Detransition - Zahlen

Die finnische Forscherin Riittakerttu Kaltiala konnte 2024 mit einigen KollegInnen durch eine registergestützte Follow-up-Studie ermitteln, wie sich die Detransitionsrate aller mit CSH behandelten Finnen über knapp 3 Jahrzehnte entwickelt hat. Von den 3.665 Personen, die sich zwischen 1996 und 2019 an die zentralisierten Dienste für Gender-Identität gewandt hatten, begannen 1.359 eine CSH-Behandlung, deren Gesundheitsversorgungsdaten (Diagnosen, Rezepte, Operationen) bis 2022 verfolgt wurden.

Einige Informationen zur Untersuchungs-Gruppe:

  • Knapp die Hälfte der Probanden waren unter 23 Jahre alt, insgesamt hatte etwas mehr als ein Drittel eine feminisierende und knapp 2 Drittel eine maskulinisierende Behandlung.
  • Im Laufe der Beobachtungs-Zeit stieg der Anteil der Jugendlichen (<23 Jahren) von 13,7 % bis auf 53,6 %.
  • Genital-Operationen waren bei MzF mit 46,7 % häufiger als bei FzM mit 14, 9 %. Einer Maskulinisierung der Brust hatten sich 41 % der FzM-Transitionierenden bzw. Transitionierten unterzogen.

Die Abbruchrate

Da CSH in Finnland 3-monatlich gekauft und erstattet werden, wurde der Nicht-Bezug über 1 Jahr und länger als Abbruch der Behandlung gewertet. Die Häufigkeit des Abbruchs betrug bei den 1.359 mit Cross-Sex-Hormonen (CSH) behandelten Personen im Mittel 7,9 %. Dies ist keine absolute Quote, sondern die Quote, die vor dem Ende der Datenerhebung der Studie festgestellt wurde. Sie ist sehr wahrscheinlich sogar noch etwas höher, weil Abbrüche von Personen fehlen, die die Hormon-Behandlung absetzten, bevor sie Anspruch auf eine Sondererstattung hatten (was nach i.d.R. nach 1 Jahr der Fall ist.)

Personen, die feminisierende Hormone zur Transition erhalten hatten, brachen zu 10,5 % die Hormonbehandlung ab, diejenigen, die maskulinisierende Hormone erhalten hatten, zu 6,5 %. Die psychiatrischen Behandlungskontakte unterschieden sich in ihrer Häufigkeit nicht zwischen denjenigen, die die Hormone weiter bekamen und denjenigen, die abgebrochen hatten.

Die Abbruchrate nahm im Laufe der Beobachtungszeit zu

Sie war bei der Kohorte zwischen 2013-2019 3x so hoch wie bei der Kohorte zwischen 1996-2005. In dieser Zeit stieg bekannterweise die Zahl der ♀ Geborenen, der Beginn der Hormonbehandlung startet in jüngerem Alter und die Transitionswilligen weisen mehr schwere psychiatrische Begleiterkrankungen auf als früher.

„These observations may suggest that an increasing share of GD patients actually do not present with achieved, consolidated identity [in the clinics]. In particular, medical transition early in terms of identity development may increase the risk of unbalanced treatment decisions, and this risk appears to have increased towards the present day, with detransitioning as the next step."

Den Analysen zufolge unterschied sich das Abbruchverhalten der CSH-Behandlung nicht zwischen denjenigen, die sich im Jugendalter (< 23 Jahre) erstmals an die GIS gewandt hatten, und denjenigen, die sich im Erwachsenenalter gemeldet hatten. Die ForscherInnen interpretieren das dahingehend, dass die Beurteilungen bei jüngeren Patientinnen in Finnland besonders vorsichtig und gründlich sind, während bei Personen mittleren Alters die Selbstbestimmung eine größere Rolle spielt.

Nach Genital-Operationen wurde die Hormonbehandlung eher in geringerem Umfang abgebrochen. Die ForscherInnen führten diesen Befund auf die strengen Behandlungsprotokolle zurück, die in Finnland eine psychische Stabilität als Voraussetzung für die Zulassung zu Genitaloperationen verlangen. [Möglicherweise ist aber auch den Transitionierten bewusst, dass ihr Körper nach der Genital-OP keine körpereigenen Geschlechtshormone mehr erzeugen kann.]

Vergleiche

Verglichen mit einer relativ ähnlichen Studie von Roberts (USA, Abbruchquote 30 %, s. u.) war die Abbruchquote von im Mittel 7,9 % in Finnland niedriger, was die ForscherInnen mit der umfassenden und sorgfältigen Beurteilung in Finnland vor der Hormonbehandlung erklären.

