Frankreich: Bei U18 wird neu überlegt, für Erwachsene gilt Affirmation-only
In Frankreich wurde die Behandlung bei Genderinkongruenz bisher regional unterschiedlich gehandhabt. Die französische Gesundheitsbehörde HAS hat sich jetzt erstmalig in der
Transition de genre: la HAS publie les premières recommandations sur la prise en charge médicale de l’adulte, PM des HAS, 18.07.2025
Der Entwurf von Ende 2024 sah vor, dass 16- und 17-Jährige praktisch wie Erwachsene behandelt werden, d. h. einfachen Zugang zu Cross-Sex-Hormonen und Transgender-Operationen haben sollten. Die Autorität der Eltern, die sich medizinischen Eingriffen widersetzen, sollte außer Kraft gesetzt werden.
Der Verzicht auf die Veröffentlichung von Empfehlungen für Minderjährige deutet auf einen fehlenden Konsens der 128-köpfigen Kommission hin. Nun soll für die Empfehlungen für Minderjährige sogar eine neue Kommission gebildet werden. Dies wird von einigen Beobachtern als Zeichen für mehr Vorsicht interpretiert. Laut Prof. Céline Masson, Co-Präsidentin der Organisation Observatoire La Petite Sirène, mangelt es bereits in der aktuellen Praxis an Vorsicht bei Minderjährigen, die transitionieren wollen.
“Transgender services and consultations listen to minors’ requests and support them without questioning them,” told Dr. Masson
Bei den veröffentlichten 152 Empfehlungen handelt es sich um eine Charta für die bedingungslose medizinische Transition von Erwachsenen in der Primärversorgung, ein „entpathologisiertes” Behandlungsmodell für Erwachsene (Ü18), die „einen Transitionsprozess beginnen möchten”. Es soll unter anderem die derzeit regional unterschiedlichen Vorgehensweisen standardisieren.
Die Empfehlungen werden ergänzt durch eine Zusammenfassung, die sich an Allgemeinmediziner richtet und ein Merkblatt zur Umsetzung des Behandlungsplans.
“The aim is to promote the person’s autonomy in order to help them identify and make informed choices, in accordance with the principle of self-determination. It is essential to welcome the person without judgement or preconceived ideas about their gender identity and needs, in particular by using the first name and pronouns they request. Gender identity should not be the subject of a specific psychiatric assessment."
„The HAS recommends that general practitioners (le médecin généraliste) should be able to receive all requests for care and coordinate treatment through-out the process. They can monitor prescriptions and, if trained, prescribe gender-affirming hormone treatments for the first time."
“With regard to surgical care, the HAS recommends that requests for surgery from transgender people be met. It emphasises the need to provide clear, honest and appropriate preoperative information on surgical procedures, risks (short- and medium-term) and the irreversible nature of certain procedures for which a reflection period is provided, in order to enable the person to give their informed consent.”
In Frankreich werden die Kosten für die Transition von der Krankenversicherung im Rahmen der ALD (Assurance Maladie) übernommen.
Immerhin sollen Detransitionierte „auf die gleiche Weise“ unterstützt werden wie diejenigen, die eine Transition beantragen.
Die 18-25-Jährigen entscheiden vollkommen autonom
Wie alle Eltern wissen, ist die Entscheidungsfähigkeit Heranwachsender im Alter bis 25 Jahre noch nicht voll entwickelt. Parallel dazu sind junge Erwachsene eher risikobereit und haben wenig Lebenserfahrung. Sie vertrauen den ExpertInnen und nehmen praktisch jedes Angebot an, das eine schnelle Linderung ihrer Notlage verspricht, ohne lange die Vor- und Nachteile abzuwägen, die vorrangig ihre Zukunft betreffen. Vor dem Hintergrund, dass medizinische Maßnahmen oft off-label und eher schlecht erforscht sind, ist das eine brisante Situation, in der lebenswichtige Entscheidungen für das weitere Leben getroffen werden.
Die französische Elterninitiative Ypomoni ist sehr besorgt über den Mangel an Vorsicht gegenüber der Gruppe der 18-25-Jährigen, die sich transidentifizieren. Sie befürchtet, dass die medizinischen Maßnahmen im Gesundheitswesen zum Mainstream werden sollen. Die Initiative gibt zu bedenken:
„No psychological assessment is mandatory … Transgenderism may not be considered an illness, but we must also recognise that it often affects young people who are not well, who are autistic or who have neurodevelopmental disorders. Their transition should only take place in a hospital setting."
Gender reversal – France thinks twice about demand-driven transition for teenagers, B. Lane, 20.07.2025
Juristen für Kinder
Die Vereinigung Juristes pour l'enfance reagierte positiv auf die Nicht-Veröffentlichung der Empfehlungen für Minderjährige:
„La HAS semble avoir pris conscience du fait que l’administration d’hormones et la réalisation de chirurgie aux conséquences irréversibles dans le but de donner à un corps l’apparence de l’autre sexe, font l’objet de controverses médicales redoutables et que les mineurs ne sont pas en capacité de donner un consentement à des actes si graves"
Interessenkonflikte
Die Zeitung lefigaro schreibt in einem Beitrag „wie Transaktivisten die französische Behörde [HAS] infiltriert haben". Die Arbeitsgruppe, die die Empfehlungen zur Behandlung von Genderinkongruenz erarbeitet, bestehe aus Mitgliedern mit besorgniserregenden Interessenkonflikten. Schon die beiden Vorsitzenden seien finanziell abhängig, der eine als angestellter Psychologe einer transaktivistischen Vereinigung, der andere als Chirurg durch den Profit aufgrund von Trans-Operationen.
„Le reste du groupe de travail de la HAS pose au moins autant de questions. Sur la grosse vingtaine de personnes qui le composent, sept au moins ont déjà effectué une transition de genre. On compte dans le groupe six personnes qui n'ont pour seule expertise que leur activisme au sein des mouvements trans, dont la coprésidente d'OUTrans, Anaïs Perrin-Prevelle, l'ancienne journaliste Béatrice Denaes, fondatrice de Trans Santé France et auteur d'un livre en 2020 sur le récit de sa transition, les militantes Claire Vandendriessche (membre de ACCEPTESS-T, de l'Espace Santé Trans et d'OUTrans) et Louve Zimmeramann (auteur d'articles pour ACCEPTESS-T), ou encore Marie Terrouche, qui milite pour l'acceptation des transitions des enfants après avoir accompagné celle de son fils."
Kritik unerwünscht
„L'Observatoire de la Petite Sirène, un collectif de praticiens et chercheurs qui appelle à la prudence sur la transition de genre pour les adolescents, avait demandé à intégrer le groupe de travail, ce que la HAS a refusé.“
Transition de genre: comment les militants trans ont infiltré la Haute autorité de santé, lefigaro, 16.07.2025