Jonathan Haidt: Generation Angst
Jonathan Haidt beweist in seinem neuen Buch „Generation Angst", dass Smartphones und soziale Medien eine Angst-Epidemie bei jungen Menschen verursachen und sogar letztlich die Demokratie beschädigen könnten. Seit der Generation Z (alle nach 1995 Geborenen) hätte sich die Kindererziehung stark verändert. Es gäbe einen Zusammenhang zwischen dem Aufkommen von Smartphones in Verbindung mit den sog. sozialen Medien und den deutlich gestiegenen Zahlen psychischer Erkrankungen junger Menschen. Es habe einen Übergang von einer „spielbasierten Kindheit“ zu einer „telefonbasierten Kindheit“ gegeben.
„Companies that strive to maximize 'engagement' by using psychological tricks to keep young people clicking were the worst offenders. They hooked children during vulnerable developmental stages, while their brains were rapidly rewiring in response to incoming stimulation. … By designing a firehose of addictive content that entered through kids’ eyes and ears, and by displacing physical play and in-person socializing, these companies have rewired childhood and changed human development on an almost unimaginable scale."
Die telefonorientierte Kindheit bringt Schäden mit sich, wie Schlafentzug, soziale Deprivation, Aufmerksamkeitsfragmentierung und Sucht. Haidt hat die These, dass Kinder in der letzten Zeit in der realen Welt überbehütet würden, während sie in der virtuellen Welt zu wenig geschützt seien. Das Freie Spiel und die gemeinsame Zeit mit Freunden sei durch die Isolation vor Bildschirmen und Smartphones ersetzt worden.
Haidt konzentriert sich auf 3 bestimmte Daten:
- 2007, als das iPhone auf den Markt kam,
- 2010, als die erste Frontkamera im iPhone eingeführt wurde und
- 2012, als Facebook Instagram aufkaufte.
Zwar beziehen sich die präsentierten Statistiken über den Medienkonsum und die Steigerungsraten psychischer Leiden auf die USA, aber andere Länder folgen solchen Trends erfahrungsgemäß meist nur kurze Zeit später. Auch der Fakt, dass Genderdysphorie jetzt bei vielen Jugendlichen diagnostiziert wird, die als Kinder keine Anzeichen dafür zeigten, deutet darauf hin, dass sozialer Einfluss und soziogene Übertragung eine Rolle spielen können.
When we gave children and adolescents smartphones in the early 2010s, we gave companies the ability to apply variable-ratio reinforcement schedules all day long, training them like rats during their most sensitive years of brain rewiring. Those companies developed addictive apps that sculpted some very deep pathways in our children's brains.
Jonathan Haidt schlägt aber auch 4 grundlegende Reformen vor, wie diesen beiden Fehlern (Überbehütung in der realen Welt und fehlender Schutz in der virtuellen Welt) begegnet werden könnte.
- mehr unbeaufsichtigtes Spiel und Unabhängigkeit in der Kindheit
- kein eigenes Smartphone vor dem 14 Lebensjahr
- keine Social-Media-Konten vor dem Erreichen des 16. Lebensjahres
- telefonfreie Schulen, eine Einschränkung auf den Unterricht reiche nicht aus
Haidt verweist auf andere Probleme, bei denen es gelungen ist, Reformen durchzusetzen, wie bei Alkohol am Steuer, Sicherheitsgurten oder Kindersitzen im Auto, Rauchen in Restaurants, am Arbeitsplatz oder in öffentlichen Gebäuden etc.
Haidt macht Eltern nicht für alles zuständig, sondern richtet sich auch an Politik und Gesellschaft sowie die Technologieunternehmen, die die Möglichkeit hätten, den Familien zu helfen, es aber bisher nicht tun.
Bei Alkohol gäbe es Altersgrenzen, für deren Überwachung über die Eltern hinaus auch die Verkaufsquellen zuständig sind. Microsoft, Apple und Google könnten technologische Überprüfungen, Zeitfenster und Kinderschutz-Software leicht umsetzen.
The Anxious Generation, (about the book), Jonathan Haidt, 26.03.2024
Generation Angst: Wie wir unsere Kinder an die virtuelle Welt verlieren und ihre psychische Gesundheit aufs Spiel setzen, dt., ab 18.05.2024
Saving kids from the anxiety epidemic, Rezension von Stella O'Malley, 25.03.2024
Sozialwissenschaftler Jonathan Haidt: «Um das Jahr 2012 stürzte die geistige Gesundheit junger Menschen eine Klippe hinunter», NZZ, 08.04.2024
Interview mit Jonathan Haidt, 29.03.2024
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It's time to ban social media on smartphones for children and adolescents, Karl D. Stephan, 18.04.2024