Dennoch war die Abbruchquote in Finnland um ein Mehrfaches höher als die Quote von 1-2 %, die in vielen Berichten angegeben wurden, die vor den Studien von Boyd und Roberts (2021/22) erschienen waren. Lediglich eine registerbasierte Studie, die Hall zwischen 2017-18 in Großbritannien mit 175 Personen durchgeführt hat, zeigte eine ähnliche Abbruchquote von ca. 10 %.

Um die Gründe für die Behandlungsabbrüche zu erfahren, müssten die finnischen Forscherinnen mit Befragungsstudien weiter forschen.

Methodik - Was ist eine Registerstudie in Finnland?

Jedem Einwohner Finnlands ist ab Geburt oder mit der Staatsbürgerschaft ein eindeutiger persönlicher Identitätscode zugeordnet. In umfassenden und zuverlässigen nationalen Registern sind sämtliche Daten, die dort erhoben und gespeichert werden mit diesem Identitätscode verknüpft. Die Behandlungsanbieter sind gesetzlich verpflichtet, bestimmte Informationen an die Register zu melden. ForscherInnen können für Studien Informationen aus verschiedenen Registern (auf individueller Ebene) anfordern. Die Behörden führen die Datenextraktion, Verknüpfungen und Pseudonymisierung durch, diese Daten können dann weiter ausgewertet werden.

Discontinuing hormonal gender reassignment: a nationwide register study, R. Kaltiala u. a., 19.08.2024

Detransition, Desistance, Regretting

Insgesamt gibt es nicht besonders viele Studien zum Thema Detransition, Desistance, Regretting. Vor allem fehlen Langzeitstudien. Die Ausstiegs-Raten in den neueren Studien liegen deutlich höher als in älteren Studien. Die älteren Studien beziehen sich in erster Linie auf Menschen, die in mittlerem Erwachsenenalter transitionierten und auf eine Zeit, in der i.d.R. ein strengeres psychologisches Screening notwendig war, um Hormontherapie und Operationen zu bekommen.

Selbst bei den neueren Studien sind die Zahlen nicht direkt vergleichbar, da die Studien-Designs und die Definition von Detransition relativ unterschiedlich sind. S. Jorgensen und J. Cohn haben die aktuelle Studienlage dargestellt und interpretiert:

Transition Regret and Detransition: Meanings and Uncertainties, S. Jorgensen, 02.06.2023

The Detransition Rate Is Unknown, J. Cohn, 12.06.2023

Accurate transition regret and detransition rates are unknown, SE GM, 11.09.2023

Iatrogenic Harm in Gender Medicine, S. Jorgensen, 19.06.2023

Bernard Lane fasst die Argumente von S. Jorgensen zusammen, warum die historisch niedrigen Raten des Bedauerns - die schon lange als unzuverlässig bekannt sind - wahrscheinlich nicht auf die heutige veränderte klinische Situation zutreffen. Zu diesen relativ neuen Veränderungen gehören:

  • Die explosionsartige Zunahme der atypischen Genderdysphorie bei weiblichen Teenagern
  • Das Aufkommen des weniger vorsichtigen „gender-affirmativen” Behandlungsansatzes
  • Der Widerstand gegen ein umfassendes psychologisches Screening vor der Behandlung als „pathologisierend"
  • Die Behauptung, dass psychische Störungen nicht unbedingt ein Hindernis für eine medizinisch unterstützte Transition sind
  • Zunehmende Belege dafür, dass psychische Störungen möglicherweise schon VOR einer Transition bestehen und durch eine medizinische Transition nicht verbessert werden können
  • Das Reframing medizinischer Interventionen in eine auf Kinderrechte ausgerichtete Sichtweise

Off the trans train, B. Lane, 13.06.2023

Etliche Studien betrachten nur den Zeitraum der sog. Honeymoon-Phase, also praktisch postoperativ ca. 3 Monate nach der medizinischen Intervention. Die durchschnittliche Zeitspanne für Detransition nach chirurgischen Interventionen beträgt allerdings bis zu 8 Jahre. Die Frage, was als Detransition gewertet wird, ist sehr unterschiedlich. Manche Forscher schauen beispielsweise in den Krankenhausakten nach, ob dort Reue oder Bedauern vermerkt sind. Keine entsprechende Nachricht in den Akten wird als gute Nachricht interpretiert, ist aber für eine Forschung über Detransition und Bedauern kaum angemessen. Es gibt hohe Ausfälle bei den Nachuntersuchungen, die die Stichprobenzahl verzerren. Oft sind mehr als ein Drittel der ursprünglichen Patientenkohorte nicht mehr auffindbar oder befragbar, sodass sie weder zu den Detransitionierten noch zu den weiterhin Transitionierten gezählt werden können.

