Informierte Einwilligung - die heiße Kartoffel

Hot potato concept 123rfKeira Bell und Mother A. hatten in Großbritannien geklagt, dass Minderjährige nicht in der Lage seien, in eine körper-medizinische Behandlung von Genderdysphorie einzuwilligen.

In einem aufsehenerregenden Urteil hatte Ende 2020 der High Court in London diese Auffassung weitgehend bestätigt. Die RichterInnen erklärten beispielsweise, es sei „höchst unwahrscheinlich", dass ein Kind unter 13 Jahren in die Behandlung einwilligen könne, und es „zweifelhaft" sei, dass ein Kind von 14 oder 15 Jahren die Folgen verstehen würde. 

In einem Revisions-Verfahren erklärte schließlich im September 2021 der Court of Appeal, es sei unangemessen, dass der High Court die Leitlinien vorgibt. Stattdessen sollten die Ärzte beurteilen, ob ihre PatientInnen ordnungsgemäß einwilligen können. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens wurde im Mai 2022 abgelehnt.

Daher sind nun wieder die ÄrztInnen in der Pflicht, ordnungsgemäße Einwilligungen zur GD-Behandlung bei Kindern und Jugendlichen sicherzustellen.

Das Verfahren insgesamt hat weltweit zu einer großen Debatte über die Frage geführt, ob es bei der üblichen gender-affirmierten Genderdysphorie-Behandlung - GAT überhaupt möglich ist, bereits Minderjährige bei jedem neuen Teilschritt (soziale Transition, PB, CSH, OPs) über die gesamte Bandbreite der medizinischen, psychologischen und sozialen Folgen über einen langen Zeitraum bzw. für die gesamte Zukunft aufzuklären.

Zum einen sind bei der GD-Behandlung sehr verschiedene Fachleute zu verschiedenen Zeitpunkten beteiligt, zum anderen 

“It seems that even with the reassurance and recommendations from a mental health professional, ethical unease cannot be entirely erased because treatment guidelines have preceded the answers to vital relevant questions.” Levine 2018

Aufgrund des Verfahrens in Großbritannien, aber auch wegen einiger Fälle, bei denen Jugendliche zu Schaden gekommen sind, wurden Einrichtungen, Verfahrensweisen, Empfehlungen sowie die Evidenz für somatisch-medizinische Behandlungen mancherorts überprüft. Aus etlichen europäischen Ländern, wie Finnland, Schweden, Frankreich und England kamen in den letzten Monaten Initiativen, die aufgrund von Überprüfungen neu bewerten oder zur Vorsicht mahnten. Teilweise wurden die medizinischen Maßnahmen für genderdysphorische Minderjährige oder Twens bis 25 Jahren ausgesetzt oder beschränkt.

Informierte Einwilligung

In den USA äußern neuerdings einige prominente "Gender-ÄrztInnen" Bedenken bezüglich des  Einsatzes von Pubertätsblockern und Hormonen. Zum einen wird von ihnen das Thema Detransition angesprochen, zum anderen beispielsweise das Problem, dass Kinder, die früh (d. h. im Tanner-Stadium 2) Pubertätsblocker nehmen und anschließend mit Hormonen weitermachen, niemals eine erwachsene sexuelle Funktion haben oder einen Orgasmus erleben werden.

“This raises huge and glaring red flags about the concept of “informed consent” for children and teens who are ushered into transition.”

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Die Folgen der GAT betreffen weit mehr als die körperlichen Ergebnisse. Es geht beispielsweise auch um die psychische Gesundheit, familiäre und intime Beziehungen sowie die allgemeine Fähigkeit, langfristig in der Gesellschaft zu funktionieren.

„The presence of these considerations makes GAT unique among all medical treatments. No other procedures implicate such a broad range of issues, many of which may not surface until years or even decades after the initial intervention. ... Rather, the ultimate question is a holistic one: What kind of life will this patient have?” Robbins, 2020

Unter den Fachleuten besteht kein Konsens oder Standard, wie und wann eine "informierte Einwilligung" aussehen bzw. vonstatten gehen sollte. Reicht es aus, Nebenwirkungen und potenziellen Folgen per Broschüre zu überreichen oder sie vorzulesen und Frage-Antwort-Möglichkeiten zu geben? Oder ist ein längerer individueller psychotherapeutisch begleiteter Prozess erforderlich, um sich eingehend mit den Maßnahmen und ihren möglichen Auswirkungen auf die eigene Zukunft zu beschäftigen?

Stephen B. Levine hat bereits 2018 einen umfassenden und überzeugenden Beitrag zur „Informierten Einwilligung” vorgelegt:

Informed Consent for Transgendered Patients, Levine 2018

When can a child consent to medical transition? Transgendertrend, 17.09.2021

Why the Keira Bell Case Shows that Gender Should Not Be Medicalised, H. Brunskell-Evans, 29.05.2021

Informierte Einwilligung bei GD - es ist kompliziert


Lasst die Kinder in Ruhe

Kinder können Entscheidungen über körpermedizinische Behandlungen nicht treffen und sollten vor ihnen geschützt werden, sagen die Autoren des Beitrags

Uninformed Consent: The Transgender Crisis, September 2021

The treatments do much more to the maturing child than change his or her appearance. They tamper recklessly with complicated, incompletely understood neurobiological mechanisms crucial in human physical and personal maturation.

Many of the most important aspects of human development occur after puberty. Although much is prepared during the long prepubescent phase, the moral, social, and intellectual capabilities of individual people—those features they need to govern and care for themselves—do not bloom until after it.

Actual and truly informed consent in these matters is impossible for anyone—for the child or for the most concerned and dutiful parent. ... If nobody really knows what’s happening, how can one consent to it?