Cass: GD-Behandlung von 17-25jährigen kommt auch auf den Prüfstand

rubber stamp 114438 geralt pixabayEs ist sehr erfreulich und bemerkenswert, dass Hilary Cass auch die 17-25jährigen in den Blick genommen hat. Sie ist überzeugt, Twens bis mind. 25 Jahre sollten nicht zu einem Wechsel des Geschlechts gedrängt werden, sondern „in aller Ruhe eine ganzheitliche, therapeutische Unterstützung" erhalten, damit sie „lebensverändernde" Entscheidungen erst treffen, wenn die Reifung des Gehirns einigermaßen abgeschlossen und das Selbstbewusstsein gefestigt ist.

Anstatt die Probleme von Jugendlichen (insbes. ♀) unangemessen und unnötig zu medikalisieren, wäre eine Verschiebung invasiver Eingriffe bis ins „reife Erwachsenenalter“ sinnvoll, um ihnen eine offene Zukunft zu ermöglichen. Gerade für biologische Mädchen besteht an sich kein Zeitdruck, wie im Cass-Review zu lesen ist:

“14.56 Transgender males masculinise well on testosterone, so there is no obvious benefit of puberty blockers in helping them to ‘pass’ in later life, particularly if the use of puberty blockers does not lead to an increase in adult Height.”

Cass-Review - Abschlussbericht

Nicht in Panik handeln

Auch wenn Dr. Cass bei einer „starken klinischen Begründung" gegengeschlechtliche Hormone nicht völlig ausschließt, empfiehlt sie mindestens das Alter von 18 Jahren abzuwarten. Dies würde auch bestimmte Optionen während dieses wichtigen Entwicklungsfensters offen halten, wie den Aufbau von Resilienz, die Behandlung von Komorbiditäten und ggf. fruchtbarkeitserhaltende Maßnahmen.

We need to somehow take down the absolute belief that if you don’t get onto puberty blockers all is lost and that they’re not falling off a cliff edge. We need to take the urgency out of it.

„It’s about getting young people into the most robust state of mental health to go through medical transition, if that is what they want. It’s important that you don’t make those decisions in a state of mental distress.”

Lebensziele erreichen

Eine der abschließenden Empfehlungen der Cass Reviews lautet:

„65. The central aim of assessment should be to help young people to thrive and achieve their life goals."

Dies ist eine relativ merkwürdige Empfehlung und könnte damit zusammen hängen, dass Gender-Inkongruenz nicht mehr als psychisches Problem bzw. Krankheit definiert ist, was die Rechtfertigung für invasive medizinische Maßnahmen, aber auch deren öffentliche bzw. versicherungsmäßige Finanzierung prinzipiell infrage stellt. 

Are 'Life Goals' Anything to Do with Health Services? Daniel H. James, 20.04.2024

Die Gender-Kliniken für Erwachsene bekommen ein eigenes Review à la Cass

Um Aussagen zur Langzeitentwicklung der wegen Genderdysphorie medikalisierten Teenager machen zu können, hatte Cass die Erwachsenen-Kliniken aufgefordert, entsprechendes Datenmaterial zu liefern. Zwischen 2009 und 2020 waren in der Gender-Klinik im Tavistock 9.000 Minderjährige behandelt worden.

Nachdem fast alle Gender-Kliniken für Erwachsene im Rahmen des Cass-Reviews - trotz vorliegender Genehmigungen der Health Research Authority - nicht bereit waren, Daten zu liefern, hat der NHS jetzt klargestellt, dass es ein eigenes externes Review nach dem Vorbild des Cass-Reviews für die Behandlung von 17-25jährigen genderdysphorischen Teens & Twens geben wird. Außerdem wird der NHS alle Gender-Erwachsenen-Dienste zur Herausgabe der Daten zwingen, darüber hinaus wurden alle Behandlungen neuer Patienten im Alter von 16-17 Jahren im Erwachsenen-Dienst ausgesetzt.

Hilary Cass sagte dem Guardian, dass die Vereitelung des Forschungsprojekts koordiniert und 'ideologisch getrieben' gewesen sei. Es stellt sich die Frage, ob die Aufzeichnungen nicht routinemäßig und systematisch gesammelt wurden oder welche anderen Ungereimtheiten es möglicherweise zu verbergen gilt.