Gender detransition: A critical review of the literature, Expósito-Campos, 05.05.2023 (enthält eine ausführliche Liste der Rückfallquoten von Studien, ohne deren Nachbeobachtungszeiten oder Prozentsätze)

Studie von Boyd u. a. - 2021

In einer britischen Hausarztpraxis wurden folgende Zahlen festgestellt: Bei 12,2 % der Personen, die eine Hormonbehandlung begonnen hatten, wurde Detransition oder Bedauern dokumentiert. Insgesamt brachen 20 % die Behandlungen aus unterschiedlichen Gründen ab. Im Durchschnitt waren die genderdysphorischen Personen 20 Jahre alt, sie hatten im Durchschnitt 5 Jahre lang CSH eingenommen, bevor sie die Behandlung abbrachen.

Die Forscher stellten viel höhere Raten von Behandlungsabbrüchen und Detransitionierung im Vergleich zu älteren Studien fest:

"Thus, the detransition rate found in this population is novel and questions may be raised about the phenomenon of overdiagnosis, overtreatment, or iatrogenic harm as found in other medical fields."

Care of Transgender Patients: A General Practice Quality, Boyd, I. L., u. a., 2021

Studie von Hall - 2021

Die Detransitionsrate in einer britischen Gender-Klinik für Erwachsene wurde in einer Studie von Hall u. a. mit wahrscheinlich über 10 % ermittelt.

Von den erwachsenen Patienten/-innen (ø 25 Jahre alt, davon waren die biol. ♂ im ø 36 Jahre alt, die biol. ♀ im ø 20 Jahre alt), die transitioniert hatten, detransitionierten 6,9 % innerhalb von nur 16 Monaten nach Behandlungsbeginn, 3,4 % weitere wiesen ein Versorgungsverhalten auf, das auf eine Detransition hindeutete. Zusammen ergibt es eine wahrscheinliche Detransitionsrate von über 10 %. Weitere 21,7 % der Patienten verließen die Klinik, ohne ihren Behandlungsplan abzuschließen. Auch wenn einige dieser Personen später erneut den Gender-Dienst in Anspruch nahmen, kam die Studie zu dem Schluss, dass „das Detransitionieren häufiger vorkommt als bisher berichtet." Die Detransition erfolgt im Durchschnitt 4-8 Jahre nach der Transition.

Access to care and frequency of detransition among a cohort discharged by a UK national adult gender identity clinic: retrospective case-note review, Hall, R., 2021

Studie von Roberts u. a. - 2022

Eine Sekundäranalyse der medizinischen und pharmazeutischen Aufzeichnungen des US-Militärgesundheitssystems aus den Jahren 2009 bis 2018 (Roberts u. a.) zeigt, dass 30 % der TransGender-Personen (bei Minderjährigen sind es 25 %) die Einnahme von Hormonen innerhalb von 4 Jahren abbrechen. Der Abbruch bedeutend nicht unbedingt Bedauern, könnte aber nahe dran sein. Bei den Frauen war die Wahrscheinlichkeit, die Hormonbehandlung abzubrechen, höher als bei den Männern (64 % gegenüber 81 %). 
In den Erhebungen von Vandenbussche und Littman ist die durchschnittliche Zeit bis zur Detransition bei Männern länger, so dass die Nachbeobachtungszeit von 4 Jahren bei der Studien von Roberts u. a. wahrscheinlich zu kurz ist, um die Rate bei Männern richtig zu erfassen.

"Indeed, given that regret may take up to 8-11 years to materialize (Dhejne, Öberg, Arver, & Landén, 2014; Wiepjes et al., 2018), many more detransitioners are likely to emerge in the coming years." Levine u. a., 17.03.2022

Continuation of Gender-affirming Hormones Among Transgender Adolescents and Adults, Roberts, C. M. u. a., 2022

Studie von Turban u. a. - 2021

An einer weiteren Studie durften ausschließlich Personen teilnehmen, die sich aktuell als trans* identifizierten. Davon hatten 13 % Detransitionserfahrung, sie waren für unterschiedliche Zeiträume temporär detransitioniert.

