01. Dezember 2023
Trans*-Behandlungen
Die Arrangements bei der GKV-Kostenerstattung und
die Unsicherheit der Kostenerstattung in der Zukunft
Als Eltern1, deren Kinder seit der Pubertät oder im jungen Erwachsenenalter ohne frühkindliche Vorgeschichte ihr Gender/Geschlecht infrage stellen2, gender-inkongruent sind und sich aufgrund entsprechenden Leidensdrucks (=Genderdysphorie) in der sozialen, rechtlichen oder medizinischen Transition befinden, fragen wir uns seit langem:
Warum erstatten die Krankenversicherungen eigentlich die Trans*-Behandlungen?
1. Die Arrangements bei der GKV-Kostenerstattung von Trans*-Behandlungen
Zunächst beleuchten wir die Aspekte, die bei der Erstattung von Transitions-Maßnahmen durch die Gesetzlichen Krankenkassen (GKV)*) derzeit im Vordergrund stehen:
1.1 Off-Label-Use: PB und CSH werden seit Jahrzehnten „Off-Label“ eingesetzt
1.1.1 Was bedeutet Off-Label-Use?
Pubertätsblocker (PB - GnRHa) und Cross-Sex-Hormone (CSH) zur Transition werden in Deutschland - aber anscheinend auch weltweit - von Anfang an bis heute außerhalb der Zulassung durch die zuständigen Gesundheits- bzw. Arzneimittelbehörden eingesetzt. PB und CSH sind für andere Indikationen zugelassen, aber nicht zur Unterdrückung der natürlichen Pubertät bzw. zur Angleichung des Körpers an das „Wunsch”geschlecht.
Da ►off-label, sind die Beipackzettel nicht auf andere Verwendungen ausgelegt, bei Testosteron heißt es „Darf nicht angewendet werden bei Frauen und Kindern“ (s. z. B. Beipackzettel Eligard oder Nebido). Selbstverständlich wissen auch alle gender-affirmativen Versorger, wie beispielsweise Prof. Dr. Romer, dass gegengeschlechtliche Hormone in den zur Transition verabreichten Dosen unphysiologisch sind, er sagte kürzlich: „Fakt ist: Der weibliche Körper ist für Testosteron nicht gebaut.“3
Dadurch, dass für PB und CSH nie der ON-Label-Status angestrebt wurde, haben die zuständigen Behörden zu keiner Zeit die Evidenz geprüft oder prüfen lassen, d. h. die Frage, ob der Nutzen das Risiko übertrifft.
PB blockieren bei Jugendlichen die sexuelle Entwicklung, das sexuelle Verlangen, das Wachstum einschließlich Organwachstum und die kognitiven Funktionen. PB greifen in die emotionalen, entwicklungsbezogenen und sozialen Phasen ein, die junge Menschen zum Erwachsenwerden benötigen. Etliche mittel- und langfristige Neben- und Folgewirkungen sind den BehandlerInnen nicht bekannt, nicht aufgefallen bzw. wurden noch nicht dokumentiert und können daher den Betroffenen vor der Einwilligung nicht vermittelt werden. Eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz - wie sie für die Zulassung notwendig wäre - wurde nicht durch entsprechende Studien nachgewiesen.
Dass PB und CSH noch immer off-label verwendet werden, wird vielfach als gegeben und unproblematisch angesehen bzw. nicht weiter diskutiert. Teilweise wird angeführt, dass bei Minderjährigen eine hohe Zahl an Medikamenten off-label verwendet wird. Beim Off-Label-Use der genannten Medikamente für GD geht es allerdings nicht nur um die Dosierung, die nicht im Rahmen eines Zulassungsverfahrens an Jugendlichen getestet wurde, sondern um den Einsatz in einem anderen Anwendungsfeld:
- Mit PB wird die natürliche Pubertät physisch gesunder Teenager blockiert mit Dosen, die für Erwachsene angewendet werden, die an Prostatakrebs leiden, sich freiwillig kastrieren lassen oder bei Frauen wegen Endometriose. Die zugelassene Verwendung ist i. d. R. auf 6 Monate begrenzt, wird aber bei GD über mehrere Jahre verwendet.
- Mit CSH in hohen Dosen wird versucht, gewünschte – vor allem kosmetische - Effekte in Richtung eines gegengeschlechtlichen Körpers zu erzielen und durch lebenslange Anwendung aufrechtzuerhalten.
- Neben- und Folgewirkungen sind vielfältig und gravierend, sie reichen von Sterilität (bei frühem Beginn mit GnRHa und anschließend CSH), irreversiblen Beeinträchtigungen der Genitalien und/oder der Sexualfunktion über Probleme mit der Knochendichte, schmerzhaften Atrophien, Haarausfall bis hin zu schnellem Nachwachsen von Nasenpolypen, etc. Mit der Anwendung von PB und anschließend CSH können nicht die gleichen Wirkungen erzielt werden wie durch eine natürliche biologische Pubertät. Experten sprechen auch deshalb von einem experimentellen „Blindflug”, weil gewissermaßen „Phänomene“ entstehen, die in der Natur nicht vorkommen.
Bereits früher, z. B. 20194 wurde heftige Kritik an der Off-label-Medikation laut. Aufforderungen an die Pharmaindustrie, entsprechende Studien zu machen und die Zulassung zu beantragen, wurde bisher – selbst in den USA, wo die Verdienstmargen sehr hoch sind5 - nicht entsprochen. In einer neuen Petition in den USA wurde entsprechender dringender Handlungsbedarf von Seiten der FDA angemahnt.6
1.1.2 Die Off-Label-Verwendung ist prinzipiell legal
Die Off-Label-Verwendung ist in Deutschland durch die Therapiefreiheit der Ärzte gedeckt. Die Haftung ist geregelt, es haftet der/die verschreibende MedizinerIn und letztlich auch der Hersteller, da er Kenntnis von diesen Verordnungen außerhalb der Zulassung hat und auf die Beantragung der Zulassungserweiterung verzichtet.
Allerdings soll der Off-Label-Use eigentlich ein zeitlich begrenztes Provisorium, eine Ausnahme, sein. Tatsächlich findet die Off-Label-Verwendung von PB und CSH zur Transition bereits seit über 2 Jahrzehnten statt, i. d. R. als unkontrolliertes Experiment (d. h. ohne Forschungsrahmen). Die Pharmafirmen haben offensichtlich kein Interesse, die Zulassung für die Behandlung von GD-Minderjährigen (und auch Erwachsenen) durch die entsprechenden Behörden, wie FDA oder BfArM, zu beantragen. Die erforderlichen Studien würden hohe Kosten verursachen, sie fänden in einem politisch problematischen Umfeld statt und der erforderliche Nachweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit könnte ungewiss sein. Mit dieser Strategie kommen sie offensichtlich durch.
Leider können die Hersteller anscheinend nicht zur Beantragung der Zulassung gezwungen werden, um eine höhere Sicherheit für PatientInnen zu gewährleisten. Behörden können Unternehmen nur aus bestimmten Anlässen zum Rückruf eines Produktes verpflichten.7
Die Sicherheitsproblematik bei den medizinischen Transitionen, aber auch die ethischen Bedenken wegen der überaus drastischen Folgewirkungen (z. B. Anorgasmie, Sterilität, Knochengesundheit, unphysiologischen Nebenwirkungen wie Atrophien), sind für junge Menschen deutlich schwerwiegender als für ältere. Beides wird unverständlicherweise offenbar von den ExpertInnen weitgehend ignoriert.
1.1.3 Off-Label-Use: Regelungen zur Kostenerstattung durch Krankenkassen
Die Kostenerstattung durch die GKV bezieht sich auf § 27 Abs. 1 SGB V:
"Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern“.
Die Behandlung muss sich nach § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V am medizinischen Standard orientieren. Bei der Frage, was der „medizinische Standard“ ist, könnten zunächst einmal die medizinischen Leitlinien zu Rate gezogen werden, die vorwiegend auf Expertenkonsens (niedrige Evidenz) basieren. Tatsächlich gibt es seit 2018 in Deutschland keine gültigen Leitlinien, die AWMF-Leitlinien „Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter: Diagnostik und Behandlung“ werden seither überarbeitet. Ableitungen aus den S3-Leitlinien für Erwachsene werden praktiziert, sind aber prinzipiell heikel, da Minderjährige nicht bedenkenlos als „kleine Erwachsene“ behandelt werden dürfen und zudem bestimmte Behandlungen bei Erwachsenen nicht vorkommen.
Für Erwachsene hat der MD-Bund für die GKV eine Begutachtungsrichtlinie für „Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualismus (ICD-10, F64.0)"8 definiert und eine Überarbeitung zuletzt am 31.08.2020 veröffentlicht. Dort findet sich ein kurzes Kapitel zum Off-Label-Use von gegengeschlechtlichen Hormonen (CSH), das u. a. den Satz „Die bestehenden Zulassungen können aber weit ausgelegt werden“ enthält. Ansonsten wird auf ein nicht unerhebliches Risikopotential hingewiesen, das aber unter „professioneller Betreuung“ akzeptabel sei.
Für Kinder und Jugendliche gibt es keine solche Richtlinien vom MD-B/GKV. Bei Jugendlichen geht es um PB und um die Kombination von PB und anschließenden CSH, die für Erwachsene nicht relevant sind.
Die Genderdysphorie-Behandlung mit PB und CSH erfolgt off-label und gehört damit nicht zum Regelfall, bei dem die Kassen (nach SGB V) die Kosten für Medikamente übernehmen, die zugelassen und entsprechend ihrer Zulassung verordnet werden. Es gibt beim Off-Label-Use allerdings Ausnahmen, bei denen die GKV erstattet:
1.1.3.1 AUSNAHME 1: Off-Label-Verwendung innerhalb von klinischen Studien
SGB V § 35c (2): Würde die Off-Label-Verwendung innerhalb einer klinischen Studie erfolgen, müsste die GKV die Kosten erstatten. Allerdings wurden solche Studien zu PB und CSH in Deutschland (D ist als „Studienmuffel“ bekannt9) nach unseren Recherchen (u. a. im EU Clinical Trials Register der EMA10) noch nie durchgeführt. Es bestehen zudem Zweifel, ob ordnungsgemäße klinische Studien zu Hormonen, die bei Teenagern wegen Genderdysphorie eingesetzt werden, jemals den international anerkannten, nach ethischen und wissenschaftlichen Gesichtspunkten entsprechenden Regeln der ‚Guten Klinischen Praxis‘11 überhaupt durchführbar wären.12
1.1.3.2 AUSNAHME 2: Vom G-BA-Expertengremium positiv begutachtete Off-Label-Medikation
Beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gibt es seit 2002 ständige Expertengruppen für die fachlich-wissenschaftliche Beurteilung von Wirkstoffen bzw. Arzneimitteln im Off-Label-Use. Der G-BA kann diese Expertengruppen mit der Beurteilung von Medikamenten beauftragen. Es gibt beim G-BA eine Liste (►Anlage VI: Off-Label-Use) von Arzneimitteln, die unter Beachtung der dazu gegebenen Hinweise, in ansonsten nicht zugelassenen Anwendungsgebieten (Off-Label) verordnungsfähig und damit erstattungsfähig sind (Teil A). Und es gibt in der Anlage VI eine weitere Liste von geprüften Medikamenten, die es explizit nicht sind (Teil B).
- PB und CSH für die o. g. Zwecke sind - nach unserem Verständnis - in keiner der beiden Listen aufgeführt. Der G-BA hat - nach unseren Recherchen - anscheinend noch nie die Expertengruppen mit der Begutachtung des Off-Label-Use von PB und/oder CSH (es geht um Evidenz/Angebot/Kostenerstattung) beauftragt.
1.1.3.3 AUSNAHME 3: Off-Label-Medikamente-Erstattung aufgrund von Urteilen und Gesetzen
Es gibt einzelne Gerichtsverfahren/-urteile (fast alle betreffen Erwachsene!), in denen die Kostenerstattung von Off-Label-Medikamenten überprüft wurde und aus denen bestimmte Kriterien hervorgehen.
Insbesondere wird hier stets der sog. Nikolaus-Beschluss des BVerfG (06.12.2005) zitiert. Dort wurden für die Übernahme der Kosten von Off-Label-Medikamenten durch die Krankenkasse drei Kriterien genannt:
- Gegenstand der Behandlung muss eine schwerwiegende, lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung sein.
- Eine Behandlung nach anerkanntem und medizinischem Standard nicht zur Verfügung steht.
- Es muss eine begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg bestehen.
Diese Kriterien haben 2012 Niederschlag im § 2 Abs. 1a SGB V gefunden:
„Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder in der Regel tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.“
Off-Label-Use bedeutet, dass Einwilligungen von Betroffenen und – falls minderjährig deren Eltern – schon deshalb sehr viel schwieriger und aufwändiger sind, weil weder Sicherheit (für on-label) noch Evidenz (positive Nutzen-Risiko-Bilanz) oder gar Ethik der Behandlung durch die Arzneimittel-Behörden geprüft wurde.
Die Situation der Behandlung von GD-Jugendlichen mit Medikamenten im Off-Label-Use ist in den letzten Jahren komplizierter geworden. Insbesondere die Anforderungen an die Einwilligungsfähigkeit während der genderdysphorischen Notlage steigen und werden anspruchsvoller, aber auch fragwürdiger:
- Durch die Tendenz, GD-Jugendliche immer früher medizinisch zu behandeln, zum einen, weil sie früher vorstellig werden13, zum anderen, weil sich die ExpertInnen bessere kosmetische Ergebnisse versprechen.
- Dadurch, dass die Prognosemöglichkeiten bei ROGD-Jugendlichen gegenüber Jugendlichen, die bereits lange vor der Pubertät genderdysphorisch waren, erschwert sind:
„Symptome einer GI/GD können jedoch auch erstmals nach Eintritt der Pubertät in Erscheinung treten, was deren diagnostische Einschätzung ohne eine längere Verlaufsdiagnostik schwieriger macht.“14
- PB gelten nicht mehr in allen Belangen als „vollständig reversibel“. Es werden immer mehr Schäden bekannt: verringerter IQ (Hayes, 2017; Mul u. a., 200115), verringertes männliches sexuelles Verlangen (Turner & Briken, 201916) und (in Tierstudien festgestellt) verringerte Reife und langfristige Beeinträchtigung des räumlichen Gedächtnisses (Hough u. a., 2017; 201917). In Schweden wurde dokumentiert, dass Teenager nach PB Osteopenie entwickelten.18 In einem der dokumentierten Fälle hat sich die Karolinska Universitätsklinik sogar selbst angezeigt.19
- Die Detransitionsrate steigt20 und immer mehr ExpertInnen gehen davon aus, dass die GD bei Jugendlichen ohne Anzeichen in der Kindheit nicht vorrangig angeboren ist21, sondern auch fluide (eine vorübergehende Phase) sein kann oder auf internalisierter Homophobie beruht, o. ä.22
Hinsichtlich der „Versorgung“ von GD-Jugendlichen mit Medikamenten (PB und CSH) im Off-Label-Use drängt sich die Vermutung auf, dass die Sichtweisen vieler gender-affirmativ eingestellter ExpertInnen auf bestimmte Themen nicht ganz unabhängig von deren Erstattungsfähigkeit durch die GKV ist. Aus einigen Gerichtsurteilen stammen die unter dem Begriff „Nikolaus-Beschluss“ (s. o.) bekannten Haupt-Kriterien für die Kosten-Übernahme von Off-Label-Medikamenten. Bei den 3 Haupt-Kriterien, die für die GKV eine wesentliche Rolle spielen, fällt auf:
KRITERIUM 1: Es muss eine lebensbedrohliche Erkrankung vorliegen
Um dieses Kriterium zu erfüllen, wird von VertreterInnen des „gender-affirmativen Versorgungsmodells“ regelmäßig das Suizidrisiko angeführt und häufig dramatisiert. Hierzu wird beständig eine einzige Befragungs-Studie aus den USA23 zitiert, in der eine besonders hohe Rate an Suizidversuchen bezogen auf das gesamte Leben genannt wird (für Jugendliche werden 15 % angegeben, für Erwachsene 41 %). Diese Studie trägt allerdings nichts zur Klärung bei, ob PB und CSH bei Jugendlichen das Suizidrisiko reduzieren oder ob die Suizidgefahr trotz Transition bestehen bleibt.24,25 Andere Studien, die keine Befragungsstudien sind, sondern dokumentierte Todesfälle auswerten, geben zur Suizid-Gefahr bei GD-Jugendlichen26 Entwarnung und berichten Zahlen, wie sie auch bei anderen psychischen Problemen vorkommen.27 Obwohl die nordischen Länder die medizinische Transition für Minderjährige stark zurückgefahren hat, gibt es bisher keine Berichte über einen Anstieg von Teenager-Suiziden.