Adult transgender clinics in England face inquiry into patient care, the guardian, 10.04.2024

Die Frage, ob in diesem Rahmen auch chirurgische Eingriffe für junge Erwachsene auf den Prüfstand kommen werden, ist noch offen. Ziel ist u. a. eine einheitliche Leistungsspezifikation mit einem hohen Standard für die Behandlung mit Cross-Sex-Hormonen zu erstellen, "die alle Menschen über 16 Jahren abdeckt".

Sajid Javid, Englands früherer Gesundheitsminister, der der unabhängigen Untersuchung im Jahr 2022 die Befugnis zum Zugriff auf medizinische Unterlagen erteilt hatte (wozu sogar - einstimmig - ein Gesetz geändert wurde), forderte jetzt eine "uneingeschränkte staatliche Untersuchung".

Victoria Atkins, derzeitige Staatssekretärin für Gesundheit, fordert von der Leiterin des NHS, dass "nichts weniger als die volle Kooperation dieser Kliniken bei der Untersuchung akzeptabel ist". Sie habe genug von "einer Kultur der Geheimhaltung und Ideologie gegenüber Beweisen und Sicherheit". Außerdem deutete sie mögliche gesetzliche Regelungen an, um die Abgabe von Pubertätsblockern durch im Ausland registrierte Privatkliniken und Online-Apotheken zu unterbinden.

Wes Streeting (Schatten-Gesundheitsminister) tobte, als er von der Verweigerung erfuhr, er sagte:

Under a Labour government there will be accountability for that - you’re not going to get away with it."

NHS bosses ordered to reveal fate of 9,000 young transgender Tavistock patients, telegraph, 10.04.2024

Auch die 17-25jährigen müssen vor nicht evidenzbasierten Praktiken geschützt werden.

Da die jungen Erwachsenen vielen ähnlichen Problemen ausgesetzt sind, wie die U18, empfiehlt Cass, dass sie bis 25 Jahren auch von den neuen regionalen "Hubs" betreut werden sollten, die jetzt für Jugendliche eingerichtet wurden und werden, anstatt sie mit 17 Jahren direkt an die Erwachsenenkliniken zu überweisen. Junge Erwachsene befänden sich bis Mitte 20 in einem Stadium der neurokognitiven und psychosexuellen Entwicklung. Niemand könne wissen, wann der Einzelne eine feste Identität erreicht habe. Ihre Frage dazu:

“When making life-changing decisions, what is the correct balance between keeping options as flexible and open as possible as you move into adulthood, and responding to how you feel right now?”

Die medizinische Transition ist für die meisten nicht der beste Weg

Hilary Cass sagte in einem Interview mit dem Chefredakteur des BMJ, Kamran Abbasi, dass die medizinische Transition für die meisten jungen Menschen nicht der beste Weg sein wird, um ihre geschlechtsspezifischen Probleme zu bewältigen."

„The guidelines that recommend puberty blockers (from the World Professional Association for Transgender Health) are not based on the systematic review of the evidence. The guidelines based on the evidence, the Swedish and the Finnish guidelines, suggest a more conservative approach, similar to our recommendations. I can’t think of another area of paediatric care where we give young people a potentially irreversible treatment and have no idea what happens to them in adulthood."

Das Hauptproblem ist, dass "Kliniker nicht mit Sicherheit bestimmen können, welche Kinder und Jugendlichen später eine dauerhafte Trans-Identität haben werden". Auch wenn Teenager heute die Kriterien einer ICD-11-Diagnose erfüllen, kann nichts über die Wahrscheinlichkeit diagnostiziert werden, dass diese auch in Zukunft bestehen werden.

16.8 A formal diagnosis of gender dysphoria is frequently cited as a prerequisite for accessing hormone treatment. However, it is not reliably predictive of whether that young person will have longstanding gender incongruence in the future, or whether medical intervention will be the best option for them. Depending on what has caused their distress or dysphoria, it may be resolved by medical treatment, but it may also be resolved in other ways.