wright and Julia D. Robertson erläutern in Ihrem Beitrag No One Is Born in ‘The Wrong Body' die möglicherweise falsche Einschätzung und Zuordnung von 'Männlichkeit' und 'Weiblichkeit' und deren verheerende Auswirkungen auf gender-unsichere Jugendliche:

In most cases, the thing that is now called 'gender identity' likely is simply an individual’s perception of how their own sex-related and environmentally influenced personality compares to same and opposite sexed people. Put another way, it’s a self-assessment of one’s stereotypical degree of 'masculinity' or 'femininity', and it’s wrongly being conflated with biological sex. This conflation stems from a cultural failure to understand the broad distribution of personalities and preferences within sexes and the overlap between sexes.
To summarize, a lack of understanding regarding the distribution of sex-related personality and behavioral differences has led to confusion that impacts children who fall at the extreme tail-ends of the distribution, and who would be statistically more likely to grow up to be gay, lesbian or bisexual adults if allowed to experience uninterrupted puberty. Additionally, telling a child that he or she was born in the wrong body pathologizes “gender non-conforming” behavior and makes gender dysphoria less likely to resolve.
The fact is, no child is actually born in the wrong body. Adults should expand their understanding of what normal male and female behavior and preferences look like - which would lead them to appreciate that being male or female comes with a wider range of personalities preferences, and possibilities than old stereotypes would have us believe.

Gender: A wider Lens

Folge 32: Topic Stereotypes, Podcast mit Stella O'Malley und Sasha Ayad, 16.07.2021

Some LGB activists, like gender dysphoria sufferer Lauren Black, argue that we must give gender non-conforming girls broader options. She advocates for “trashing the old fashioned, regressive stereotypes” that lock people in rigid gender roles. Lauren works to get the message to young dysphoric people that there is an alternative to “altering healthy bodies with drugs and surgeries in an endless quest to become someone that, in the end, you biologically can never be.” Lauren is happily married to her long-term partner and has children. She chooses to cling to these fulfilling realities of her life, refusings to capitulate to incessant bullying to medicate her condition with hormones or treat it with surgery. Rather, she advocates for wider acceptance of masculine-presenting women and the rejection of defining human sex by gender.

The Hansel and Gretel House of Transgenderism, Spectator Australia, 20.04.2021


Viele Verhaltensweisen sind erlernt

"There is no reason to believe that women have an innate love of pink and wearing high heels and find map-reading difficult, any more than men have a natural leaning towards blue and playing football and make excellent leaders." Giffin u.a., 2019

Die nachfolgend zitierten Frauen haben einen Beruf, der bis vor kurzem als Männer-Beruf galt. Sie äußern sich erfreulich distanziert zu mittlerweile fragwürdigen Geschlechterstereotypen:

„Für mich ist es eine schöne Vorstellung, nicht in Kategorien wie Mann und Frau zu denken“, sagt die estnische Dirigentin Anu Tali, „sondern die Persönlichkeit in den Vordergrund zu rücken. Ich denke, wir leben in einer Zeit, in der jedem alle Wege offenstehen.“

„Mir selbst fällt jetzt nicht jeden Tag so auf, dass ich eine Frau bin."
Joana Mallwitz (Chefdirigentin Konzerthaus Berlin)

„Es gibt keinen logischen Grund, warum Frauen nicht dirigieren können", sagt Amerikas First Lady des Taktstocks Marin Alsop. „Der Taktstock wiegt kaum mehr als 25 Gramm, man braucht keine übermenschliche Kraft - nur eine musikalische Vision".
„Oh man, it’s a girl!“, murmelten die Männer im Orchester, als beim Meisterkurs in Tanglewood Anfang der 80er Jahre eine junge Frau im Batikhemd und Kurzhaarfrisur an das Pult ging und übernahm. Nur einer im Publikum schwieg, hatte die Augen geschlossen und hörte zu. Es war Leonard Bernstein. Nach der Probe offenbarte er ihr, er könne nicht sagen, ob da eine Frau dirigiert hatte oder nicht. Ungalant hätte Marin Alsop das finden können, doch für sie war es das größte Kompliment." (concerti, 2018)
2025 endlich darf Marin Alsop auch erstmalig bei den Berliner Philharmonikern dirigieren.

Wilde Mädchen - Am schönsten sind wir, wenn wir niemandem gefallen wollen, Fotobuch, 2018

Mark Bryan bricht mit Geschlechterklischees, SWR 2020, SZ 2020, Interviewmagazin 2021Youtube 2020, Youtube 2023, Vogue


Kulturvergleich

Unterschiedliche Sichtweisen auf das Thema Genderdysphorie können stark von der kulturellen Umgebung und der Zeitepoche abhängig sein. Einen Eindruck von der kulturvergleichenden Perspektive bzw. Denkweise vermittelt Götz Egloff in seinem Beitrag im Dt. Ärzteblatt. Sein Fazit:

„Mentalität und mediale Einflüsse dürften in der Frage der Genderdysphorie eine erhebliche Rolle spielen."

Genderdysphorie: Dynamik im Imaginären, G. Egloff, Nov. 2023