Riittakerttu Kaltiala27, die finnische GD-Expertin, bezeichnet das Suizid-Narrativ als unverantwortliche „gezielte Fehlinformation“. Stephan Levine erläutert die Problematik noch genauer:
„Das Narrativ ‚Transition oder sterben‘, bei dem den Eltern gesagt wird, sie hätten nur die Wahl zwischen einer ‚lebenden Trans-Tochter oder einem toten Sohn‘ (oder umgekehrt), ist jedoch sowohl sachlich unzutreffend als auch ethisch bedenklich. Die Verbreitung solch alarmierender Botschaften schadet der Mehrheit der transidenten Jugendlichen, die nicht selbstmordgefährdet sind. Sie schadet auch der Minderheit, die gefährdet ist und die aufgrund solcher Fehlinformationen auf evidenzbasierte Maßnahmen zur Suizidprävention verzichtet, in der falschen Hoffnung, dass die Transition Selbstmord verhindern wird.“28
Für uns als Eltern liegt der Gedanke nahe, dass die unverantwortliche Übertreibung von Suizidgefahr und Selbstverletzung bei GD auch einer Art „Risiko-Kalibrierung” der Neben- und Folgewirkungen invasiver medizinischer Maßnahmen dient, nach dem Motto „Lieber ein infertiles Kind als ein totes Kind“.
„Das Dilemma, in dem verzweifelte Eltern sich vorstellen müssen, zwischen einem toten Kind und einem transitionierten Kind zu entscheiden, scheint den Fürsorgeinstinkt der Eltern und ihr Vertrauen in das Wissen/Ethik der Experten auszunutzen, um sie davon abzuhalten, jeden Aspekt der genderbestätigenden Versorgung zu hinterfragen.“29
KRITERIUM 2: Es steht ansonsten keine anerkannte Behandlung zur Verfügung
Obwohl die „Anerkennung“ der Behandlung von GD mit PB und CSH auf der Basis des Dutch Protocols (s. Kapitel 1.2.1) mittlerweile stark kritisiert und als inadäquat bzw. nicht referenzfähig für die heutigen GD-Jugendlichen angesehen wird, versteifen sich affirmative Gender-Experten auf die „Alternativlosigkeit“. Sie behaupten, andere Therapien zur Behandlung der GIK/GD seien nicht verfügbar, psychotherapeutischer Behandlungen als alleinige Interventionen wirkungslos.
„Die Entwicklung der Geschlechtsidentität ... ist aber nach heutiger Auffassung weder durch erzieherische noch durch psychotherapeutische Einflussnahme beeinflussbar.“14
Sie behaupten sogar, dass sie
„dem wissenschaftlich anerkannten Stand der Medizin nicht entspricht und daher wegen des Verstoßes gegen das Qualitätsgebot sowie das Wirtschaftlichkeitsgebot gar nicht zu Lasten der GKV erbracht werden darf.“30
Im Cass-Review (S. 57)31 wird erläutert, dass es durchaus verschiedene Wege gibt, die zur Genderdysphorie führen können, aber auch mehrere Wege zu bedenken sind, die wieder herausführen können.
Wie kann Psychotherapie für Jugendliche als wirkungslos bezeichnet werden, während gleichzeitig andere Länder, die einst Vorreiter und Befürworter der medizinischen Transition bei Jugendlichen waren, derzeit eine Praxisumkehr von PB und CSH zu Psychotherapie (Einzel- und Familiensetting), psychosozialen Interventionen sowie der Behandlung komorbider psychiatrischer Erkrankungen nach Differentialdiagnose als Primärtherapie vornehmen?32 Zudem konnte bei den bisherigen Beobachtungsstudien nie sauber getrennt werden, welche Effekte Psychotherapie hatte und welche die medizinische Transition.
Jay Cohn33 nennt ebenfalls alternative Wege aus der Genderdysphorie durch Interventionen
„nicht-invasiver, ganzheitlicher, entwicklungsorientierter Pflege und Behandlung von gleichzeitig auftretenden psychischen Erkrankungen (Ayad et al., 202234; Churcher-Clarke & Spiliadis, 201935; Evans & Evans, 202136; Evans, 202237; Parkinson, 201438; Schwartz, 202139; Withers, 202040). Es wurde auch festgestellt, dass ein einfaches Fortschreiten der Zeit, ohne jegliche Intervention, bei vielen Menschen mit Beginn in der Kindheit zu einer Auflösung der Genderdysphorie führt (Ristori & Steensma, 201641; Singh et al., 202142).“
KRITERIUM 3: Es muss eine begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg bestehen
Dieser Punkt scheint keine große Hürde darzustellen, da er im Gesetz sehr unscharf und als Prognose formuliert wurde, als "eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder „eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf". Die Frage ist, was bei Genderdysphorie darunter zu verstehen ist und ob dazu möglicherweise sogar Placebo-Effekte43 zählen können. Allerdings ist zu bedenken, dass es für ExpertInnen höchst problematisch ist, bei Jugendlichen im Einzelfall zuverlässig abzuschätzen zu können,
1.2 Evidenz
1.2.1 Das sog. Dutch Protocol als Referenz?
Die Evidenzlage für die Behandlung heutiger GD-Jugendlichen wird zunehmend kontrovers diskutiert. Während sich gender-affirmative Versorger weiterhin an WPATH und am Dutch Protocol (s. 1.2.1) orientieren, kritisieren andere ExpertInnen die Evidenzlage aufgrund mehrerer systematischen Überprüfungen als äußerst dürftig und das Schadenspotential als drastisch. Alleine mit der letztlich vagen Behauptung, die Behandlung mit PB und CSH sei wissenschaftlich und international anerkannt, kann die Erstattung der PB- und CSH-Behandlung zum aktuellen Zeitpunkt kaum mehr legitimiert werden.
Die Kliniker E. Strittmatter/M. Holtmann skizzierten 2020 die Behandlungs- bzw. Versorgungs-Situation für GD-Jugendliche - auf Deutschland bezogen - wie folgt:
„Weder national noch international besteht ein Konsens über den Beginn einer (pubertätsunterdrückenden und/oder geschlechtsangleichenden) Hormonbehandlung sowie über die zugrunde liegende ethische Auslegung der Problematik. Die Diskussion bewegt sich im Spannungsfeld zwischen dem Persönlichkeitsrecht auf geschlechtliche Selbstbestimmung der Betroffenen auf der einen Seite und der Angst vor Fehlentscheidungen der Behandelnden auf der anderen Seite. Bislang sind nur wenige prospektive Untersuchungen verfügbar. Studien mit großen Fallzahlen fehlen ebenso wie randomisiert kontrollierte Studien. Neben der fehlenden sicheren Vorhersagbarkeit erscheint es problematisch, dass unter Expertinnen und Experten keine einheitlichen Entscheidungskriterien vorhanden zu sein scheinen. Vielmehr differiert die Entscheidung, welche Behandlungsangebote geschlechtsdysphorische Jugendliche erhalten je nach aufgesuchter Spezialsprechstunde, nach subjektiver Einschätzung der Untersuchenden vom 'Passing' in der angestrebten Geschlechtsrolle und nach der Persönlichkeitsstruktur der Betroffenen, d. h., wie glaubwürdig und konsistent das innere Erleben geschildert werden kann.“45
Nach unseren aktuellen Erfahrungen ist diese Beschreibung bis heute zutreffend. Jede/r Jugendliche, der es will, bekommt im Rahmen der Gender-Affirmativen Behandlung Pubertätsblocker und landet mehr oder weniger automatisch auf dem ‚Förderband‘ der medizinischen Transition. Gerade bei Jugendlichen, die auf dem Autismus-Spektrum sind und eine GD entwickeln, gehört Hartnäckigkeit46 zu den bekannten Eigenschaften.
„Die Geschlechtsidentität ist eine subjektive Einschätzung. Es gibt keine Diagnostik wie eine Blutentnahme oder Ähnliches. Deshalb ist es sehr wichtig, den jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, uns ihre Gedanken zu ihrer Geschlechtsidentität mitzuteilen. Wenn wir das nicht infrage stellen, können die jungen Menschen eigene Unsicherheiten zulassen und ihren Weg finden. Ihre subjektive Einschätzung ist für uns maßgeblich. Dabei ist die Haltung wichtig, dass Transsexualität heute nicht mehr als Krankheit gesehen wird, wie man früher noch dachte. Sondern ein subjektives Gefühl. Für uns bedeutet das: Wir prüfen nicht, wir stellen es nicht infrage. Wir schauen nicht, ob es wirklich so ist.” (Zitat von Prof. Dr. Winter, Charité Berlin)47
Wie unsicher und umstritten die medizinische Transition zur Behandlung von gender-inkongruenten Minderjährigen unter Fachleuten weltweit ist, wird u. a. in dem Anfang 2023 veröffentlichten BMJ-Beitrag „Gender dysphoria in young people is rising - and so is professional disagreement”48 deutlich. Jennifer Block erläutert „Gleiche Fakten, abweichende Empfehlungen“ – international kann von „Einigkeit“ der Wissenschaft nicht die Rede sein.48 Auch Jay Cohn zeigt die Kontroversen in der ganzen westlichen Welt auf:
„Es herrscht große Uneinigkeit darüber, wie transidente oder genderdysphorische junge Menschen unterstützt werden sollen. Verschiedene Experten und Expertengremien geben auf der Grundlage der gleichen (begrenzten) Beweise sehr unterschiedliche Empfehlungen ab. Das aus den USA stammende "gender-affirmative" Modell betont den sozialen Übergang und medizinische Interventionen, während einige andere Länder als Reaktion auf die Überprüfung der Ergebnisse medizinischer Interventionen psychologische Interventionen als erste Behandlungslinie gewählt haben.“33,49
Der Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Dresden, Prof. Dr. Veit Roessner, hat Ende 2022 in einem Interview50 erklärt, es gäbe „überhaupt keine Datengrundlage, um die Entscheidung für eine Hormon- oder gar operative Behandlung bei Kindern und Jugendlichen verantwortungsvoll zu treffen.“
Die häufig referenzierten WPATH-Empfehlungen haben für die SOC8 keine systematische Überprüfung der Evidenzlage für die Behandlung von Jugendlichen durchgeführt:
For minors, WPATH contends that the evidence is so limited that „a systematic review regarding outcomes of treatment in adolescents is not possible.” (WPATH SOC8, S. 46)
Experten halten sehr wohl eine Überprüfung für möglich bzw. sehen Leitlinien-Empfehlungen ohne solche Überprüfung als nicht vertrauenswürdig an.48 England, Finnland und Schweden haben systematische Reviews erstellt.
Seit der weltweiten Verbreitung des Dutch Protocols war es üblich, auf die niederländischen Studien von 201251 und 201452 als „Goldstandard“ zu referenzieren. Die meisten Empfehlungen basieren noch immer auf den Protokollen und Studien des so genannten niederländischen Modells.
Als „Evidenzbeweis“ für die medizinische Transition wird i. d. R. noch immer das Dutch Protocol53 referenziert, eine körpermedizinisch orientierte invasive Behandlung (PB ab 12 Jahren, CSH ab 16 Jahren, OPs ab 18 Jahren), die vor über 25 Jahren in den Niederlanden projektiert und seither angewandt und beschrieben wurde. Die erste formale Version des niederländischen Protokolls wurde 2018 in Gestalt einer nationalen Leitlinie veröffentlicht. In diese Leitlinie flossen bereits wesentliche Abweichungen vom ursprünglichen Dutch Protocol ein: So konnten auch Jugendliche, die keine GD in der Kindheit hatten, PB und CSH bekommen, obwohl es zu diesem GD-Typ so gut wie keine Erkenntnisse gab, wie sich die GD bei medizinischer Transition, aber auch bei alternativen Behandlungen, unter Berücksichtigung von Komorbiditäten oder ohne Behandlung entwickeln würde.54 Die Altersgrenzen wurden gesenkt und durch pubertäre Reifestadien ersetzt: PB ab Tannerstadium 2 (das kann schon mit ca. 9 Jahren eintreten, vorher 12 Jahre), CSH auf 15 (vorher 16) Jahre und Mastektomie ab 16 Jahren. Außerdem wurden nicht-binäre Transitionen akzeptiert und die Übernahme der ICD-11-Diagnosenterminologie, die keine "Notlage" mehr erfordert.
Gerade die ursprünglichen beiden Studien zum Dutch-Protocol53 sind mittlerweile stark in die Kritik geraten, sie haben den früheren Ruf als „Goldstandard“ eingebüßt, sie sind aus heutiger Sicht von schlechter Qualität und methodisch sehr fehlerhaft.55,56 Michael Biggs u. a.57 kommen sogar zu dem Schluss, dass das Dutch Protocol niemals als Referenz für den Rollout dieser Behandlungsmethode hätte verwendet werden dürfen.55 Es besteht grob gesehen folgende Studienlage:
- Aus den Niederlanden gibt es nur eine Langzeit-Fall-Studie mit einem einzigen Fall.58
- Eine andere 2023 veröffentliche niederländische Studie59 bezieht sich auf relativ wenige Daten aus vorhandenen Unterlagen von PatientInnen, die im Laufe der letzten 20 Jahre und früher im Amsterdamer Uni-Klinikum wegen GD behandelt wurden. Die Studie gibt leider keine Aufschlüsse, wie es mit der heutigen psychologischen und physiologischen Gesundheit der Behandelten aussieht und wie ihre Zufriedenheit mit der Behandlung ist, da keine aktuellen Befragungen der Behandelten stattfanden.
- Bekannt ist seit 2021, dass die einzige Dutch-Protocol-Wiederholungs-Studie in England60 die positiven Ergebnisse der Niederländer nicht replizieren konnte.61 Die Not der genderdysphorischen Jugendlichen verschlechterte sich teilweise sogar, insbesondere bei biologischen Mädchen.
- Die Gender-Affirmierende-Therapie (GAT) ist zudem hinsichtlich weiterer Phänomene wie dem Placebo-Effekt43 und dem sog. sekundären Krankheitsgewinn62 schlecht bzw. gar nicht untersucht.
- Der Zusammenhang zwischen GD und Homosexualität wurde nach Einführung des Dutch Protocols in den Niederlanden kaum noch thematisiert, obwohl die niederländischen StudienautorInnen bis ca. 2006 darüber schrieben.63 Mehr oder weniger bewusst wurde und wird auch sonst offensichtlich häufig nach dem Motto „trans the gay away“ verfahren. Z. B. war auch in England64 das Thema Homosexualität seit der Einführung der Behandlung Jugendlicher mit PB und CSH eine Art Tabu bei affirmativen Versorgern.65,66
- In den Niederlanden wurden und werden GD-Jugendliche vergleichsweise intensiv psychotherapeutisch betreut. Bei den Studien zum Dutch Protocol war es nicht möglich, die Wirkungen der psychotherapeutischen Intervention von denen der körpermedizinischen (Hormone, Operation) getrennt zu beurteilen.
