Ein Drittel der Mädchen wünscht sich ein Junge zu sein

iStock 1217824892 - Gruppe junger MädchenDr. Gisela Gille, Gynäkologin (Lüneburg), berichtet aus den Mädchensprech-Stunden an Schulen, dass im letzten Schuljahr ca. 1/3 der Mädchen „auf die Frage nach dem Wunsch an eine gute Fee antwortet, ‚dass ich lieber ein Junge wäre'". Sie vermutet, dass das mit der medialen Präsenz des Themas zu tun hat. Dabei geht es primär um die Ablehnung des weiblichen Körpers und der weiblichen Geschlechtsrolle und nicht um die Körpermerkmale des anderen Geschlechts.

Dr. Gisela Gille hat zusammen mit Dr. Alexander Korte über Gemeinsamkeiten und Unterschiede (insbesondere hinsichtlich der Therapie) von Genderdysphorie und Anorexia nervosa bei Mädchen einen sehr interessanten Beitrag in der Zeitschrift Sexuologie veröffentlicht:

Wahlverwandtschaften? Trans-Identifizierung und Anorexia nervosa als maladaptive Lösungsversuche für Entwicklungskonflikte in der weiblichen Adoleszenz DE- EN- von Alexander Korte und Gisela Gille, Erstveröffentlichung in der Zeitschrift Sexuologie Band 30, Jahr 2023, Heft 3-4 (mit freundl. Genehmigung der Redaktion und der AutorInnen)

"Ziel und Aufgabe von Pubertät und Adoleszenz sind die Ich-Integration des sich reifungsbedingt verändernden Körpers und der Sexualität, der Aufbau intimer Beziehungen, die Entwicklung der Fruchtbarkeit und Fortpflanzungsfähigkeit, von Identität, Selbständigkeit, sozialer Kompetenz und von realistischen Zukunftsperspektiven."

Mehr Mädchen als Jungen erleben diese vielen und schwierigen Aufgaben einschließlich der Ablösung vom Elternhaus subjektiv als Überforderung und suchen Lösungen in der Identifikationsschablone Trans* in Form von ROGD (d. h. ohne Vorgeschichte in der Kindheit) oder Anorexia nervosa, um dem Erwachsenwerden und/oder den Veränderungen des Körpers auszuweichen bzw. das „verlorene Paradies der Kindheit” festzuhalten.

In der Tat fordert die Pubertät Mädchen stärker heraus, der Körper verändert sich drastischer und von alleine, die Menstruation verursacht häufig eine Fülle von Missempfindungen und Beschwerden, es gibt hormonell bedingte Stimmungsschwankungen, Hautprobleme, außerdem ist der Umgang mit der erwachenden Sexualität nicht immer einfach.

Äußere Einflüsse durch Medien, die „von außen herangetragene Sexualisierung des Körpers", manchmal aber auch ungeeignete Vorbilder oder schlechte Rahmenbedingungen gehen an vulnerablen Teenagern, die manchmal auch psychische Probleme aus der Kindheit mitschleppen, nicht spurlos vorbei.

„Die Entwicklung einer stabilen weiblichen Identität ist für Mädchen in der Adoleszenz hochkomplex, anspruchsvoll, störanfällig und von Krisen begleitet." ... „Die gestiegenen gesellschaftlichen Erwartungen wie auch medial omnipräsente Powerfrauen als Vorbild setzen andere Mädchen wiederum unter Leistungsdruck und bringen sie in Gefahr, an den enormen Herausforderungen und einem überhöhten Anspruch an sich selbst zu scheitern."

Dr. Gille und Dr. Korte diskutieren eine Reihe von Parallelen von Genderdysphorie und Magersucht nervosa. Beides sind „körperdysphorische Störung[en] mit direktem Bezug zur Sexualität", es geht um Unsicherheiten in der Körperwahrnehmung und die Projektion von psychischen Problemen auf den Körper. Außerdem:

„Bei anorektischen Ess- ebenso wie bei Geschlechtsidentitätsstörungen (Geschlechtsdysphorie) sind die Angehörigen, insbesondere die Eltern, nebst der sich häufig einstellenden massiven Schuld- und Versagensgefühle, starken Affekten von Hilflosigkeit und Ohnmacht ausgesetzt."

