Hinter dem Trans*-Wunsch Jugendlicher steckt oft etwas anderes

woman g7f5f9037e JennyFriedrichs pixabay Prof. Dr. Veit Roessner ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Dresden, in der zunehmend häufig Jugendliche das Thema Geschlechtsidentität ansprechen. Er berichtet über steigende Anfragen für Gutachten bei immer jüngeren Jugendlichen, die medizinische Maßnahmen wünschen. Roessner warnt vor zu schnellem Handeln hinsichtlich der medizinischen Geschlechtsangleichungen:

„Es gibt überhaupt keine Datengrundlage, um diese Entscheidungen bei Kindern und Jugendlichen verantwortungsvoll zu treffen. Wir müssen dringend mehr in gute Forschung und Studien investieren.”

Mögliche Ursachen für die Transidentifikation bei Jugendlichen sieht Roessner vor allem in sog. Anpassungsschwierigkeiten:

„Und aus unserer Sicht steht hinter den Transgedanken häufig eine Adoleszentenkrise, eben die Frage: Wie finde ich meine Identität? Meinen Platz im Leben? Meine Rolle? Wieder Freude am und im Leben? Auf lange Sicht hat das selten mit dem Wunsch nach einem Geschlechterwechsel zu tun, auch wenn es zeitweise so scheint.”

Ernüchternd ist auch die Antwort auf die Frage, wie viele Jugendliche in der von Roessner geleiteten Klinik nach einer geschlechtsangleichenden Behandlung keine anderen psychischen Probleme mehr haben:

„Unter fünf Prozent."

Wir müssen dringend mehr in Transforschung investieren, FAS, 14.11.2022 (paywall)

Sekundärer Krankheitsgewinn?

Im neuesten Interview mit Prof. Dr. Roessner geht es vor allem um mögliche Ursachen für die steigende Zahl von Jugendlichen (insbesondere ♀), die sich in der Pubertät trans* identifizieren.

So ist die Rate der Jugendlichen, die eine Störung haben, die zum Autismusspektrum gehört, bei genderdysphorischen Jugendlichen bekanntermaßen auffällig hoch. 

Darüber hinaus gibt es eine Menge anderer Thesen, Experten sprechen beispielsweise von „sekundärem Krankheitsgewinn”, wenn Jugendliche durch ihr Verhalten wie Essstörungen, Transidentifizierung, etc. unbewusst auf mehr Aufmerksamkeit, Zuwendung, Austausch, Kontakt, Zugehörigkeit oder auch irgendwelche vermeintliche Vorteile wie Vermeidung von Vergleichen mit Gleichaltrigen, ggf. Sport- oder sogar Schulabstinenz abzielen. Oder wenn sie sich vermeintlich nur über das Thema Trans* von den Eltern abgrenzen können.

Gerade Mädchen in der Pubertät fühlen sich schnell als Außenseiterin, Cicero, 10.01.2023

BDD und GD werden unterschiedlich behandelt - Warum?

Prof. Roessner beschäftigt sich mit seinem Kollegen Kohls speziell mit dem Widerspruch zwischen der Behandlung von Körperdysmorphen Störungen (BDD) und Genderdysphorie (GD) auch aufgrund der Perspektive, dass es Überschneidungen zwischen beiden Phänomenen gibt.

Body Dysmorphic Disorder, kurz BDD, ist eine Unterform der Zwangsstörung.

"Die Patienten fühlen sich hässlich. Sie finden unschön, vielleicht sogar abstoßend, wie ihre Beine, ihre Augen, ihre Ohren oder andere Körperteile aussehen."

Roessner und Kohls diskutieren, ob es gerechtfertigt ist, dass medizinische Körpermodifikationen bei Jugendlichen mit Genderdysphorie (GD) häufig empfohlen werden, während sie bei körperdysmorphen Störungen (BDD) als kontraindiziert gelten. In beiden Fällen geht es i.d.R. um invasive und nahezu irreversible Eingriffe am physisch gesunden Körper.

Bei der körperdysmorphen Störung sagt man also: auf keinen Fall operieren, du musst mit dem subjektiv erlebten Negativen lernen umzugehen. Denn es besteht die Gefahr, dass das eigentliche Problem bestehen bleibt und weitere Operationen gewünscht werden. Bei Genderdysphorie heißt es: operieren und das Geschlecht ändern, dann wird alles gut. Das meine ich mit logischem Widerspruch.

Der derzeitige Forschungsstand lässt offensichtlich nur die Schlussfolgerung zu:

Wir kommen zu dem Schluss, dass die derzeit verfügbaren Beweise zu vorläufig und alles andere als schlüssig sind, um belastbare Empfehlungen zum Nutzen und Schaden von medizinischen Körpermodifikationen (M)BM bei Jugendlichen mit anhaltendem GD oder BDD abzugeben. 

Medical body modification in youth with gender dysphoria or body dysmorphic disorder – is current practice coherent and evidence-based? Kohls, Roessner, Journal of Child Psychology and Psychiatry, 06.11.2022

Welchen Nutzen haben Leitlinien für GD in der Praxis?

Zur Frage der FAS, inwieweit die Leitlinien für Genderdysphorie bei Kindern und Jugendlichen, die derzeit überarbeitet werden, hilfreich für die Praxis sein könnten, meint Prof. Roessner:

"Na ja, Leitlinien sollen sich ja an Evidenzen orientieren. Ich würde sagen, diese Evidenz, diese Daten fehlen uns. Ich hoffe sehr, dass die Leitlinie die großen Lücken in der Evidenz dokumentiert und nicht zu sehr die Meinung der Autoren wiedergibt."


ROGD - Rapid Onset Gender Dysphoria

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