- Darüber hinaus werden neuere Forschungen, die die Vorteile der medizinischen Transition bei Jugendlichen untersuchten, qualitativ noch schlechter als die niederländischen Studien von 2001 und 2014 eingestuft.48 Systematische Überprüfungen, um dem niederländischen Protokoll (2018) eine wissenschaftliche Grundlage zu bieten, wurden nicht erstellt oder aus anderen Quellen herangezogen.79
Ein großes Problem ist, dass das Dutch Protocol auf die heute behandelten ROGD-Jugendlichen nicht anwendbar ist, die Zielgruppe unterscheidet sich stark von den Teilnehmenden des ursprünglichen Dutch Protocols, die GD bereits in der Kindheit hatten. Zudem wird standardmäßig in mehrfacher Hinsicht vom ursprünglichen Protokoll abgewichen, zum anderen steigt seit ca. 15 Jahren die Anzahl der Jugendlichen, die sich erst ab der Pubertät trans-identifizieren, stark an, mittlerweile sind es überwiegend biologische Mädchen (lt. Meyenburg67: bis zu 95 %).
- Viele Jugendlichen haben bereits vor der GD (oft schon ab dem Kindesalter) diverse psychische und psychiatrische Probleme (Finnland68 75 %, Norwegen69 75 %, Spanien70 80 %, allein 48 % Autismus in England35, Schweden71), so dass bei ganzheitlicher Betrachtung immer erst analysiert werden müsste, welchen Stellenwert bzw. Funktion die GD hat.
- Obwohl sich der Patientinnen-Mix (biol. Geschlecht, Alter, Zeitpunkt der Trans-Identifizierung, Komorbiditäten) geändert hat, wird in Deutschland immer noch auf das Dutch Protocol referenziert. Die Abfolge PB, CSH, Operationen gilt durch den sog. ‚individualisierten Behandlungs-Ansatz‘ als überholt. Teilweise werden auch in Deutschland schon 13/14jährige mit gegengeschlechtlichen Hormonen behandelt.72
Selbst die niederländischen ForscherInnen warnen mittlerweile davor, ihr „Protocol“ „blindlings“73 zu übernehmen.74 Anfang 2023 gab es entsprechende Kritik in der Niederländischen Presse75 und sogar von einem niederländischen Detransitionierten.76 Im Herbst 2023 kritisierten auch niederländischen Fachleute77 das Dutch Protocol:
- die schwache wissenschaftliche Grundlage, es gibt keine Langzeitstudien zur Wirksamkeit und Sicherheit von CSH, aber ein sehr ungünstiges Nebenwirkungsprofil und viele langfristig „unbekannte Unbekannte“
- die fehlende Unterscheidung von „childhood onset“-GD und „adolescent onset“ GD, mit psychischen Komorbiditäten, Medien- und Peereinfluss.
- Die Quote von 96-98 % des Übergangs von PB zu CSH (überall, nicht nur in den Niederlanden)
- Die Pubertätsblockade als möglicher „Lock-in“-Effekt der medizinischen Transition, von der mittlerweile vermutet wird, dass er Teenager auf den medizinischen Pfad festlegt und ihre normale psychosoziale und -sexuelle Entwicklung beeinträchtigt, d. h. ihre Reflexion wird eher behindert als erleichtert.
- Fehlinformationen über mögliche Auswirkungen von PB auf die Gehirnentwicklung.78
Diese Kritiker sprechen der niederländischen Leitlinie (2018), die ebenfalls als Niederländisches Protokoll bezeichnet wird, ab, dass es als „medizinisch-fachlicher Standard der Versorgung“ gelten kann. Es erfülle nicht die niederländische „Leitlinie für Leitlinien“, da die Empfehlungen nicht auf einem systematischen Review der wissenschaftlichen Literatur basiere und die Beziehung zwischen den Empfehlungen und den zugrunde liegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht ordnungsgemäß beschrieben sei.79
1.2.2 Systematische Reviews ergaben sehr schwache, nicht schlüssige, unsichere Evidenz
Während die Praktiker der genderbestätigenden Medizin behaupten, sie lindere GD, verbessere die psychische Gesundheit und rette Leben, gibt es daran durchaus berechtigte Zweifel: „Es gibt keine ausreichenden Beweise dafür, dass die Behandlung das Risiko von Selbstmord, Genderdysphorie und psychischen Problemen verringert.“80
Der „Wissenschaftliche Erkenntnisstand“ für die medizinisch unterstützte Geschlechtsangleichung von Minderjährigen scheint möglicherweise auch von den GKV umfänglich überschätzt zu werden. So erschienen in letzter Zeit in Finnland, Schweden und England systematische Überprüfungen der Evidenzlage zur medizinisch unterstützten Geschlechtsangleichung von Minderjährigen durch PB und CSH, die bei gleicher internationaler Studienlage81 zu den selben Ergebnissen kamen, die sie als ‚very low‘‚ ‚not safe‘ oder nicht schlüssig bewerteten: z. B. COHERE 202082, Ludvigsson et al, 202383; NICE, 2020a,b84, Swedish National Board of Health and Welfare 2022.85
Die schwedische Gesundheits-Behörde85 kam 2022 aufgrund ihrer systematischen Überprüfung zu dem Schluss:
"(...) die Risiken einer pubertätsunterdrückenden Behandlung mit GnRH-Analoga und geschlechtsbestätigenden Hormonen überwiegen derzeit nicht den potenziellen Nutzen, so dass diese Behandlungen nur in Ausnahmefällen angeboten werden sollten. Dieses Urteil beruht im Wesentlichen auf 3 Faktoren: dem anhaltenden Mangel an zuverlässigen wissenschaftlichen Beweisen für die Wirksamkeit und Sicherheit beider Behandlungen, den neuen Erkenntnissen, dass Detransition bei jungen Erwachsenen auftritt, und der Unsicherheit, die sich aus der noch ungeklärten Zunahme der Zahl derjenigen ergibt, die eine Behandlung in Anspruch nehmen, wobei diese Zunahme bei Jugendlichen, die bei der Geburt als Frauen registriert wurden, besonders hoch ist."
Zu den systematischen Reviews erklärte Prof. Dr. Gordon Guyatt, der die Qualitätskriterien für die Evidenzbasierte Medizin (EBM) maßgeblich mitentwickelt hat:
„Wenn alle systematischen Übersichten zu demselben Ergebnis kommen, erhöht das eindeutig unser Vertrauen in diese Schlussfolgerungen".
Gerade die fortschrittlichen und durchaus LGBT*-freundlichen europäische Länder wie Finnland86, Schweden87, England31,84,88 Frankreich89, inzwischen auch Norwegen90,91 und Dänemark92 bezeichnen die pädiatrische Trans-Behandlung mittlerweile als experimentell, ineffektiv und schädlich, kehren von den WPATH SoC ab und agieren vorsichtiger, indem sie Behandlungsstrategien ändern, die zur Praxisumkehr führt.93,94 Teilweise gibt es Empfehlungen, die medizinischen Maßnahmen mangels Evidenz als „Behandlungen in der Erprobung“ oder nur noch im Rahmen von Forschungsprogrammen vorsehen oder sie für ROGD-Minderjährige ganz aussetzen. Länder, die PB und CSH nur noch selten einsetzen, empfehlen als Primärtherapie jetzt Psychotherapie und psychosoziale Unterstützung, d. h. Alternativen, von denen in Deutschland behauptet wird, dass sie bei Genderdysphorie wirkungslos seien.
Mittlerweile bekommen in Finnland nur noch 20 % der Überwiesenen die Indikation für eine medizinische Transition (und zwar nur Jugendliche, die bereits in der Kindheit genderdysphorisch waren), während es früher mind. 50 % waren95. In Dänemark wurden schon 2022 nur noch 6 % der überwiesenen Jugendlichen von der zentralen Gender-Klinik medizinisch transitioniert, während es bis 2018 ca. 65 % waren96. Allein die Tatsache, dass neuerdings einige Länder weitgehend ohne die invasiven medizinischen Maßnahmen bei KiJu auskommen, stellt die medizinische Transition als Primärbehandlung generell infrage.
Selbst in den USA gibt es mindestens 16 Bundesstaaten, die PB sogar gesetzlich verbieten97, in Australien und Neuseeland wird vor der Anwendung von PB mittlerweile immer mehr gewarnt.96
Problematisch ist auch, dass die prekäre Evidenzlage kurz- und mittelfristig nicht zu beheben sein wird. Zum einen scheint es kaum möglich RCD-Studien zu machen. Zum anderen ist zweifelhaft, ob generell klinische Studien zu PB und CSH bei Teenagern angesichts der ernsten Risiken, der Unbekannten und des zweifelhaften Nutzens nicht bereits an der Begutachtung der obligatorischen Ethikkommissionen scheitern würden.12
Wie kann es sein, dass die aktuellen systematischen Überprüfungen der Evidenzlage anderer Länder und deren Ergebnisse und Schlussfolgerungen in Deutschland kaum Beachtung finden? Obwohl die neueren systematischen Reviews international breit diskutiert werden, halten viele ExpertInnen hierzulande auffallend lange an der Behauptung fest, die sog. gender-affirmative Versorgung sei wissenschaftlich bewiesen und es gäbe keine Debatte darüber.98 Ihre Rechtfertigung beruht auf diversen Annahmen93, die oft vermeintlich als bewiesene Fakten dargestellt werden, wie:
- Das Entstehen einer Trans-Identität ist das Ergebnis einer höheren Stufe des Selbstbewusstseins.
- Egal, ob die Trans-Identität bei Kleinkindern, älteren Kindern, Teenagern oder reifen Erwachsenen entsteht, sie ist authentisch und besteht lebenslang.
- Alle Varianten der Genderidentität sind biologisch bedingt, d. h. angeboren.
- Die häufig auftretenden psychiatrischen Symptome sind eine direkte Folge der Gender-Inkongruenz (sog. "Minority Distress"-Modell).
- Die einzige Möglichkeit, psychiatrische Probleme zu lindern oder zu verhindern, besteht darin, den als „falsch empfundenen“ Körper schon zu Beginn der Pubertät körpermedizinisch zu „behandeln“.
- Psychologische Bewertungen und Versuche, psychiatrische Komorbiditäten zu behandeln, sollten nur zur Unterstützung der Transition eingesetzt werden.
- Versuche, Genderdysphorie mit Psychotherapie zu lösen, sind unwirksam oder sogar schädlich.
- Genderdysphorische Jugendliche müssen in Bezug auf ihre Genderidentität und ihr gewünschtes körperliches Erscheinungsbild uneingeschränkte soziale, hormonelle und chirurgische Unterstützung
- Alle individuellen Ziele der körperlichen Angleichung an die geschlechtliche Identität, auch die, die in der Natur nicht vorkommen, müssen in vollem Umfang erfüllt werden, soweit dies medizintechnisch möglich ist.
- Die Wissenschaft hat die Vorteile einer frühzeitigen Geschlechtsangleichung bewiesen, und die niedrige Reue- und Ablösungsrate bestätigt diese Praxis zusätzlich.
Im Gegensatz zu den oben genannten Ländern (S, F, GB, NO) ist die Evidenzlage, d. h. Nutzen und Schaden von medizinischen Maßnahmen bei GD-Behandlungen in Deutschland nie von einem unabhängigen Gremium wie z. B. dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) überprüft worden. Ein im Februar 2023 vom IQWiG angekündigtes Projekt zu Erwachsenen „Geschlechtsinkongruenz: Welche gesundheitlichen Folgen haben operative geschlechtsangleichende Verfahren für Betroffene?”99 wurde kürzlich sogar gecancelt.
Überdies schwelen wesentliche Auseinandersetzungen zwischen den ExpertInnen, die Leitlinien zur Behandlung von GD bei Erwachsenen erstellt haben und den GKV über den sog. wissenschaftlichen Erkenntnisstand. So wurden beispielsweise die Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes8 von der AWMF-S3-Leitlinienkommission scharf kritisiert100, nachdem die VerfasserInnen der GKV-Richtlinie (für Erwachsene!) berücksichtigt sehen wollten „dass die in der S3-Leitlinie 2018 zusammengetragenen wissenschaftlichen Belege in qualitativer Hinsicht auf niedrigem Evidenzniveau beruhen“ und für bestimmte Leistungen weiterhin Alltagserprobung, begleitende bzw. vorausgehende Psychotherapie sowie die Diagnose F64.0 (Transsexualität), etc. verlangen.
Besonders gravierend sind sowohl die Einschränkung von Sexualfunktionen als auch die erheblich (um 10-20 Jahre101) verringerte Lebenserwartung Transitionierter, die unbedingt im Rahmen der Nutzen-Risiko-Bilanzierung einbezogen werden müssen bzw. die Vertretbarkeit der medizinischen Transition infrage stellen. Medizinische Transition führt oft zur Sterilität, insbesondere bei frühem Beginn,
"verhindert die GnRHa-Therapie die Reifung der primären Oozyten und Spermatogonien und kann die Reifung der Gametenzellen präkludieren, und derzeit gibt es keine bewährten Methoden zur Erhaltung der Fruchtbarkeit bei frühpubertären Transgender-Jugendlichen.“102
1.2.3 Starker Anstieg bei Teens (insbes. ♀), die ihr Geschlecht/Gender infrage stellen
Vor der Jahrtausendwende waren die meisten Personen, die sich einer medizinischen Transition unterzogen, im mittleren Erwachsenenalter und in hohem Anteil männlich. Die Zahl der genderdysphorischen Jugendlichen ist in den letzten 10-12 Jahren explodiert103, zu einem sehr hohen Anteil sind es Mädchen, ohne dass es dafür plausible Erklärungen gäbe. In England stieg sie innerhalb von nur 10 Jahren um 2.800 % insgesamt und bei biologischen Mädchen noch deutlich höher, nämlich um 4.700 %104. Besonders der sehr hohe Mädchen-Anteil stimmt bedenklich und ist erklärungsbedürftig. Jugendpsychiater Bernd Meyenburg aus Frankfurt berichtete 2022 im Spiegel67 sogar, dass auf 1 Jungen mittlerweile bis zu 20 Mädchen kämen, die sich eine Behandlung wünschten.
In Deutschland besteht der Missstand, dass keine Zahlen erhoben werden105, wie viele junge Menschen PB oder CSH anwenden und unklar ist, wie viele der Trans-OPs bei Minderjährigen106 durchgeführt werden.
Die heutige extrem einseitige Sex-Ratio weist auf Besonderheiten des Phänomens hin, die bisher weder erklärt noch erforscht werden konnten. Die ausgeprägte Betroffenheit junger Mädchen stellt sowohl die „Born-that-way“-Hypothese als auch das sog. „Befreiungs-Narrativ“ sowie die medizinische Behandlung selbst infrage.
1.3 Warum zahlen die GKV bisher für PB und CSH?
Diese Frage konnte durch unsere Recherchen in Bezug auf Minderjährige nur sehr unzureichend beantwortet werden, es war nicht möglich eine schriftliche Quelle aus dem Bereich der „Selbstverwaltung des Gesundheitswesens“ einschließlich GKV oder BMG zu finden. Es ist davon auszugehen, dass für die PB- und CSH-Behandlung genderdysphorischer KiJu noch nie definiert wurde, was im Einzelnen unter einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Gesundheitsversorgung - wie im SGB V § 12 beschrieben - zu verstehen ist, wie es normalerweise eine Voraussetzung für die Erstattung durch die GKV darstellt.107
Offensichtlich zahlen die Krankenkassen von Anfang an, d. h. seit mit PB und CSH bei genderdysphorischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen (unkontrolliert) experimentiert wird – i. d. R. sogar ohne, dass vor Behandlungsbeginn ein Kostenerstattungsantrag gestellt werden muss. Entsprechend werden in einem gerade erschienenen, von Beratungs-Fachkräften verfassten ‚Ratgeber für Eltern, Jugendliche und Fachkräfte‘ auch entsprechende „Tipps“ zur Kostenerstattung durch die GKV108,109 „unter dem Radar“ gegeben.
