Entpathologisierung?

Adobe Stock 414589777Im Zusammenhang mit der Behandlung von genderinkongruenten bzw. genderdysphorischen Minderjährigen wird oft mit dem Begriff Entpathologisierung hantiert.

Entpathologisierung bezieht sich vor allem auf das Diagnose-Klassifikationssystem ICD11 der WHO, in dem Genderinkongruenz seit kurzem nicht mehr zu den psychischen Krankheiten gehört. Affirmative Behandler reden gar von einer Art Paradigmenwechsel.

Andererseits werden Familien nach wie vor von affirmativen ExpertInnen mit übertriebenen Suizidrisiken konfrontiert (selbst wenn aktuell gar keine Gefährdung besteht). Gleichzeitig wird ihnen standardmäßig eine Behandlung ihres Kindes vorgeschlagen, die aus einer Reihe von medizinischen Maßnahmen besteht, die eindeutig pathologisierend sind. Die medizinische Transition wird zudem oft gerne mit weiteren irreführenden Begriffen verharmlost: Top- und Bottom-OPs, Versorgung, Pausentaste, Geschlechtsangleichung, T, Expertenkonsens, Scheinkontroverse. Die invasiven körpermedizinischen Maßnahmen sollen die psychologischen Probleme lösen, sie werden durchgeführt, obwohl physisch nichts nicht in Ordnung ist. Leider erzeugen einige Maßnahmen wiederum physische Probleme, die zuvor nicht existierten. Weder Hormone noch Operationen verringern langfristig das Suizidrisiko.

Viele Eltern tun sich mit dieser Paradoxie schwer und suchen verständlicherweise nach Alternativen für ihr Kind. Anlässlich eines Briefes, der sich auf den SZ-Artikel Was geht euch mein Kind an? (v. 15.10.2023) bezieht, hat TTSB formuliert:

"Wer es als ExpertIn ernst meint mit der 'Entpathologisierung', darf Minderjährige nicht so behandeln, dass sie infertil, körperlich beeinträchtigt und lebenslang abhängig von der Medizin sind."

Link zum Brief

In einem Interview in der SZ am 01.06.2023 nennt Prof. Dr. Romer, ein energischer Verfechter der gender-affirmativen Versorgung (= med. Transition), sogar explizit das „Recht auf eine unbeeinträchtigte Gesundheit":

Wir blicken auf Kinder und Jugendliche seit jeher von einer paternalistischen Schutzethik her:
Minderjährige brauchen einen besonderen Schutz vor potenziell falschen eigenen Entscheidungen, eben weil sie noch nicht erwachsen sind. Im Falle von Transidentität ist aber noch eine andere Perspektive entscheidend, die zur Schutzidee in einem beinahe dilemmatischen Widerspruch steht: das Recht des Jugendlichen auf ungehinderte Entfaltung seiner Persönlichkeit, auf Selbstbestimmung und eine unbeeinträchtigte Gesundheit.

Wie passt das nun mit der invasiven medizinischen Transition zusammen? Betroffene werden nach der medizinischen Transition als lebenslange PatientInnen zurückgelassen, die auf Medikamente und häufig auch auf Psychotherapie angewiesen sind und oft keine Kinder bekommen können. Sie haben teilweise ihre sexuelle Funktionsfähigkeit verloren und müssen viele weitere Krankheiten fürchten. Außerdem haben sie eine um 10-25 Jahre verringerte Lebenserwartung.

TTSB-Stellungnahme zur medizinischen Transition von Minderjährigen

Die beschriebene Paradoxie scheint bei der AWMF aufgefallen zu sein, Zumindest heißt es seit Neuestem in der Ankündigung der neuen AWMF-Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter: Diagnostik und Behandlung” nun „Paradigmenwechsel im Sinne der Entstigmatisierung Betroffener”.