Trotz der vielen Gemeinsamkeiten unterscheiden sich die Therapieansätze für Magersucht und Genderdysphorie in Deutschland erheblich. Die Anorexie-Behandlung, die niemals grundsätzlich infrage gestellt wurde, ist vor allem eine Kombination diverser psychotherapeutischer Verfahren. [Auch die Eltern werden immer mit einbezogen (Anmerkung von TTSB)]. Demgegenüber besteht die Therapie von genderdysphorischen Minderjährigen standardmäßig in der Affirmation und der frühen Einleitung körperverändernder medizinischer Transitionsmaßnahmen, Psychotherapie spielt bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Diese „gender-affirmative Versorgung" ist durchaus umstritten, da die Evidenzbasis sehr gering ist und Langzeitstudien fehlen, während die Folgewirkungen sehr drastisch sind.

Der alternative genderkritische bzw. -explorative Ansatz bei Genderdysphorie zielt darauf ab,

„einen Reflexionsprozess anzustoßen, um die je unterschiedlichen Motive der Transidentifizierung auszuloten, die psycho-sozioemotionalen Begleitprobleme und Komorbiditäten zu behandeln sowie das Risiko einer Persistenz des geschlechtsdysphorischen Erlebens zu minimieren und Alternativen zur medzinischen Transition aufzuzeigen. ..."

Aus Gründen der fehlenden Evidenz haben sich mittlerweile mehrere Länder von der transaffirmativen Transitions-Behandlung abgewandt und sind vorsichtiger geworden. Da in Deutschland noch immer der transaffirmative Ansatz mit sehr frühen und drastischen körperverändernden Maßnahmen sehr verbreitet ist, haben Eltern große Schwierigkeiten, TherapeutInnen zu finden, die den ergebnisoffen explorativen Ansatz vertreten.

Wahlverwandtschaften? Trans-Identifizierung und Anorexia nervosa als maladaptive Lösungsversuche für Entwicklungskonflikte in der weiblichen Adoleszenz von Alexander Korte und Gisela Gille, Erstveröffentlichung in der Zeitschrift Sexuologie Band 30, Jahr 2023, Heft 3-4 (mit freundl. Genehmigung der Redaktion und der AutorInnen)


Gibt es Möglichkeiten, das Erwachsenwerden zu vermeiden?

Affirmation oder Exploration – eine ethische Frage


Mädchenfragen

Zu wissen, was passiert und zu verstehen, warum der eigene Körper plötzlich auf eine neue Weise ganz gesund, lebendig und weiblich zu funktionieren beginnt - dazu gibt Dr. Gisela Gille altersgerecht interessante und spannende Informationen.

Dr. Gisela Gille wurde aufgrund ihres Engagements für die Körperakzeptanz und das Körperwissen junger Mädchen auch im Rahmen von „Mädchensprechstunden in Schulen” vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Bundesverdienstkreuz.

Mädchen fragen Mädchenfragen, Gisela Gille, 2022

Mädchen fragen, Gisela Gille antwortet, Die Welt, 2019


So wird Anorexia nervosa behandelt

Mit der Zielsetzung, die Hospitalisierungszeit deutlich zu senken, wurden am Klinikum Aachen erfolgreich neue Konzepte erprobt, bei denen die Elternmitwirkung eine wichtige Rolle spielt. Prof. Dr. Beate Herpertz-Dahlmann erklärt, wie die moderne Behandlung von Anorexia nervosa heute aussieht:

„From 'shoulder to shoulder' instead of 'head to head': Innovative treatment strategies for patients with anorexia nervosa and their parents", Prof. Dr. Beate Herpertz-Dahlmann, UK RWTH Aachen Fortbildung, Vortrag am 19.10.2023 - DGKJP-Fortbildung-Virtuell


Noch immer hohe Sterblichkeit

Anorexie: Wenn selbst Profis versagen, doccheck, El-Kordi, 15.08.2022


Genderdysphorie ist ein ähnliches Problem wie Magersucht

In einem Interview sagte Markus Evans, Psychoanalytiker und Tavistock-Whistleblower, er betrachte Genderdysphorie als ein ähnliches Problem wie Magersucht. Als Therapeut würde man ein Kind nicht in seinem Glauben bestärken, dass es durch Hungern eine perfekte Version von sich selbst erschaffen könne.

„The kids who are desperate to transition have a very similar psychological makeup to this. They have a desire to control everything, including other people.”

Auf die Frage, ob der Wunsch nach Transition wahnhaft ist:

„The desire to transition comes from what I call an ‘overvalued’ belief. That’s when your entire way of thinking is orientated around one particular conviction. It doesn’t mean that you’re completely out of touch with reality. But it does mean that reality no longer really counts. What you often find is that it’s not entirely clear what this belief is based on. When a child says they’re suffering from gender dysphoria and wants to transition, you ask them: ‘What’s so awful about being a boy that you want to transition to being a girl?’ They often don’t have a good answer.”

You wouldn’t tell an anorexic child to starve themselves, Spiked, 01.05.2024