Die GKV erstatten bis heute, weil sie seit dem Start der ehemals „innovativen Behandlung“ vor 15-20 Jahren immer gezahlt haben und es zu Beginn der 2.000er Jahre nur sehr wenige Einzelfälle dieser Art der Behandlung gab. Gleichzeitig gab es noch so gut wie keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Die Raten von GD bei Jugendlichen liegt erst durch den enormen Anstieg seit einigen Jahren außerhalb der Definition von „seltenen Krankheiten“110. Auch scheuen die GKV vermutlich gerichtliche Auseinandersetzungen bei Nicht-Erstattung, weil sie nicht sicher sein können, wie die Verfahren ausgehen.
2. Die Unsicherheiten bei der Kostenerstattung durch die GKV nehmen zu
Wie der Ruf nach expliziter gesetzlicher Regelung aus verschiedenen Richtungen zeigt, ist die Erstattung von PB und CSH durch die GKV in Deutschland aktuell weder für Jugendliche noch für Erwachsene unbedingt selbstverständlich. Für die Zukunft stellen sich - je nach Blickwinkel - zusätzliche Fragen.
Selbst gender-affirmative Versorger sehen mittlerweile „Regulatorischen Handlungsbedarf“ und möchten die Erstattung durch die GKV langfristig sichern, so erschien im Frühjahr 2023 unter dem Titel „Hormonbehandlungen bei geschlechtsinkongruenten oder geschlechtsdysphorischen Jugendlichen zu Lasten der GKV“, ein Beitrag der JuristInnen Harney u. a.111, der von Prof. Dr. Romer initiiert wurde.
„Es stehen bereits unzutreffende Rechtsauffassungen sozialgerichtlicher Entscheidungen im Raum und auch die BGA GKV-Spitzenverband könnte solche verstetigen. Zudem begründet die Einordnung von Erkrankungsrisiken als Krankheit typischerweise Rechtsunsicherheiten. Aus dieser Gemengelage resultiert regulatorischer Handlungsbedarf.“ (Harney u. a. Seite 12, Fettmarkierung hinzugefügt)
Auch der Koalitionsvertrag der Ampel enthält den „versorgungspolitischen Willen“, „dass die Kosten für geschlechtsangleichende Behandlungen vollständig von der GKV zu übernehmen sind.“ Eine solche Umsetzung wurde allerdings nicht in den Gesetzentwurf zum SBGG aufgenommen. Das BMG scheint jedoch mit dem Vorhaben der Ampelkoalition begonnen zu haben, zumindest fand dazu im Oktober ein erstes Fachgespräch statt.
Neben den bereits aufgeführten Punkten Off-Label-Use und Evidenz spielen für die Zukunft vor allem folgende Aspekte eine Rolle:
2.1 Richtlinien und Leitlinien für Kinder und Jugendliche fehlen
Es ist Fakt, dass seit 2018 medizinische Leitlinien für Kinder und Jugendliche, die unter Genderdysphorie bzw. -inkongruenz leiden, fehlen. Auch gab es noch nie entsprechende Richtlinien seitens der GKV (bzw. G-BA, in dessen Zuständigkeit es lt. § 92 SGB V gehört, sich grundsätzlich um den Anspruch auf eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Gesundheitsversorgung auf Basis von möglichst guten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu kümmern.
Theoretisch könnten einige Grundsätze aus den Erwachsenen-Richtlinien für transsexuelle Personen des GKV-Spitzenverbandes8 abgeleitet werden, z. B. bestimmte Voraussetzungen wie Diagnose, Psychotherapiestunden, Gutachten, das Kriterium der ‚Ultima ratio‘ etc. Praktisch passiert das aber noch nicht einmal. Oft reicht für PB oder CSH ein einfaches Indikationsschreiben eines Psychotherapeuten aus, auf dessen Basis EndokrinologInnen Kinder und Jugendliche mit PB und CSH versorgen. Dabei wäre gerade bei Minderjährigen eher mehr Schutz durch „Leitplanken“ in Form medizinethischer Kriterien und Differenzialdiagnose notwendig. Beispielsweise ist die Beantwortung der Frage nach der ‚Ultima ratio‘, d. h. ob bereits alle andere Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden bzw. erfolglos waren, gerade in der frühen Pubertät kaum realistisch. Desgleichen die Frage, ob die Trans-Identifikation bestehen bleibt oder die medizinischen Maßnahmen Aussicht auf Erfolg haben werden.
Andere Punkte z. B. zur Behandlung mit Pubertätsblockern können ohnehin nicht aus den Erwachsenen-Richtlinien abgeleitet werden, da sie dort einleuchtender Weise nicht vorkommen.
Die Behandlung mit PB aufgrund eines lediglich antizipierten Leidensdrucks, erscheint aufgrund der Beobachtung, dass in fast allen Studien nahezu 100 % der mit PB Behandelten zu CSH übergehen31, geradezu fahrlässig bzw. falsch. Frühere Studien legen nahe, dass Jugendliche ohne Pubertätsblockierung ihre Genderdysphorie mehrheitlich überwinden, sie einfach verschwindet und/oder sie ohne Transition ein homosexuelles Coming-out haben, so dass eine Behandlung mit PB bzw. CSH eine unnötige Medikalisierung wäre.
2.2 Die Entpathologisierung von Transsexualität und geschlechtlicher Identität
Im seit 2022 gültigen ICD-11 wird der Begriff der Genderinkongruenz (GI) verwendet. GI gilt demnach nicht mehr als Krankheit, sondern als Normvariante112, um die Entpathologisierung voranzutreiben. ICD-11 wird im deutschen Gesundheitssystem gerade eingeführt und befindet sich in einer Übergangsphase bzw. im Qualitätssicherungsprozess.113
Wenn es bisher um die Erstattung der Behandlungskosten durch die Krankenkassen ging, war der im Zusammenhang mit einer Gender-Inkongruenz stehende krankheitswertige Leidensdruck relevant.8
Weiterhin existiert der Begriff der Genderdysphorie im DSM-5, GD wird dort als anhaltendes Leid infolge einer Genderinkongruenz mit Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit beschrieben.114
Von den nicht medizinischen Begriffen haben bereits einige Eingang ins SGB gefunden, z. B. transident, non-binär im § 9 SGB VIII. Weitere Begriffe für „geschlechtliche Identifikationen“ verbreiten sich (noch außerhalb der Gesetzgebung), wie Agender, Bi-, Tri-, Pangender, Demi-Junge/-Mädchen, Demi-Mann/-Frau, gender-fluid oder genderqueer, ohne dass sie definiert oder ihre Verwendung eindeutig wären. Die WPATH hat in den SOC8 der Transgender-Identität „Eunuch“ ein eigenes Kapitel gewidmet.
Neuerdings hat „geschlechtliche Identität“ als Oberbegriff in die deutsche Gesetzgebung Einzug gehalten (s. § 1 Abs. 1 KonvBehSch und SBGG-E). Je nach Verwendung trägt dieser Begriff zwar nicht unbedingt zur Präzisierung von Sachverhalten bei, es wird aber vermutet, dass er „zukünftig wegweisend für medizinrechtliche Regelungen für Trans*-Personen sein wird.”115
Welche Konsequenzen die Entpathologisierung, die Definition von Transidentitäten als Normvarianten und die Identitätsvielfalt für das Gesundheitssystem und speziell hinsichtlich der Kostenerstattung durch die Krankenkassen haben, ist in die Diskussion geraten. Invasive medizinische Eingriffe (auch für Jugendliche) werden daher zunehmend weniger als medizinisch notwendige Eingriffe verstanden, denn als Möglichkeiten zur Selbstbestimmung bzw. als eine Art Bürgerrecht. Es geht zukünftig weniger um die Versorgung von Transsexuellen, sondern eher um die Realisierung persönlicher Ziele bei der Angleichung des Körpers an die subjektiv empfundene geschlechtliche Identität.
„Transitionsbezogene medizinische Eingriffe werden heute als Mittel zur Verwirklichung grundlegender Aspekte der persönlichen Identität oder ‚embodiment goals‘ (Ashley, 2022; Coleman et al., 2022; Schulz, 2017) konzeptualisiert, im Gegensatz zur konventionellen medizinischen Versorgung, die darauf abzielt, eine zugrunde liegende Krankheit oder Verletzung zu behandeln, um die Gesundheit und Funktionsfähigkeit wiederherzustellen.”116 (Fettmarkierung hinzugefügt)
Die Entpathologisierung von Transsexualität trägt also stark dazu bei, die Zwangsläufigkeit der Kostenerstattung durch die GKV neu zu betrachten. Die immer verbreitetere Verwendung des nicht-medizinischen Begriffs Transidentität entspricht dem Wunsch nach Entpathologisierung. Beabsichtigt ist möglicherweise auch, das Spektrum der infrage kommenden Behandlungssuchenden über die Phänomene Transsexualität, Genderdysphorie hinaus zu erweitern, da unter „trans-ident“ auch Personen zählen können, die sich mit keinem der beiden binären Geschlechter identifizieren (non-binär) oder ihre Identität mit Begriffen wie agender, genderneutral, genderqueer benennen.
Schon länger ist umstritten, dass die GKV Richtlinien des MD-Bund von 2020 explizit die Kostenerstattung für Behandlung von Transsexualität (F64.0 ICD-10) und nicht für andere, beispielsweise non-binäre, Identitäten regeln. In einem BSG-Urteil vom 19.10.2023 wurde bestätigt, dass nach derzeitiger Rechtslage medizinische Maßnahmen bei non-binären Personen (hier ging es um eine Mastektomie) nicht von den Kassen erstattet werden müssen. Sie seien Bestandteil einer neuen Untersuchungs- bzw. Behandlungsmethode, über deren Anerkennung zunächst der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entscheiden müsse, bevor Versicherte diese Leistung von ihrer Kasse beanspruchen könnten.
„Aufgabe des G-BA ist nun, zum Schutz der betroffenen Personen vor irreversiblen Fehlentscheidungen die sachgerechte Anwendung der neuen Methode sowie ihre Wirksamkeit und Qualität zu beurteilen.“117
Teilweise werden auch Eingriffe der plastischen Chirurgie gewünscht, die nichts mit Körpern, die in der Natur vorkommen zu tun haben. Entsprechend hat die WPATH eine lange Liste von medizinischen Eingriffen beispielsweise für nicht-binäre Personen als potentiell medizinisch notwendig definiert, wie „nicht-binäre Mastektomien“ oder die Konstruktion einer Neovagina unter Beibehaltung von Penis und Hoden.118
Weitere Fälle wie beispielsweise die Kostenerstattung für die Kryokonservierung (Einfrieren von Spermien oder Eizellen) könnten vor Beginn einer Hormontherapie zwecks Transition114,119 zur Diskussion stehen, die bisher ebenfalls nicht von den Krankenkassen übernommen wird.
Je nachdrücklicher herausgestellt wird, dass die Transidentität selbst nicht als Krankheit anzusehen ist, desto mehr stehen medizinische Erfordernisse infrage. Körpermodifizierende Maßnahmen aufgrund von ICD11-HA60 Genderinkongruenz im Jugend- und Erwachsenenalter fallen zwar in die Zuständigkeit der Medizin, werden aber eher als „Wunsch“ definiert. Entsprechend kommt das Wort „Wunsch“ mehrfach in der ICD11-Klassifikation für GIK vor:
„Die Genderinkongruenz im Jugend- und Erwachsenenalter ist gekennzeichnet durch eine ausgeprägte und anhaltende Inkongruenz zwischen dem erlebten Geschlecht einer Person und dem zugewiesenen Geschlecht, die oft zu dem Wunsch nach einer „Transition“ führt, um als eine Person des erlebten Geschlechts zu leben und akzeptiert zu werden, und zwar durch eine Hormonbehandlung, einen chirurgischen Eingriff oder andere Gesundheitsdienstleistungen, um den Körper der Person so weit wie möglich und gewünscht an das erlebte Geschlecht anzupassen. Die Diagnose kann nicht vor dem Einsetzen der Pubertät gestellt werden. Geschlechtsvariante Verhaltensweisen und Vorlieben allein sind keine Grundlage für die Zuweisung der Diagnose.“ (Fettmarkierung hinzugefügt)
Wunschbehandlungen sind vermutlich mit den bisherigen Regelungen zu Kostenerstattungsansprüchen gegenüber der GKV schwer in Einklang zu bringen. Ein „krankheitswertiger Leidensdruck“, der für eine Erstattung von Leistungen relevant wäre, ist also keine Voraussetzung für eine H60-Diagnose. Möglicherweise ist es weiterhin notwendig, das DSM-5 zu bemühen, das noch Genderdysphorie kennt. Im derzeit gültigen DSM-5 wird GD noch als psychiatrische Störung eingeordnet, wobei die Folgen der Inkongruenz, d. h. klinisch signifikantes Leid oder die Beeinträchtigung wichtiger Funktionsbereiche zu mindestens zwei der im DSM-5 für GD aufgezählten Punkte für eine Diagnose und für medizinische Behandlungen relevant sind.
2.3 Die Ersetzung des TSG durch ein Selbstbestimmungsgesetz (SBGG)
Der vorliegende „Entwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (SBGG) regelt zwar nicht die sogenannte „Versorgung“ mit medizinischen Maßnahmen (s. § 1(2)) oder gar die Kostenerstattung durch die GKV, es ist allerdings wahrscheinlich, dass der geplante Wechsel vom objektivierbaren biologischen Geschlechtsbegriff zur Geschlechts-Identität (subjektiv gefühltes Geschlecht) Auswirkungen auch auf das Gesundheitssystem haben wird. Vermutlich aus Gründen der „schnelleren“ Durchsetzbarkeit des SBGG wurde die Kostenerstattung durch die GKV nicht in den Gesetzentwurf integriert.
Laut Gesetzentwurf können jetzt BürgerInnen einen der folgenden vier Geschlechtseinträge wählen: männlich, weiblich, divers oder leer. Außerdem soll jede/n BürgerIn ohne Voraussetzungen wie Attest oder Gutachten den Geschlechtseintrag und den Vornamen neu bestimmen und sogar 1x pro Jahr ändern können.
Auf S. 39 des Gesetzentwurfes (es geht um die Sperrfrist § 5 Satz 2 SBGG-E) ist die Rede davon, dass der noch andauernden Persönlichkeitsentwicklung von Minderjährigen Rechnung zu tragen ist. Es wird also seitens des Gesetzgebers damit gerechnet, dass die geschlechtliche Identität von Jugendlichen in der Pubertät, durchaus eine vorübergehende Phase sein kann. Hinzu kommt, dass die meisten Experten einräumen, im Teenager-Alter weder mit Sicherheit eine überdauernde Transsexualität oder eine andere Identität (non-binär, genderqueer, gender-fluid, ...) im Einzelfall feststellen zu können, noch zuverlässig prognostizieren zu können, ob es sich um ein vorübergehendes Phänomen oder eine internalisierte Homophobie handelt.120
Der Geschlechtseintrag in Dokumenten könnte zukünftig zur ersten Maßnahme werden, die Jugendliche durchführen. Nach Änderung von Vornamen und Personenstand ist nachvollziehbar, dass der Körper umso schwerer zu „akzeptieren“ ist. In ihrer Notlage sehen Teenager i. d. R. keine andere Möglichkeit und bekommen derzeit oft auch keine anderen Behandlungsoptionen angeboten als invasive körpermedizinische Maßnahmen.