Factors Leading to “Detransition” Among Transgender and Gender Diverse People in the United States, J. Turban u. a., 2021


Detrans-Befragungen

Es gibt einige interessante Eckwerte aus 2 Befragungsstudien über junge detransitionierte Erwachsene (weltweit). (F - geborene Frauen, M - geborene Männer)

Studie von Vandenbussche - 2021

E. Vandenbussche, veröffentlicht 2021, der Erhebungszeitraum war Ende 2019, 52 % der Befragten waren aus den USA, 32 % aus Europa, 92 % waren Frauen. Das Durchschnittsalter der Befragten war 25 Jahre. Ergebnisse u. a.:

  • Beginn der sozialen Transition bei knapp 17,96 Jahren (17,42 bei F, 23,63 bei M)
  • Beginn der medizinischen Transition bei 20,70 Jahren (20,09 bei F, 26,19 bei M)
  • Beginn der Detransition bei 22,88 Jahren (22,2 bei F, 30,00 bei M)
  • Die Dauer der sozialen und medizinischen Transition betrug 4,71 Jahre (4,55 bei F, 6,37 bei M).

Studie von L. Littmann - 2021

Die Studie von L. Littman, veröffentlicht 2021, die Erhebung war von 15.12.2016-30.04.2017, 66% der Teilnehmenden waren aus den USA, 69% waren Frauen, das Durchschnittsalter bei der Befragung war 29,2 Jahre, bei den Frauen 25,8 Jahre. Ergebnisse u. a.:

  • Beginn der medizinischen Transition: 21,9 Jahre (20,0 bei F, 26,0 bei M)
  • Beginn der Detransition mit 26,4 Jahren (23,6 bei F, 32,7 bei M)
  • Die Dauer der Transitionsphase betrug 3,9 Jahre (3,2 bei F, 5,4 bei M).

Wie viele Kinder bleiben trans?

Als noch keine Pubertätsblocker und Hormone an Kinder und Jugendliche verabreicht wurden, sah die Zahl derjenigen, die trans* identifiziert blieben, ganz anders aus. Es gibt insgesamt 12 solcher Studien, die alle zu demselben Ergebnis kamen: Die Mehrheit der Kinder hört auf, sich transgender zu fühlen, wenn sie älter werden.

How many transgender kids grow up to stay trans? James. M. Cantor 30.12.2017

Do trans- kids stay trans- when they grow up? James M. Cantor, Sexology today, 11.01.2016

What’s Missing From the Conversation About Transgender Kids, J. Singal, 25.07.1016

Neuere Studien wurden unter anderen Voraussetzungen gemacht:

We already know the truth about detransitioning, Debra Soh, 10.05.2022, The Rise of Detransition, YT

Kommentierung der 16 Studien, in denen die „genderbestätigende medizinische Versorgung” thematisiert wurde, L. Sapir, 07.10.2022

UPDATE: 4 Tage nach L. Sapier's Faktencheck des Artikels J. Turban, wurde auf Psych Today eine Korrektur von Turbans Artikel „The Evidence for Trans Youth Gender-Affirming Medical Care" (11.10.2022) veröffentlicht.

Faktencheck der Korrektur-Version des Turban-Artikels, L. Sapir, 25.10.2022

Understanding the Rise of Transgender Identities, Geary, D. C. 10.02.2023


Dr. Az Hakeem

Facharzt für Psychiatrie und medizinische Psychotherapie, Gruppenanalytiker aus London sagte 2021:

"The public are often told that relative regret is extremely low. But this of course is a complete fiction. There are no follow-up studies, no one knows what the regret rate actually is and this low rate results from the lack of any information being collected. The patients I saw did not officially exist in any gender identity clinics’ books."

Interview mit Ak Hakeem, Transgendertrend, 2021

Schließlich noch das Zahlenverhältnis von FTM : MTF bei Erwachsenen (vermutlich ab 30 J.) aus Az Hakeems Buch TRANS - Exploring Gender-Identity and Gender-Dysphoria:

Just as some men believe that their lives would be better if they were female, so some women believe that they should have been born as male. Previous research has suggested that transgender is 3 times less common in biological women.”

Psychotherapy for gender identity disorders, Az Hakeem, 02.01.2018

Trans Regret is Possibly 33%, Hermes Postma (NL), 05.10.2024


Die Hoffnung auf ein besseres Leben


Detransition Numbers - How many people detransition? Why don't we know? Prisha, 26.03.2023