Es ist denkbar, dass die neuen Regelungen bewirken, dass sich die Sicht, die Einstellungen und die Bedarfe hinsichtlich der Notwendigkeit von körpermedizinischen Maßnahmen zur Modifikation der äußeren Erscheinung ändern. Die Möglichkeit für jede/n BürgerIn sehr einfach, mehrfach und unabhängig von medizinischen Maßnahmen die geschlechtliche Identität zu ändern, werden dazu führen, dass Einträge in Dokumenten immer öfter von der Erscheinung einer Person abweichen. Das verstärkt einerseits den Wunsch nach körperverändernden Maßnahmen, andererseits wird die Notwendigkeit des „Passings” möglicherweise stärker infrage gestellt werden.
Das geplante Gesetz wird die Diskussion über die Autonomie in Bezug auf die sog. „gender embodiment goals“ hinsichtlich der persönlichen Identität auch von Minderjährigen intensivieren. Es führt vermutlich zu mehr Leistungsanträgen, aber auch zu mehr Rechtsunsicherheiten bei den Erstattungs-Entscheidungen von GKV.
2.4 Die ethische Diskussion zur medizinischen GD-Behandlung von Teens & Twens
Ethische Gesichtspunkte spielen bei der Erstattung von Kosten für Hormone und Pubertätsblocker zur Behandlung von genderdysphorischen Minderjährigen keine explizite Rolle. Auch in der Begutachtungs-Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes kommen Begriffe wie „Ethik“ oder „ethisch“ nicht vor. Möglicherweise gehen die GKV davon aus, dass medizinethische Entscheidungen an anderen Stellen getroffen werden, z. B.:
2.4.1 Ethikkommission bei klinischen Studien?
Klinischen Studien müssen immer von einer Ethikkommission begutachtet werden, eine der wichtigsten Aufgabe ist die Abwägung des Nutzens der Studie für Teilnehmende gegenüber den möglichen Risiken. PB und CSH haben zur Blockade der natürlichen Pubertät bzw. zur Verwendung bei genderdysphorischen Jugendlichen keine Zulassung, d. h. sie sind in diesem Rahmen bisher nie von einer Ethikkommission begutachtet worden.
Es bestehen zudem nicht unbegründete Zweifel, ob ordnungsgemäße klinische Studien mit Minderjährigen zu PB und CSH jemals durchgeführt werden könnten. Ordnungsgemäß heißt entsprechend der international anerkannten, nach ethischen und wissenschaftlichen Gesichtspunkten aufgestellten Regeln der ‚Guten Klinischen Praxis‘.11 Fraglich ist, ob die zuständige Ethik-Kommission solche Studien positiv begutachten würde.
Bevor die Niederländer mit ihren Experimenten bei Jugendlichen begannen, haben sie PB noch nicht einmal in Tierversuchen erprobt, obwohl z. B. die damals verantwortliche Endokrinologin Henriette Dellemarre-van de Waal ein entsprechendes Labor hatte. Fühlten sie sich sicher, weil GNRHa-Produkte für andere Zwecke zugelassen sind?
2.4.2 Was meint der Ethikrat?
Aktuell wird kaum über ethische Fragestellungen der medizinischen GD-Behandlungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen debattiert, das Thema stagniert und ist weiterhin ungelöst.
2020 hat der Dt. Ethikrat eine sog. „Ad-hoc-Empfehlung zu Trans-Identität von Jugendlichen“121 veröffentlicht, in der die konträren Positionen unter Fachleuten genannt und als „überaus komplexe und verantwortungsvolle Aufgabe“ gewürdigt werden.
„Nutzen und Schaden der medizinisch-therapeutischen Maßnahmen, die im Einzelnen umstritten sind, müssen in jedem individuellen Fall sorgfältig abgewogen werden.“
Außer der Rückverweisung der ethischen Verantwortung an die Beteiligten (Betroffene, Experten und Eltern) des Einwilligungsprozesses im individuellen Einzelfall hat der Ethikrat keine klärende medizinethische Position, Bewertung oder Empfehlung zur GD-Behandlung selbst formuliert, d. h. ob bzw. unter welchen Gegebenheiten die medizinischen Maßnahmen oder die Unterlassung dieser nun als Schaden vermieden werden sollten oder eine angemessene Vorgehensweise ist. Zum entstigmatisierten Umgang mit Trans-Identität bei Kindern und dem Entgegenwirken einer diskriminierenden Pathologisierung wurde empfohlen: „Entsprechende Angebote psycho-sozialer Beratung und deren Kooperation mit medizinischen Einrichtungen sollen gestärkt werden.“ Es sind daher Fragen offen wie:
- Ist es ethisch vertretbar, dass bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen medizinische Maßnahmen zur Behandlung von Körperdysmorphie angewandt werden, die zwar geeignet sind, das äußere Erscheinungsbild zu ändern, aber irreversible sexuelle Dysfunktionen und Infertilität verursachen, teilweise sehr drastische Nebenwirkungen haben sowie die Lebensqualität und oft auch die psychische Gesundheit der Betroffenen (beides auch hinsichtlich Beziehungen, Bildung, Drogenrisiko, Beruf) einschränken?
- Ist es ethisch vertretbar, dass Jugendliche und junge Erwachsene so fundamentale, irreversible und lebensverändernde Entscheidungen für ihre Zukunft treffen? Die lebensverändernden Entscheidungen beinhalteten auch Entscheidungen zur Lebenserwartung. Nach diversen Mortalitätsstudien101 geht es um eine Verkürzung von 10-20 Jahren in Folge von Transition.
- Im BGB soll der 1631c (Verbot der Sterilisation) Minderjährige aus gutem Grund vor Sterilität/Kastration schützen. Wieso ist eine Medikalisierung wie die frühe Anwendung von PB gefolgt von CSH, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu Infertilität (sog. „chemische Kastration“) führt101,122, in Deutschland möglich?
- Studien20 neueren Datums, die bereits den Anstieg der GD-Variante bei Teens erfassen und feststellen, dass Reue bzw. Detransition immer häufiger (zu 10-30 %) vorkommen, stellen den Nutzen und die „Alternativlosigkeit“ der gender-affirmativen „Versorgung“ in Frage.116 Detransition sollte eine größere Rolle in der Diskussion um medizinische Angebote und Kostenerstattungen spielen und darf auch aus ethischen Gründen nicht einfach als eine Art Kollateralschaden ignoriert werden.
- Ist es ethisch vertretbar, dass durch frühe Transition Homosexualität verhindert wird?
- Sind nicht Transitionen bei Teens & Twens alleine solange grundsätzlich ethisch problematisch und angreifbar, wie nicht geklärt werden kann, z. B. ob ihre Not aus einer unumkehrbaren Trans-Identität herrührt oder ob sie sich als trans* identifizieren, weil sie in Not sind oder Probleme mit ihrer sexuellen Orientierung haben.123
- Wie freiwillig ist eine Entscheidung, wenn GD-Minderjährige (und ihre Eltern) sich in einer Notlage befinden und ihnen zumeist keine Alternative zur medizinischen Transition angeboten wird?
Unter ExpertInnen wird sogar darüber diskutiert, ob der Verdacht oder das Risiko der Entstehung einer GD bzw. eines krankheitswertigen Leidensdrucks einen Erstattungsanspruch für medizinische Leistungen zu Lasten der GKV auslösen könnte, obwohl medizinethisch nicht geklärt ist, ob eine Behandlung bereits bei „antizipiertem Leid/Leidensdruck“ sinnvoll ist.
„Hier stellt sich die medizinethische Frage, ob für eine Erstattungsfähigkeit einer indizierten Pubertätsunterdrückung das Erreichen eines rein diagnostischen Kriteriums im Sinne einer klinisch manifesten GD abgewartet werden muss, oder ob die Vorhersage, dass dieser Zustand ohne Behandlung mit großer Wahrscheinlichkeit eintreten würde, hierfür ausreicht.“30 (S. 137)
Als Beispiel werden Kinder genannt, die bereits vor der Pubertät vollständig mit Unterstützung ihres Umfeldes sozial transitioniert sind.
„Diese Kinder entwickelten sich weitestgehend psychisch unauffällig und zeigten i. d. R. keine Geschlechtsdysphorie mehr. Persistiert bei diesen Kindern nach Eintritt der Pubertät eine GIK, zeigt sich dies i. d. R. an einem hochgradigen antizipierten Leidensdruck in Erwartung eines Fortschreitens der pubertären Reifeentwicklung.“30
2.4.3 Ethiküberlegungen im Rahmen der medizinischen Leitlinienempfehlungen?
Seit 2018 bis heute gibt es in Deutschland keine gültigen Leitlinien, die AWMF-Leitlinien „Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter: Diagnostik und Behandlung“ werden seit etlichen Jahren überarbeitet, noch immer liegt kein Ergebnis vor. Es ist nicht bekannt, ob die AWMF-Leitlinien eigenständige ethische Überlegungen enthalten werden.
Der Verweis von AWMF-Kommissionsmitgliedern interimsweise die WPATH-Leitlinien heranzuziehen, läuft ins Leere, da die neuesten WPATH SOC8 vom September 2022 kein Ethik-Kapitel enthalten, so wie es ursprünglich (s. Drafts vom Dezember 2022) geplant war.
Die Frage ist, ob nicht die standardmäßige Fortsetzung der „affirmativen" medizinischen und chirurgischen Behandlung bzw. Versorgung als solches reflektiert werden muss, angesichts der ungeklärten ethischen Fragen und Bedenken33 wie sie in den mittlerweile auch vorliegenden systematischen Reviews zu PB und CSH dokumentiert wurden, sowie der Schwierigkeiten entsprechende Forschung zu betreiben.
Bereits ein "antizipiertes Leid / antizipierter Leidensdruck“ soll demnach ausreichen, um praktisch prophylaktisch PB oder CSH zu verordnen124. Wir konnten nicht ermitteln, ob eine solche Indikation bereits derzeit zu einer Erstattung der Behandlung durch die GKV führen kann.
Fazit: Mangels klinischer Studien mit der Begutachtung durch entsprechende Ethikkommissionen, mangels Leitlinien und mangels dezidierter Stellungnahme des Dt. Ethikrats, gibt es derzeit keinerlei Gewissheit, dass die Medikalisierung von GD/GIK-Jugendlichen eine akzeptable oder gar sinnvolle Behandlung ist.
2.4.4 Bei Jugendlichen sind medizin-ethische Fragen besonders wichtig
Wenn zukünftig die medizinische Behandlung von Genderdysphorie z. B. als eigener Versicherungs-Fall gesetzlich verankert werden würde, ist die Frage, ob medizinische Transitions-Maßnahmen von den Krankenkassen (und damit von der Solidargemeinschaft der Versicherten) erstattet werden sollen, die medizinethisch umstritten sind,
- weil es keine anerkannte positive Nutzen-Risiko-Bilanz der Behandlung von GD-Jugendlichen mit PB und CSH gibt, die für eine Zulassung verwendbar wäre.
- weil es um drastische Folgewirkungen wie dauerhafte Fertilität (s. auch § 1631c), Anorgasmie und Knochenschäden geht, in Folge der PB aber auch um mögliche kognitive Beeinträchtigungen wie verminderte Intelligenz, räumliches Denken. Darf/soll man Körper überhaupt nach Wunsch modifizieren, wenn Infertilität, Anorgasmie, Medikamentenabhängigkeit und Lebenszeitverkürzung etc. die Folge sind?
- weil nicht sicher abschätzbar ist, ob der/die einzelne Jugendliche von PB oder CSH profitieren wird.
- weil es sich dauerhaft um Off-Label-Use handelt und gesunde Jugendliche zu lebenslangen PatientInnen werden?
- weil sich ExpertInnen oft auf das subjektive Gefühl der Genderidentität und Selbstdiagnose der Betroffenen verlassen. Bei der Fokussierung auf die Not von Jugendlichen, die sie mit der Gender-Identität ausdrücken, können andere Gesundheitsbedürfnisse übersehen werden („diagnostische Überlagerung“).31
- weil es seit Jahren in Deutschland keine medizinischen Leitlinien für Jugendliche gibt und die genannten WPATH-Empfehlungen äußerst umstritten sind und nicht auf einem systematischen Review basieren.
- weil die Ursachen125 für den starken Anstieg von Genderdysphorie in den letzten 10-15 Jahren insbesondere bei biologischen Mädchen nicht geklärt sind.
- weil alternative Entwicklungen durch die Behandlung mit PB und CSH verhindert werden, z. B. Homosexualität oder Aussöhnung mit dem biologischen Geschlecht.
- weil keine weniger invasiven Alternativen ernsthaft in Betracht gezogen und entwickelt werden.
3. Die Entscheidungskompetenz von Fachleuten bei ethisch sensiblen Themen
Je schwächer und unsicherer die Evidenz einer Behandlung ist, desto mehr wird sie zu einem ethisch sensiblen Thema, das die Kompetenzen von Fachleuten beschränkt, wie auch die niederländischen Experten feststellten.78 Die medizinische Transition von Teens & Twens gehört aufgrund ihrer sehr drastischen lebensverändernden Eingriffe sicher zu den stark aufgeladenen gesellschaftlich-ethischen Themen und ist keine ausschließlich medizinische Fragestellung.
3.1 Wie verfahren mit der wissenschaftlichen Unsicherheit?
Die wissenschaftliche Grundlage der medizinischen Transition ist unzureichend, bspw. ist unklar, ob PB den Zustand der GD bei Teenagern, der sich andernfalls ohne Medikalisierung auflösen könnte, tatsächlich "festhalten".
Angesichts der unzureichenden Evidenzbasis, speziell der Ungewissheit, ob die medizinische Transition eine Lösung für den Einzelfall ist oder ob es auch anders gehen würde, ergeben sich bezogen auf Teens & Twens viele die Ethik betreffende Probleme.
- Ist eine frühe medizinische Intervention eine angemessene Reaktion auf ein genderinkongruentes Kind?
- Welches Risiko ist akzeptabel? Inwieweit akzeptieren wir die steigende Falsch-Positiv-Rate?20
- Bei wie vielen Kindern kann dieses Szenario eintreten?
- Ist es uns egal, dass immer mehr und hauptsächlich Mädchen transitionieren?
- Wie schlimm finden wir es, wenn Minderjährige und junge Erwachsene durch medizinische Eingriffe lebenslang körperlich irreversibel verändert und teilweise geschädigt werden, obwohl sie ansonsten über ihre GD hinweggewachsen wären, möglicherweise mit Hilfe anderer nicht invasiver Behandlungen? Halten wir das für ein Horrorszenario, die schlimmste Art von medizinischem Fehler oder für einen akzeptablen Kollateralschaden?
- Wie gehen wir mit Detransitionierten um?
3.2 Wie umgehen mit den Nachteilen einer medizinischen Transition?
Auch die Entpathologisierungs- und Entstigmatisierungsbestrebungen ändern nichts an der Realität der medizinischen Transition, die in drastischen medizinischen Behandlungen besteht und zu einem Ergebnis führt, das schwerwiegende Nachteile in Bezug auf Fruchtbarkeit und Sexualität sowie die Möglichkeit medizinischer Komplikationen, Probleme bei der Beziehungsgestaltung und der sozialen Akzeptanz mit sich bringt.
Müssen bzw. dürfen Ärzte alle medizinisch möglichen Maßnahmen anbieten und durchführen, um den Phänotyp zu ändern, auch wenn es sich um sehr drastische lebensverändernde Eingriffe handelt?
Angesichts der Schwierigkeiten und medizinischen Grenzen den Körper einer Frau tatsächlich einem Männerkörper anzugleichen und umgekehrt, dürfen Gedanken nicht vollständig geächtet werden, dass es für einen Teenager oder Twen möglicherweise besser wäre, wenn es ihm gelänge – beispielsweise mit Hilfe einer nicht invasiver Behandlung - sich auf die eine oder andere Weise mit dem ursprünglichen Körper zu arrangieren oder Minderjährigen eine Chance zu geben, eine nicht invasive Lösung ihrer Notlage zu einem späteren Zeitpunkt zu erfahren, speziell angesichts der Prognoseunsicherheit und der schwachen Evidenz hinsichtlich der medizinischen Transition.
3.3 Die Einwilligungsfähigkeit zur medizinischen Transition ist weitgehend illusorisch
Die Einwilligungsfähigkeit in die medizinische Transition ist eine zutiefst ethische Fragestellung: Es ist angesichts der Tragweite der Entscheidung höchst unsicher, ob Kinder, die sich in einer genderdysphorischen Notlage befinden im Alter von 9-18 Jahren als einwilligungsfähig angesehen werden können und ob eine solche Einwilligung mit ihrem Recht auf eine offene Zukunft vereinbar ist.
Einerseits wird die Einwilligung in die medizinische Transition durch Hypothesen der affirmativen Versorger, wie die Transidentität sei vor allem angeboren und PB seien weitgehend reversibel, entschärft. Andererseits spricht dagegen, dass bei der Hirnentwicklung junger Menschen der dorsolaterale ►prefrontale Kortex, der für „exekutive Funktionen“ (wie Antizipation von Handlungskonsequenzen, Problemlösung) wichtig ist, als letztes (bis Mitte der Twenties) reift. Zusätzlich zu den Risiken des Off-Label-Use und der geringen Evidenz sprechen weitere Aspekte dagegen, wie:
- Die Entscheidung beispielsweise für Pubertätsblocker ist oft eine Entscheidung für den Einstieg in eine Sequenz medizinischer Transitions-Maßnahmen, die teilweise eine gewisse Zwangsläufigkeit haben. Es handelt sich um die Stabilisierung der transsexuellen Entwicklung und eine Art „Lock-in-Effekt” in Richtung medizinischer Transition bei einer ansonsten ohne Medikalisierung vorübergehenden Genderdysphorie. Zu diesem Zeitpunkt sind die Minderjährigen im Alter von 9-18 Jahren!
- Was kann ein Kind, das sich zum Zeitpunkt der Einwilligung in einer tiefen psychischen Krise befindet, mit diesen Informationen, die Themen behandeln, die angesichts seines Alters und seines Entwicklungsstands noch weit jenseits seines Horizonts liegen, anfangen?
- Keine(e) ExpertIn kann vorhersagen, ob die medizinische Transition die Lebensqualität langfristig verbessert.
- Die medizinische Transition hat eine hohe Relevanz für ihre Zukunft, die sich Teenager im Pubertätsalter noch kaum vorstellen können. Welchen Bezug hat ein Kind gegenüber seinem zukünftigen Ich? Wie werden sie als Transitionierte (und lebenslange Patienten) in dem Jahrzehnt zurechtkommen, in dem neue Entwicklungsaufgaben wie die berufliche Entwicklung, das Eingehen langfristiger intimer Beziehungen und Freundschaften oder die Gründung einer Familie in den Mittelpunkt treten?
- Ist es für Minderjährige und Eltern überhaupt möglich, ihre Einwilligung zur medizinischen Transition zu geben? Wie viel kognitiven Reife, emotionale Stabilität und Lebenserfahrung (einschließlich sexueller Erfahrungen) brauchen Teens & Twens bevor sie eine Entscheidung für eine irreversible Transition treffen können?
Vom Gesetzgeber wurden 2020 bereits strenge Anforderungen an die Einwilligungsfähigkeit von Minderjährigen als Begründung für das Konversionstherapieverbot definiert.126 Diese gelten analog für medizinische Transitionsmaßnahmen ohne hinreichende Evidenzbasis, da diese äußerst drastisch in die sexuelle und geschlechtliche Entwicklung der Betroffenen eingreifen und teilweise irreversibel sind.
3.4 Medizinische Themen mit erheblichen ethischen Dimensionen brauchen eine Debatte
Andere hochgradig ethisch wichtige Themen wie Abtreibung und Sterbehilfe, sind in D immer wieder breit in der Öffentlichkeit diskutiert und entschieden worden. Analog dazu muss nun auch die Debatte zur medizinischen Transition von Teens & Twens mit wachsender Dringlichkeit geführt werden, da GD/GIK bei Jugendlichen exponentiell zunimmt und insbesondere ♀ betroffen sind. Die Debatte kann nicht mehr alleine den ExpertInnen überlassen werden, die sich zum einen nicht einig sind, zum anderen nicht unbedingt allein nach medizinethischen Gesichtspunkten entscheiden sowie unterschiedliche Meinungen und Auffassungen von ihrer professionsethischen Verantwortung haben. Alle Beteiligten müssen möglichst faktenbasiert und undogmatisch debattieren. Sie müssen entscheiden, ob alles Machbare und jeglicher Transitions-Wunsch angemessen ist und auch von der Gemeinschaft der Versicherten finanziert werden sollte.
Auch andere Themen (s. o.) werden und wurden trotz ihres medizinischen Anteils aufgrund ihrer erheblichen ethischen Dimension eher durch gesellschaftliche Debatten entschieden als durch medizinische Experten.
4. Warum der Ruf nach neuen Erstattungs-Regelungen?
Schon die oben diskutierten Themen Off-Label-Use, Evidenz und Medizinethik werfen sehr viele und wichtige Fragen zur Erstattung auf, darüber hinaus aber vor allem Fragen bezüglich der Legitimation der Behandlung selbst.
Medikamente im Off-Label-Use sind aufgrund der fehlenden Zulassung grundsätzlicher unsicherer als im On-Label-Use. Auch werden die Kriterien für den Off-Label-Use (Lebensgefahr, Alternativlosigkeit, Aussicht auf Behandlungserfolg) angesichts der Evidenzsituation immer fragwürdiger, so dass die Selbstverständlichkeit der Erstattung durch die GKV ins Wanken geraten ist. Zudem scheint mittlerweile allen Beteiligten aufgefallen zu sein, dass
- es mit den derzeitigen Regelungen kaum möglich sein wird, die Kostenerstattung für die Behandlungskosten der medizinischen Transition umfassend zu sichern, da weitreichende Bestrebungen bezüglich Diagnose-Katalogen und bestimmten Leitlinien Genderdysphorie und -inkongruenz als Krankheit infrage stellen bzw. das ganze Thema entpathologisieren. Wenn den Behandlungen der Krankheitswert fehlt, müssten sie wahrscheinlich wie Schönheits-OPs oder als IGeL-Leistungen klassifiziert werden und die Erstattungspflicht der GKV entfiele.
- das geplante Selbstbestimmungsgesetz durch den Wechsel vom objektivierbaren Geschlechtsbegriff zu „geschlechtlicher Identität“ neue rechtliche Fragen aufwirft, zu Rechtsunsicherheiten führen bzw. bisherige „Konventionen” bei der Erstattung durch die GKV infrage stellen wird.
Viele trans-affirmativen Versorgungsexperten, Betroffene und Transaktivisten halten die bisherigen Regelungen zur Erstattung von Transitions-Maßnahmen für unangemessen, teilweise für nicht ausreichend, aber auch für zum Teil überflüssig. Ihr Ziel ist es u. a. möglichst viele Voraussetzungen für die Erstattung abzuschaffen: Diagnosen, sog. Gatekeeping, Begutachtung, Psychotherapie, Alltagserprobung, Reihenfolge, ‘ultima ratio‘, etc.
Weil allein die „medizinische Notwendigkeit“127 bzw. die wissenschaftlichen Erkenntnisse an sich doch eher unsicher sind, scheint es, dass die Kostenerstattung von medizinischen Transitions-Maßnahmen durch die GKV nun mit Hilfe einer gesellschaftspolitischen „Agenda“, die Punkte wie Menschenrechte, Antidiskriminierung, Selbstbestimmung thematisiert, durchgesetzt werden soll.
Die im Koalitions-Vertrag 2021 beabsichtigte „vollständige“ Kostenerstattung durch die GKV bezieht sich vermutlich auch auf die Ausweitung der Erstattung von Behandlungen und medizinische Maßnahmen zur Transition. Es bahnt sich möglicherweise ein Wechsel von Krankheit/Leidensdruck zur Wunschbehandlung (entsprechend der sog. embodiment goals) auf der Basis von Selbstbestimmung, Autonomie und auch bei non-binären und anderen Identitäten an.
- Ist ein Gesetz notwendig, weil bereits heute vieles gegen eine Erstattung von PB und CSH bei KiJu spricht und weil zunehmende Leistungsanforderungen den aktuellen Rahmen der Erstattungspflicht sprengen? Wie grundsätzlich sollen sich die Erstattungsbedingungen zukünftig ändern?
- Wird der Handlungsbedarf zur Erweiterung der GKV-Erstattung bei GD-Behandlungen nicht auch dadurch erzeugt, dass die Erstattungsansprüche durch die GKV nicht nur bei erkennbarer GD, sondern bereits für das sog. „antizipierten“ Risiko von psychischem Leid formuliert werden?
- Gibt es Grenzen bei der Kostenerstattung durch die GKV? Wie weit wird die Politik und der Gesetzgeber bei der Kostenerstattung der Trans*-Versorgung durch die GKV gehen? Was passiert bei neuartigen, bisher noch unbekannteren Ansprüchen an die Versorgung von Personen mit immer neuen subjektiven Geschlechts-Identitäten, wenn z. B. non-binäre Personen unbedingt bei PB bleiben wollen, statt mit ab ca. 16 Jahren zu CSH zu wechseln?128 Oder wenn sie wegen ihrer Geschlechts-Identität ein zusätzliches Sexualorgan haben möchten?
- Wie weit geht die Erstattung von Behandlungen aufgrund von trans bzw. detrans gegenüber anderen Versicherten? Wie wird das Gleichbehandlungsgebot gegenüber „embodiment goals“ oder Wünschen aus anderen Gründen als GD/GKI in Form von Schönheits-OPs gehandhabt?
5. Erst die medizinische Transition überdenken, dann die Erstattung verhandeln!
Während affirmative Versorger in neuen gesetzlichen Regelungen eine Lösung sehen, der sog. „Gemengelage“ bei der Kostenerstattung durch die GKV entgegenzuwirken und Behandlungen zum Zweck der medizinischen Transition umfangreich abzusichern, möchten wir als Eltern betroffener Jugendlicher und junger Erwachsener auf einige Punkte hinweisen, die reflektiert werden sollten, bevor eine Erstattungs-Modalitäten geplant werden.
5.1 STICHPUNKT 1: Verbesserung der medizinischen Rahmenbedingungen
Von gender-affirmativen Versorgern wird stets behauptet, dass der Nutzen der medizinischen GD-Behandlung bei Minderjährigen die Risiken überwiege. Wenn also die wissenschaftlichen Erkenntnisse genügend Evidenz und „medizinische Notwendigkeit“ hergeben würden, wäre dann nicht ein Schwenk in Richtung Politik und neue gesetzliche Regelungen hinfällig?
Nachdem PB und CSH jahrzehntelang zulassungsüberschreitend und unkontrolliert experimentell für GD-Jugendliche eingesetzt werden: Wäre es nicht sinnvoller, dass sich die Medizin-Experten zuerst und endlich um mehr Evidenz und Medikamenten-Sicherheit bemühen würden129, anstatt für die Absicherung der Erstattung von Medikamenten im Off-Label-Use gesetzliche Regelungen zu fordern?
Prinzipiell gibt es für Off-Label-Medikamente zumindest diese beiden Möglichkeiten:
- die Zulassungsverfahren für PB und CSH als On-Label-Medikamente bei den Herstellern forcieren.
- alternativ könnte die Pflicht zur Kostenerstattung durch die Beauftragung einer Begutachtung der PB- und CSH-Behandlung durch den Off-Label-Expertenausschusses seitens des B-GA gesichert werden.
Es ist natürlich vorstellbar, dass es gar nicht möglich ist, die Zulassung eines Medikamentes für Zwecke zu beantragen, bei denen es - wie im Fall von PB - nicht direkt um eine Krankheit geht, sondern um das Blockieren der natürlichen Pubertät bzw. bei CSH um die Änderung des äußeren Erscheinungsbildes (Maskulinisierung / Feminisierung).
5.2 STICHPUNKT 2: Entpathologisierung vs. Pathologisierung
Entpathologisierung liegt im Trend um geschlechtliche Identitäten zu „normalisieren“. Allerdings bezieht sich die Entpathologisierung vor allem auf Ursachen, Diagnoseschlüssel und den gender-affirmativen Umgang mit GD-/GIK-Betroffenen. Im Widerspruch dazu setzt die gender-affirmative Behandlung selbst die Priorität auf medizinische Maßnahmen, die teilweise sehr drastisch sind. Vieles geht damit in die entgegengesetzte Richtung, d. h. transidente Menschen werden selbstbestimmt(!) zu PatientInnen und zwar - im Fall z. B. von CSH - lebenslang.
Bemühungen, Trans-Identität und geschlechtliche Identität zu entstigmatisieren, sind für Betroffene einerseits hilfreich, führen aber gleichzeitig zur Verschleierung der Komplexität und Drastik invasiver Eingriffe bei GD, deren Komplikationen und zum Teil schlechten Ergebnisse.
Mit dem Thema „Entpathologisierung und Entstigmatisierung“ werden eklatante Widersprüche sichtbar, z. B.:
Dürfen ExpertInnen, die es ernst meinen mit der 'Entpathologisierung', Minderjährige so behandeln, dass sie infertil, körperlich beeinträchtigt und lebenslang abhängig von der Medizin sind? Sind nicht realisierbare Kinderwünsche und Sexualität, physische Inkongruenz, Lebenszeitverkürzung, Narben, etc. nicht als größerer Schaden zu bewerten, als ein als unpassend empfundener Phänotyp eines ansonsten intakten und funktionsfähigen Körpers?
5.3 STICHPUNKT 3: Warum werden Magersucht und BDD ganz anders behandelt als GD?
Selbst für ExpertInnen ist es nicht nachvollziehbar, warum Jugendliche mit Body Dysmorphic Disorder (BDD), die bestimmte Teile ihres Körpers hässlich, überflüssig, ggf. abstoßend finden, nach üblicher Lehrmeinung intensiv und ggf. lange psychotherapeutisch behandelt, statt operiert werden, es jedoch dagegen bei Genderdysphorie heißt: Das Geschlecht muss medikamentös angepasst ggf. auch operiert werden, damit die GD verschwindet.50,130
„Während die Akzeptanz des Körperbildes in der Therapie der Anorexia nervosa, Dysmorphophobie oder bei der Body Integrity Indentity Disorder (BIID) ein Therapieziel ist, wird dies bei der GD abgelehnt.“131
Bei Jugendlichen – sehr oft wiederum Mädchen -, die von Magersucht betroffen sind, kämen die MedizinerInnen niemals auf Ideen, ihr Gefühl „dick“ zu sein zu bestätigen und ihnen Fett abzusaugen oder
„ihnen Abführmittel oder Appetitzügler zu geben oder Schilddrüsenhormone mit denen sie ihren Energieumsatz erhöhen können, also mehr Kalorien verbrennen und entsprechend Gewicht verlieren. Der Vergleich ist aber insofern durchaus interessant, weil auch die von einer Anorexie Betroffenen ja brutal leiden unter ihrer Wahrnehmung bzw. Fehlwahrnehmung des eigenen Körpers. Sie empfinden sich als zu dick, obwohl objektiv die Grenze des Untergewichtes längst schon unterschritten ist.“132
Die „Analogien einer sich in der Adoleszenz erstmanifestierenden Genderinkongruenz und der Pubertätsmagersucht”, deren entwicklungspsychologischen Ursachen sowie die Kontroverse um verschiedene Therapiestrategien haben Gille und Korte Ende 2023 ausführlich aufgezeigt.133
5.4 STICHPUNKT 4: Psycho-Medikalisierung und -chirurgie sind nicht immer fortschrittlich
Etliche Behandlungen, die zu ihrer Zeit medizinischen Fortschritt darstellten, erwiesen sich in der geschichtlichen Rückschau als „gefährliche Medizin“ oder gar als Skandal. Ihnen ist gemeinsam, dass sie zur Zeit ihrer Anwendung nicht als barbarisch galten, obwohl sie i. d. R. sehr invasiv, risikoreich sowie ohne hinreichende Evidenzbasis waren. Sie wurden von Ärzten und der Öffentlichkeit begrüßt, teilweise begeistert gefeiert, von PatientInnen begehrt, einige waren sogar nobelpreiswürdig. Bei Lobotomien, Elektrotherapien, etc. machte sich nach einiger Zeit Skepsis und Ernüchterung breit, heute sind solche Behandlungsmethoden kaum noch nachvollziehbar. Frauen waren immer häufiger Psychochirurgie-Opfer als Männer und es gab Zusammenhänge zwischen Medizin und gesellschaftlichen Geschlechtsstereotypen.134
Auch die heutige Behandlung von genderdysphorischen Jugendlichen (meist ♀) mit PB und CSH haben oft drastische Folgen wie Infertilität, Anorgasmie, etc., teilweise folgen im Erwachsenenalter drastische Operationen, bei denen gesunde Organe entfernt und Surrogate von gegengeschlechtlichen Geschlechtsteilen plastisch-chirurgisch nachgebildet werden. Offen ist, ob die Sicht auf diese körpermodifizierende Behandlung wegen Genderinkongruenz in Zukunft ebenfalls eine andere sein könnte. Aus der Medizin-Geschichte heraus, aber auch aufgrund von Erfahrungen mit dem natürlichen Verlauf von GD (ohne PB/CSH) erwachsen für die medizinische Transition kritische ethische Fragen29 wie:
- Ist die medizinische Transition - sozial, medizinisch oder chirurgisch - im besten Interesse des Kindes?
- Ist dieser Weg mit dem Grundsatz "Erstens, nicht schaden" vereinbar?
- Sollte alles, was medizinisch machbar scheint, auch angeboten und finanziell ermöglicht werden?
- Sollte die GKV medizinische Maßnahmen erstatten, die das Potential eines Skandals erkennen lassen?
5.5 STICHPUNKT 5: Geht es noch um Medizin oder um anderes?
Wenn es bei den Transitions-Maßnahmen nicht mehr primär um Krankheit und Medizin geht, sondern um medizinische Wunschbehandlungen, dann ist fraglich, ob die GKV noch die richtige Finanzierungsadresse ist.
- Solange es für die Anwendung von PB/CSH bei Jugendlichen medizinisch keine sichere Evidenzlage gibt: Ist der Ruf nach politischem Eingreifen nicht ein durchsichtiger Versuch, per Gesetzesreglungen, Schutzmechanismen und Anforderungen an einen sicheren, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Arzneimittelgebrauch bzw. die Patientensicherheit zu umgehen?
- Sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse doch nicht so sicher, dass eine Zulassung oder der Eintrag in Anlage VI (Off-Label-Use) Teil A erreichbar ist? Würde bei diesen „medizinischen Zulassungs- bzw. Begutachtungsverfahren“ auffallen, dass die Evidenzlage „very low“ (vgl. Kapitel 2 Evidenz) und die Behandlung medizinethisch höchst problematisch und daher kaum vertretbar ist?
- Soll per Gesetz die Kostenerstattung durch die GKV über den bisherigen Umfang (bei Erwachsenen F64.0 - Transsexualität) hinaus erweitert werden auf weitere „geschlechtliche Identitäten“, wie non-binär, Eunuch, etc. (vgl. Kapitel 2.2)?
- Wird die Solidargemeinschaft der vor allem wegen Krankheit Versicherten in Anspruch genommen, um vorrangig politisch gewünschte Entwicklungen voranzutreiben?
- Wo bleiben Minderjährigenschutz, Medizinsicherheit und Schutz der Versicherten vor finanzieller Überbeanspruchung der Solidargemeinschaft?
- Wenn das Thema Evidenznachweis als Kriterium für die Erstattung durch die GKV zukünftig wieder ernster genommen wird (s. Homöopathie-Diskussion135), müsste dieses Kriterium nicht erst recht für Off-Label-Behandlungen von Minderjährigen mit PB und CSH relevant sein, die ein hohes Schadenspotential bergen?
- Geht es überhaupt um medizinische Kompetenz und Gesundheitsförderung oder eher um die Erschließung neuer lukrativer Geschäftsfelder für Behandler- und VersorgerInnen und Gesundheitseinrichtungen?
6. Appell:
Die angemessene Behandlung von Teens & Twens sollte höchste Priorität haben!
Als betroffene Eltern weisen wir hier nochmals eindringlich darauf hin, dass es um unsere Teens & Twens geht, die noch ein langes Leben vor sich haben.
Dringender als eine Vereinfachung und Ausweitung der Möglichkeiten der medizinischen Transition durch eine großzügig geregelte GKV-Kostenerstattung ist für uns Eltern
- die Klärung der ethischen Fragen zur Transitions-Behandlung von Teens & Twens sowie
- die Bereitstellung und Ermöglichung angemessener nicht-invasiver Behandlungsmethoden.
Wir appellieren an die MedizinerInnen und PsychologInnen in Deutschland, die neueren Erkenntnisse in den benachbarten nordischen Ländern und England zu berücksichtigen und analog der Praxisumkehr dort auch hier nicht-medizinische Ansätze voranzutreiben, statt dogmatisch am gender-affirmativen medizinischen Versorgungs-Modell festzuhalten.136
Die Politik sollte nicht eine Ideologie vorantreiben, die die biologische Realität, die medizinische Ethik, das Engagement für evidenzbasierte Medizin und die bestmögliche Behandlung überschattet.
Es kann nicht sinnvoll sein, dass unseren genderdysphorischen/genderinkongruenten Teenagern nur eine einzige medizinische Behandlungsoption offensteht, die äußerst invasiv und umstritten ist. Unsere Kinder brauchen eine angemessene ganzheitliche Behandlung, die keinen Schaden anrichtet und medizinethisch vertretbar ist.
Referenzen
1 Website Transteens Sorge berechtigt (TTSB) https://transteens-sorge-berechtigt.net/ueber-uns.html
2 ROGD – Rapid Onset Gender Dysphoria s. https://transteens-sorge-berechtigt.net/rogd.html
3 Abwarten ist keine neutrale Option, SZ-Interview mit Prof. Dr. Romer, 01.06.2023
4 Doubts over evidence for using drugs on the young, Heneghan, The Times, 08.04.2019: „You would think, when it comes to children, the testing and evaluation of medicines would be robust - ensuring the utmost safety. Well, you’d be wrong. The mess we have gotten ourselves into with the treatment of gender dysphoria in children and adolescents highlights all that is concerning with the present use and evaluation of powerful medicines in this age group. … In my view, given the paucity of evidence, the off-label use of drugs that occurs in gender dysphoria largely means an unregulated live experiment on children.”
5 As more transgender children seek medical care, families confront many unknowns, Reuters-Special Report, 05.10.2022
6 Action Urgently needed to Address Off-Label-Use of Puberty Blockers in Children, Petition, 05.09.2023
7 Off-label‘ und Arzneimittelzulassung: eine (un)mögliche Kombination, Ach, Thomas, 2010“, S. 23
8 Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes „Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualismus (ICD-10, F64.0), 31.12.2021
9 Klinische Forschung: Deutschland ist Studienmuffel, pharmafakten.de, 25.07.2023
10 EU Clinical Trials Register - Suche
11 Gute klinische Praxis, BASG
12 Inside Britain’s new trans clinics, K. Stock, 19.10.2023
13 Gender dysphoria emerging five years sooner than in 2017, Telegraph, 27.06.2023
14 Geschlechtsinkongruenz im Kindes- und Jugendalter, G. Romer u. a., 2022
15 Commentary: Cognitive, Emotional, and Psychosocial Functioning of Girls Treated with Pharmacological Puberty Blockage for Idiopathic Central Precocious Puberty, Hayes, 2017; Psychological assessments before and after treatment of early puberty in adopted children, Mul u. a., 2001
16 Treatment of Paraphilic Disorders in Sexual Offenders or Men With a Risk of Sexual Offending With Luteinizing Hormone-Releasing Hormone Agonists: An Updated Systematic Review, Turner & Briken, 2018
17 A reduction in long-term spatial memory persists after discontinuation of peripubertal GnRH agonist treatment in sheep, Hough, u. a, 2017 und Peripubertal GnRH and testosterone co-treatment leads to increased familiarity preferences in male sheep, Hough u. a., 2019
18 SVT-Doku „Transbarnen“, 2021 und SVT-Doku „Transvården - vad hände sen?“, 2023
19 Leo wurde bei der Transgenderpflege verletzt – jetzt hat sich das Krankenhaus selbst angezeigt, SVT, 17.03.2022
20 Access to care and frequency of detransition among a cohort discharged by a UK national adult gender identity clinic: retrospective case-note review, Hall, R., 2021 Continuation of Gender-affirming Hormones Among Transgender Adolescents and Adults, Roberts, C. M. u. a., 2022 Factors Leading to “Detransition” Among Transgender and Gender Diverse People in the United States, J. Turban u. a., 2021 Transition Regret and Detransition: Meanings and Uncertainties, S. Jorgensen, 02.06.2023
21 In der Studie Transsexuality Among Twins: Identity Concordance, Transition, Rearing, and Orientation, Diamond, 2013 entwickelten nur bei 28 % der eineiigen Zwillingspaare beide Zwillinge eine Transidentität trotz identischer Gene.
22 Detransition – When Transition is not the solution, Az Hakeem, 09.10.2023 (Independently published)
23 Injustice at every turn: A report of the national transgender discrimination survey. National Gay and Lesbian Task Force; National Center for Transgender Equality, 2011
24 Verstümmelung ohne Nutzen – Selbstmordrisiko bei „‚Transgendern” deutlich erhöht – Operationen mindern es nicht (Dänische Studie Transgendern), epochtimes.de, 04.07.2023
25 Eine Langzeitstudie aus den Niederlanden stellte fest, dass "Suizide in jeder Phase der Transition gleich häufig vorkamen", s. Trends in suicide death risk in transgender people, Wiepjes u. a., 2020)
26 Puberty Blockers and Suicidality in Adolescents Suffering from Gender Dysphoria, Biggs 2020 – In der Studie wird Suizid nach Versuchen und vollendetem Suizid bei Jugendlichen in England unterschieden und untersucht, es gibt Entwarnung, s. SE GM 2022; Long-Term Follow-Up of Transsexual Persons Undergoing Sex Reassignment Surgery: Cohort Study in Sweden, Dhejne u. a., 2011
27 Riittakerttu Kaltiala in Nuoruusiän sukupuoliahdistusta hoitava professori sanoo ei alaikäisten juridisen sukupuolen korjaukselle Helsingin Sanomat, 27.01.2023: “„Es ist daher nicht gerechtfertigt, den Eltern von transsexuellen Jugendlichen zu sagen, dass sie ohne korrigierende Behandlungen suizidgefährdet sind und dass dieses Risiko durch geschlechtsangleichende Therapien verhindert werden kann.“ (übersetzt mit deepl)
28 Reconsidering Informed Consent for Trans-Identified Children, Adolescents, and Young Adults, Levine, Abbruzzese, & Mason, 17.03.2022
29 Gender dysphoria: Reconsidering ethical and iatrogenic factors in clinical practice, G. Halasz, 09.11.2023
30 Hormonbehandlungen bei geschlechtsinkongruenten oder geschlechtsdysphorischen Jugendlichen zu Lasten der GKV, Harney, A. u. a., 13.02.2023
31 Cass-Review Interim Report, 2022
32 Gender-Affirming Care Is Dangerous. I Know Because I Helped Pioneer It, R. Kaltiala in thefp, 30.10.2023
33 Some Limitations of “Challenges in the Care of Transgender and Gender-Diverse Youth: An Endocrinologist’s View”, Jay Cohn, 24.12.2022
34 A clinical guide for therapists working with genderquestioning youth, Version 1. Gender Exploratory Therapy Association. Ayad u. a., 2022
35 ‘Taking the lid off the box‘: The value of extended clinical assessment for adolescents presenting with gender identity difficulties, Clarke, Spiliadis, 2019
36 Gender Dysphoria: A Therapeutic Model for Working with Children, Adolescents and Young Adults, Evans, Evans, 2021
37 If only I were a boy …’: Psychotherapeutic Explorations of Transgender in Children and Adolescents, Evans M., 2022
38 Gender dysphoria in Asperger’s syndrome: A caution, Parkinson, 2014
39 Clinical and Ethical Considerations in the Treatment of Gender DysphoricChildren and Adolescents: When Doing Less Is Helping More, Schwartz, 2021
40 Transgender medicalization and the attempt to evade psychological distress, Withers, 2020
41 Gender dysphoria in childhood, Ristori, Steensma, 2016
42 A Follow-Up Study of Boys with GenderIdentity Disorder, Singh u. a., 2022
43 Gender-Affirming Treatment of Gender Dysphoria in Youth: A Perfect Storm Environment for the Placebo Effect, A. Clayton, 13.12.2022
44 Iatrogenic Harm in Gender Medicine, S. Jorgensen, 19.06.2023
45 Geschlechtsidentitäten im Wandel, E. Strittmatter, M. Holtmann, 12.03.2020
46 How Autistic Traits Can Be Mistaken For Gender Dysphoria, Chr. Buttons, 24.03.2023
47 Zitat stammt von Prof. Dr. Winter (KiJu-Gender-Ambulanz in Berlin) im Beitrag Geschlecht ist ein Gefühl, FAZ, K. Hummel, 04.07.2022
48 Gender dysphoria in young people is rising - and so is professional disagreement, BMJ, J. Block, 23.02.2023; J. Block kündigte ihren Beitrag (auf “T“ ) wie folgt an: „Gender-affirming care for adolescents in the US is frequently called evidence-based, even lifesaving. But there is little certainty in the evidence about the benefits of medical treatments, and growing professional concern about possible harms.”
49 Politics Aside, Healthcare Considerations Motivate More Caution before Medical Intervention for Trans-Identifying Youth, J, Cohn, 28.04.2023
50 Wir müssen dringend mehr in Transforschung investieren, V. Roessner in Frankf. Allg. Sonntagszeitung 14.11.2022
51 Puberty Suppression in Adolescents With Gender Identity Disorder: A Prospective Follow-Up Study, de Vries u. a., 2011
52 Young Adult Psychological Outcome After Puberty Suppression and Gender Reassignment, de Vries u. a., 2014
53 Drei niederländische Beiträge beschreiben das Dutch Protocol: Delemarre-van de Waal u. a., (2006) und (2014), de Vries u. a, (2012)
54 Gender dysphoria in adolescence: current perspectives, R.Kaltiala-Heino, 02.03.2018
55 The Myth of “Reliable Research” in Pediatric Gender Medicine: A critical evaluation of the Dutch Studies - and research that has followed, Abbruzzese u. a., 02.01.2023
56 Gender-affirming model still based on 2014 faulty Dutch study, Danna, 17.06.2021
57 The Dutch Protocol for Juvenile Transsexuals: Origins and Evidence, Biggs, 19.09.2022
58 Puberty Suppression in a Gender-Dysphoric Adolescent: A 22-Year Follow-Up, Cohen-Kettenis, u a. August 2011
59 Children and adolescents in the Amsterdam Cohort of Gender Dysphoria: trends in diagnostic- and treatment trajectories during the first 20 years of the Dutch Protocol, v. d. Loos, 26.01.2023
60 Short-term outcomes of pubertal suppression in a selected cohort of 12 to 15 year old young people with persistent gender dysphoria in the UK, Carmichael, 02.02.2022
61 A third of transgender children on puberty blockers suffered mental health problems, study reveals, telegraph, Swerling, 19.09.2023; Psychological outcomes of 12-15-year-olds with GD receiving pubertal suppression in the UK, McPherson, Freedman, 30.05.2023
62 Gerade Mädchen in der Pubertät fühlen sich schnell als Außenseiterin, V. Roessner: Cicero, 10.01.2023
63 Clinical Management of Gender Dysphoria in Adolescents: „Unlike adolescent Gender Identity Disorder (American Psychiatric Association, 2000), Gender Identity Disorder (GID) in childhood is believed to be more strongly predictive of homosexuality than transsexualism (Bradley & Zucker, 1997). So a clinician meeting a child with GID is more likely seeing a future gay/lesbian than a future transsexual.” de Vries u. a., 2006
64 It feels like conversion therapy for gay children, say clinicians, the times, 08.04.2018: „So many potentially gay children were being sent down the pathway to change gender, two of the clinicians said there was a dark joke among staff that “there would be no gay people left”
65 Time to Think - The Inside Story of the Collapse of the Tavistock’s Gender Service for Children, H. Barnes, 2023, Kapitel 10: „Indeed, Domenico Di Ceglie had repeatedly stated in the early years of the service that most children would grow up to be gay, not trans.”
66 Auch der Gründer des Tavistock GIDS, Di Ceglie, hatte in den Anfangsjahren wiederholt erklärt, dass die meisten Kinder (60-70%) schwul aufwachsen würden, nicht trans. “At this point in time, the small number of studies that existed supported this general picture. These early findings would later appear to be forgotten as demand for GIDS grew.” (H. Barnes in Time to Think, 2023, Kapitel 2+10)
67 B. Meyenburg in Befreit sich der Mensch von den Grenzen der Biologie? Spiegel,18.02.2022
68 Interview mit R. Kaltiala, Finnland, 27.01.2023: „3 von 4 Patienten haben auch schwere psychische Probleme” und Two years of gender identity service for minors: overrepresentation of natal girls with severe problems in adolescent development, R. Kaltiala, u. a., 09.04.2015
69 UKOM Norwegen, 09.03.2023 s. Kapitel 7
70 Boom de casos en la Unidad de Identidad de Género del HUBU, 14.11.2022
71 Schweden: Utvecklingen av diagnosen könsdysfori, Socialstyrelsen 2020, S. 9: ♀: 32,4 % Ängste, 28,9 % Depressionen, 19,4 % ADHS, 15,2 % Autismus
72 „Eine Hormonbehandlung bei 13/14jährigen sei keine Seltenheit“, sagte Karoline Haufe, Trakine, WELT, 14.01.2022
73 Interview mit Thomas Steensma, ad.nl, 27.02.2021
74 Challenges in Timing Puberty Suppression for Gender-Nonconforming Adolescents, de Vries, 01.10.2020
75 So fragwürdig ist das Standardverfahren mit Hormonen für Trans-Jugendliche, WELT, 10.01.2023
76 De transitie heeft mijn leven verwoest, HP/detijd, 31.10.2022
77 Onzekerheden rond de huidige genderzorg, J. Smids u.a., 07.11.2023
78 Psychological assessments before and after treatment of early puberty in adopted children, D. Mul u. a. 2001
79 Transgenderzorg aan kinderen, Smeehuijzen u. a., 20.07.2023
80 Norway’s government is „in dialogue“ with health services about gender treatments, J. Block, BMJ, 06.07.2023
81 „Same evidence, divergent recommendations”, s. Gender dysphoria in young people is rising—and so is professional disagreement, J. Block, BMJ, 23.02.2023
82 Recommendation: Medical treatment methods for dysphoria related to gender variance in minors, COHERE (Council for the Choices in Health Care), 11.06.2020.
83 A systematic review of hormone treatment for children with gender dysphoria and recommendations for research, Ludvigsson u. a., 2023; Hier die grafische Zusammenfassung aus der systematischen Übersicht von Ludvigsson u. a.:
84 Evidence review: Gonadotrophin releasing hormone analogues for children and adolescents with gender dysphoria, NICE 2020a und Evidence review: Genderaffirming hormones for children and adolescents with gender dysphoria, NICE 2020b
85 Care of children and adolescents with gender, dysphoria. Summary. Swedish National Board of Health and Welfare, SNBW, Socialstyrelsen 2022
86 Finnland: Med. Behandlungsmethoden für Dysphorie im Zusammenhang mit Variationen der Genderidentität bei Minderjährigen, 2020
87 Schweden: Summary of Key Recommendations from the Swedish National Board of Health and Welfare (Socialstyrelsen/NBHW), SE GM, February 2022
88 England schränkt Verordnung von Pubertätsblockern ein, Dt. Ärzteblatt, 30.06.2023
89 Académie Nationale de medicine: La médecine face à la transidentité de genre chez les enfants et les adolescents, 25.02.2022
90 Norwegen: Pasientsikkerhet for barn og unge med kjønnsinkongruens (Patientensicherheit für KiJu mit Genderinkongruenz
91 Norway’s guidance on paediatric gender treatment is unsafe, says review, J. Block, 23.03.2023
92 Denmark Joins the List of Countries Who Have Sharply Restricted Youth Gender Transitions, SE GM, 17.08.2023
93 Genderdysphorie: England schränkt die Verordnung von Pubertätsblockern ein, Dt. Ärzteblatt, 30.06.2023
94 Current Concerns About Gender-Affirming Therapy in Adolescent, Levine u. a., 14.04.2023
95 ‘Gender-Affirming Care Is Dangerous. I Know Because I Helped Pioneer It.’, R. Kaltiala in thefp, 30.10.2023
96 Denmark Joins the List of Countries That Have Sharply Restricted Youth Gender Transitions, SE GM, 17.08.2023
97 Gesetzliche Verbote von Pubertätsblockern im Ausland, Wiss. Dienste des Dt. Bundestages, 18.10.2023
98 David Bell, Ex-Governor Tavistock sagte am 21.09.2023 zur sog. Affirmationspolitik in Deutschland: „Da ich viele Kontakte zu deutschen Kolleginnen und Kollegen habe, bin ich jedoch erschüttert darüber, dass die Dinge in Deutschland so weit zurückliegen.“
99 Das IQWiG bringt vier neue Berichte auf den Weg, Pressemitteilung, 28.02.2023
100 Stellungnahme v. 12.04.2021 der Fachgesellschaften, die die AWMF S3-Leitlinie verantworten zur Begutachtungsanleitung (Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes „Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualismus (ICD-10, F64.0)“
101 Niederländische Studie (de Blok et al. 2021), dänische Studie (Simonsen et al. 2015) und schwedische Studie (Dhejne et al. 2011)
102 Use of gonadotropinreleasing hormone analogs in children: Update by an international consortium, Bangalore Krishna, K. B., u. a., 2019, Seite 365
103 ‘An explosion’: what is behind the rise in girls questioning their gender identity?, the guardian, 24.11.2022
104 Number of Referrals to GIDS 2010-11 to 2021-22, GIDS London, 27.11.2022
105 „Wenngleich es für den deutschsprachigen Raum wegen des dezentralisierten Systems der Gesundheitsversorgung keine vergleichbare Erfassung der Fallzahlen gibt, bestreitet mittlerweile niemand mehr, dass die Entwicklung hierzulande die gleiche ist (vgl. Herrmann et al., 2022). Dies betrifft auch die Inversion der Sex-Ratio, also die Umkehrung des Verhältnisses von betroffenen geburtsgeschlechtlichen Jungen zu geburtsgeschlechtlichen Mädchen“, Korte u. a., in Sturm und Drang im Würgegriff der Medien – Die Leiden der jungen Generation am eigenen Geschlecht, 08.09.2023
106 Bei Statista.de wird nur eine Zahl für das Alter von 15-20 J. angegeben, so dass unklar bleibt, wie viele Minderjährige: https://de.statista.com/infografik/26187/anzahl-der-geschlechtsangleichenden-operationen-in-deutschland
107 Im EMMA-Beitrag Medizin-Skandal Pubertätsblocker! C. Louis, (Nov 2023) heißt es: „Bisher hat sich der Gemeinsame Bundesausschuss noch nicht mit der Frage beschäftigt, ob GnRH-Analoga als pubertätsblockierendes Medikament bei Kindern und Jugendlichen mit Geschlechtsdysphorie im Off-Label eingesetzt werden sollten.“
108 Familien mit trans* und nicht-binären Kindern: Orientierung für Eltern, Jugendliche und Fachkräfte, M. Günther u. a. Oktober 2023:
„Wenn nun eine Behandlungsempfehlung vorliegt, kann der*die Endokrinolog*in mit der Behandlung beginnen. Allerdings hat es sich in manchen Gegenden eingebürgert, vor dem Behandlungsbeginn die Krankenkasse zu fragen, ob sie dem zustimmt. Das ist häufig ungünstig, da die Krankenkasse gern auf die Begutachtungsanleitung des Medizinischen Dienstes für Erwachsene verweist, ein halbes Jahr Psychotherapie fordert und einen Antrag sehen möchte, zu dem ein Behandlungsbericht des*der Psychotherapeut*in gehört. Beides ist aus fachlicher Sicht unnötig und verzögert häufig den Behandlungsbeginn. ... Wir empfehlen die Krankenkasse nicht zu fragen. Die Abrechnung funktioniert trotzdem allermeist.“
109 Twitter: https://twitter.com/EderKirsch/status/1718266353528795440
110 Seltene Erkrankungen, BfArM
111 Hormonbehandlungen bei geschlechtsinkongruenten oder geschlechtsdysphorischen Jugendlichen zu Lasten der GKV, Harney, A. u. a., 13.02.2023
112 Genderinkongruenz s. de.wikipedia.org/wiki/Genderinkongruenz
113 BfArM zum ICD11: www.bfarm.de/DE/Kodiersysteme/Klassifikationen/ICD/ICD-11/_node.html
114 Genderdysphorie: www.psychiatry.org/patients-families/gender-dysphoria/what-is-gender-dysphoria
115 Rechtliche Rahmenbedingungen der Gesundheitsfürsorge von Trans*-Personen, Grafe, 11.04.2023
116 Transition Regret and Detransition: Meanings and Uncertainties, S. Jorgensen, 02.06.2023 (dt. Übersetzung mit Hilfe von Deepl)
117 Geschlechtsangleichende Operationen für non-binäre Personen derzeit keine Kassenleistung, BSG, 19.10.2023, Urteilsbegründung, 15.03.2024
118 WPATH, Standards of Care, Version 8, S. 260
119 Geschlechtsangleichende Hormontherapie bei Geschlechtsinkongruenz, G. Meyer u. a., 2020
120 Selbst Jack Turban, führender amerikanischer Vertreter der gender-affirmativen Versorgung twitterte 2021 (versehentlich?), Gender sei kein einfach feststehendes binäres Identitätskonstrukt:
121 Trans-Identität bei Kindern und Jugendlichen: Therapeutische Kontroversen – ethische Orientierungen, Dt. Ethikrat, 2020
122 Gender nonconforming youth: current perspectives, Ehrensaft, D, 25.05.2017
123 Time to Think - The Inside Story of the Collapse of the Tavistock’s Gender Service for Children, H. Barnes, 2023, Kapitel 2
124 Exkurs: Zur „Chemischen Kastration“, wie Pubertätsblocker auch bezeichnet werden, sagte Sophinette Becker (Sexualwissenschaftlerin und psychoanalytische Psychotherapeutin, Frankfurt) bereits 2016 in einem interessanten Gespräch mit Julia König unter dem Titel „Sexualität, die stört”:
„Und gleichzeitig gibt es ja jetzt die Möglichkeit, dass Kinder zu Beginn der Pubertät schon pubertätsunterdrückende Hormone bekommen, wenn man sie für transsexuell hält. Man sagt, das sei das Recht des Kindes, das Kind sei in der Lage, mit neun, zehn, elf Jahren zu entscheiden, dass es die bevorstehende Pubertät nicht will. Von der es gar nicht weiß, wie sie ist. Es entscheidet insofern unwissend, es entscheidet schlicht, dass es das ungewisse Bevorstehende nicht will.“ ... „Im Zeichen der Vielfalt wird die Sexualität unterdrückt. Denn die behandelten Kinder haben dann erst mal keine.“ (S. 117f.)
125 Genderinkongruenz mit krankheitswertigem Leidensdruck = Genderdysphorie bei Teens & Twens ist komplex und multifaktoriell. Die sofortige Bestätigung der Transidentität kann die Begleitprobleme verschleiern, die zu dieser Schlussfolgerung geführt haben. Die nachfolgende Infografik von der ►Bayswater Support Group veranschaulicht die Komplexität, die sich unter der Oberfläche verbergen kann, wenn ein Jugendlicher oder junger Erwachsener eine Transgender-Identität bekannt gibt.
126 BT-Drucksache 19/17278 S. 16f. „Sie [Personen unter 18 Jahren] sind nicht in der Lage, die fehlende Wirksamkeit und die Schädlichkeit der Behandlungen sowie die damit verbundenen Verletzungen ihrer sexuellen und geschlechtlichen Entwicklung und Selbstbestimmung angemessen zu beurteilen. Es ist davon auszugehen, dass sie in Bezug auf Konversionsbehandlungen generell einwilligungsunfähig sind. Denn Minderjährige befinden sich noch in der Phase der Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsfindung. Einflussnahmen können erheblich in die sexuelle und geschlechtliche Entwicklung eingreifen[…] Sie [die feste Altersgrenze von 18 Jahren] konkretisiert damit die allgemeine Vorgabe, wonach die Anforderungen an eine Einsichtsfähigkeit umso strenger sind, je schwerwiegender die in Rede stehende Behandlung und die damit verbundenen Folgen sind beziehungsweise sein können […].“
127 Medizinische Notwendigkeit: Ein entbehrlicher, da notorisch unscharfer Begriff? Schoene-Seifert, u. a., 2022
128 Forever young? The ethics of ongoing puberty suppression for non-binary adults, L. Notini, 24.05.2020
129 Auch die dgti fordert die generelle Zulassung der Medikamente zur Hormontherapie bei Geschlechtsdysphorie, s. https://dgti.org/2022/01/23/kommentar-zu-den-entwuerfen-der-standards-of-care-v8-soc-v8-der-wpath
130 Medical body modification in youth with gender dysphoria or body dysmorphic disorder – is current practice coherent and evidencebased? G. Kohls, V. Roessner, 08.11.2022
131 Wie viele Geschlechter gibt es und kann man sie wechseln? J. Ponseti / A. Stirn, 2019
132 Alexander Korte, Jugendpsychiater, über Transsexualität, Dysphorie und Self-ID in Hyslop Uncut - Podcast, 07.04.2022
133 Wahlverwandtschaften? Trans-Identifizierung und Anorexia nervosa als maladaptive Lösungsversuche für Entwicklungskonflikte in der weiblichen Adoleszenz, A. Korte, G. Gille, 12/2023
134 The Gender Affirmative Treatment Model for Youth with Gender Dysphoria: A Medical Advance or Dangerous Medicine? A. Clayton, 10.11.2021 und What the world can learn from a lobotomy surgeon’s horrible mistake, washingtonpost, M. McArdle, 14.02.2023
135 Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: „Homöopathie keine Kassenleistung“, im Bay. Rundfunk, 11.01.2024
136 Youth Gender Transition Is Pushed Without Evidence - Psychotherapy, not hormones and surgery, is increasingly the first line of treatment abroad, letter by 21 clinicians and researchers from 9 countries, wsj, 13.07.2023
*)Abkürzungen
TTSB: Warum erstatten die GKV die Transitions-Kosten? als (1 MB)
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Geschlechtsangleichung: Debatte um rechtliche Regelung, Dt. Ärzteblatt, 04.01.2023
Geschlechtsangleichung für non-binäre Personen keine Kassenleistung, Dt. Ärzteblatt, 20.10.2023
Geschlechtsangleichende Operationen für non-binäre Personen derzeit keine Kassenleistung, PM des BSG, 19.10.2023
Anträge auf geschlechtsangleichende Behandlungen bei Transpersonen verdoppelt, Welt, 11.12.2023